Experten aus Europa und Asien trafen sich am 26. April in Almaty, um die Perspektiven Zentralasiens als Transitland zwischen Europa und Asien zu diskutieren

„Korridore“, „Landbrücken“, „Flaschenhälse“ – das Vokabular bei der strategischen Planung neuer Transportwege ist so vielfältig wie es die Meinungsvielfalt am 26. April im großen Konferenzsaal des Kasachstanischen Instituts für Strategische Studien (KISI) in Almaty war. Das KISI und die Friedrich-Ebert-Stiftung hatten zu einer Konferenz geladen, bei der die „Perspektiven für Zentralasien als Landbrücke zwischen Europa und Asien“ unter die Lupe genommen werden sollten. Etwa einhundert Gäste aus über zehn Ländern waren der Einladung gefolgt, um einen Tag lang einen wahren Vortragsmarathon zu bewältigen.

Unter Transport-Experten gelten die zentralasiatischen Republiken nicht gerade als Niemandsland, aber dennoch als entwicklungsfähig. Bei der Frage nach dem Potential Zentralasiens als Verbindung zwischen Europa und Asien waren sich die meisten der Anwesenden einig. Vor allem als Transitland für den Transport zwischen dem Westen und China hat insbesondere Kasachstan gute Karten, wenn es denn die eigenen Schwachstellen erkennt und das nationale Programm zum Ausbau der Transportwege bis zum Jahr 2020 konsequent umsetzt.

Einsicht, welche Probleme Kasachstan zu bewältigen hat, um im internationalen Transportgeschäft mitzuspielen, ist vorhanden. So gestand Jermek Kisatow von der Nationalen Kasachstanischen Eisenbahngesellschaft „Temir Scholy“ aus Astana ein, dass die Anzahl der Eisenbahnlinien, die Kasachstan mit seinen Nachbarländern verbinden, unbedingt erhöht werden müsse. Zehn Strecken verbinden Kasachstan bisher mit Russland, fünf mit den südlichen Nachbarrepubliken und nur eine einzige führt nach China. Auch bestünde ein eklatantes Problem bei unterschiedlichen Spurweiten zwischen Kasachstan und China, was längere Transportzeiten und höheren finanziellen Aufwand beim Umladen der Transportgüter an der Grenze bedeute. Ebenso kritisch wurde das Straßennetz Kasachstans beleuchtet, das nach europäischen Maßstäben alles andere als befriedigend ist.

Aus europäischer Sicht besteht großes Interesse an Transportwegen in Richtung Asien. Denn, so Benoît Chevalier vom französischen Verkehrsministerium, „Landbrücken sind noch immer der sicherste und schnellste Weg zwischen Asien und Europa. Deshalb ist der Transport per Straße oder Schiene dem Schiffsverkehr überlegen und muss ausgebaut werden“. Vor allem die immer wichtiger werdenden Handelsbeziehungen zu China und Südostasien würden in den nächsten Jahren größere Transportaufkommen mit sich bringen und nach neuen Handelswegen verlangen.

Fabrizzio Vielmini von der Italienisch-Kasachstanischen Handelskammer in Rom betonte die Wichtigkeit von internationalen Transportwegen, weil sie gleichzeitig als Entwicklungsmotoren für Wirtschaft und Lebensstandard sorgen. Er kritisierte jedoch die Zurückhaltung Europas bei der Erschließung eurasischer Transportwege. Obwohl beispielsweise Deutschland immer stärker Kontakt zu Russland und China suche, blieben die Bemühungen, den Transport durch Zentralasien zu leiten, zögerlich. „Noch immer wird Zentralasien ausschließlich als Lieferant von Ölreserven gesehen. Doch es ist für Europa höchste Zeit, auch die strategische Bedeutung dieser Region wahrzunehmen, die künftig weltweit für geopolitische Balance sorgen könnte“.

Angelika Zwicky von Dornier Consulting mit Sitz in Baku in Aserbaidschan betreut das Traseca-Programm der Europäischen Union, das den Brückenschlag von Europa über Zentralasien bis nach China vorsieht. Auch sie meinte, eine gewisse Zurückhaltung bei der Initiierung neuer Transportkorridore durch Zentralasien zu erkennen. Ihrer Meinung nach läge das allerdings daran, dass sich die an den bisher dominierenden Nord- und Südkorridoren beteiligten Länder „aus Angst vor Konkurrenz“ mit ihrem Engagement zurückhielten. Sie befürwortet Initiativen zum Ausbau der Verkehrswege in den zentralasiatischen Ländern aus einem eindeutigen Grund: „Konkurrenz belebt das Geschäft – und senkt letztlich die Transportkosten“.

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