Die Weltwirtschaft befindet sich in zahlreichen Transformationen. Dekarbonisierung, Digitalisierung und geopolitische Verwerfungen stellen alte Wachstumsmodelle infrage. Das IMD World Competitiveness Ranking 2025 liefert in diesem Kontext eine wertvolle Momentaufnahme: Welche Volkswirtschaften setzen auf zukunftsfähige Strukturpolitik und welche verharren im Status quo? Einige der auffälligsten Bewegungen im aktuellen Ranking finden sich in Zentralasien, wo Kasachstan seit einigen Jahren ein bemerkenswerter Aufstieg gelingt. Dagegen verlieren viele Wachstumsmärkte in Osteuropa an Boden.

Kasachstan: Der Aufsteiger

Das World Competitiveness Yearbook, herausgegeben vom International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne, gilt als eines der renommiertesten globalen Wettbewerbsrankings. Mit Platz 34 verbessert sich Kasachstan im diesjährigen IMD-Ranking seit 2022 um ganze neun Ränge. Dies ist ein bemerkenswerter Sprung in einem Feld von 69 untersuchten Märkten, noch dazu vorbei an etablierten Industrienationen wie Japan. Besonders in den Kategorien Geschäftseffizienz und Infrastruktur gelingt ein klarer Fortschritt: Kasachstan rückt bei der Geschäftseffizienz von Platz 28 auf 20 vor und bei der Infrastruktur gelingt eine Verbesserung von Rang 49 auf die 44. Sprosse.

Zu den Haupttreibern dieser Entwicklung zählen:

• Reformen im Steuer- und Unternehmensrecht, insbesondere zur Förderung ausländischer Direktinvestitionen
• Digitale Transformationsprogramme, etwa die umfassende Automatisierung von E-Government-Dienstleistungen (82% der Services sind automatisiert)
• Stabile makroökonomische Rahmenbedingungen bei gleichzeitigem Ausbau der industriellen und logistischen Infrastruktur

Kasachstan profitiert zudem von einer relativ hohen Beschäftigungsquote auch unter Jugendlichen und Frauen sowie niedrigen Energiepreisen für Industrieunternehmen. Der Staat forciert mit der Strategie „Digital Kazakhstan“ gezielt eine wirtschaftliche Diversifizierung, um sich von der Abhängigkeit von Rohstoffexporten zu lösen. Wachstumstreiber sind insbesondere der Finanzsektor, die Technologiebranche und zunehmend auch die grüne Wirtschaft.

Osteuropa: Reformstau trotz Potenzial

Im Gegensatz dazu fällt das Bild in vielen mittel- und osteuropäischen Ländern ernüchternd aus. Ungarn, Polen oder Bulgarien rutschen im Ranking ab und das teils deutlich. Die Gründe dafür sind vielfältig:

• Schwächelnde Innovationskraft und Produktivität,
• Regulatorische Unsicherheiten sowie schleppende institutionelle Reformen,
• Hohe außenwirtschaftliche Abhängigkeiten.

Nicht zuletzt zeigen die globalen Konfliktherde, wie verwundbar wirtschaftliche Systeme in geopolitisch exponierten Regionen sind. Während andere europäische Staaten durch Marktgröße, Kapitalverfügbarkeit und diversifizierte Handelsbeziehungen Resilienz zeigen, geraten kleinere Volkswirtschaften mit niedriger wirtschaftspolitischer Anpassungsfähigkeit zunehmend unter Druck.

Globaler Trend: Schwellenländer auf dem Vormarsch

Parallel zum Rückfall etablierter Industrienationen (darunter auch Deutschland) rücken mehrere Schwellenländer vor:

• Die Vereinigten Arabischen Emirate erreichen Platz 5, dank einer klugen Digitalisierungspolitik, Investorenfreundlichkeit und institutionellen Effizienz,
• Saudi-Arabien macht weitere Fortschritte auf seinem Weg zur postfossilen Ökonomie („Vision 2030“),
• Malaysia behauptet trotz struktureller Herausforderungen einen Spitzenplatz (Top 23), getragen von einer industriellen Basis und Innovationsförderung.

Diese Beispiele unterstreichen einmal mehr, dass Wettbewerbsfähigkeit ist kein exklusives Merkmal der OECD-Welt ist. Vielen ehemaligen Schwellen- und Entwicklungsländern gelingt mit einer Mischung aus Diversifizierung und Spezialisierung eine teils beeindruckende Modernisierung.

Primus inter Pares: Was die Top-Platzierten auszeichnet

An der Spitze des IMD-Rankings stehen 2025 erneut die Schweiz (Platz 1), Singapur (Platz 2) und Hongkong (Platz 3): allesamt kleine, offene Volkswirtschaften mit globaler Bedeutung. Die Schweiz überzeugt mit wirtschaftlicher Stabilität, einer hochqualifizierten Arbeitskräftebasis, starker Innovationskraft und soliden Staatsfinanzen. Singapur und Hongkong glänzen durch effiziente Verwaltung, klare Regulierung und strategische Standortpolitik. Sie bieten Unternehmen stabile Rahmenbedingungen, kombinieren staatliche Langfriststrategie mit marktwirtschaftlicher Offenheit und setzen konsequent auf Bildung und Digitalisierung. Obwohl kleinere Länder flexibler agieren können, ist es nicht die Größe, sondern die Qualität institutioneller Prozesse, Reformbereitschaft und Investitionen in Humankapital, die entscheidend für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit sind.

Das Ranking zeigt, wie dynamisch wirtschaftliche Systeme auf Reformen, Technologiepolitik und geopolitische Herausforderungen reagieren. Schwellenländer wie Kasachstan senden ein klares Signal: Mit Investitionen in Bildung, Infrastruktur und gute Regierungsführung lässt sich global aufschließen. Für viele osteuropäische Staaten ist dies ein Weckruf: Das bloße Setzen auf günstige Arbeitskräfte genügt in einer zunehmend wissensbasierten Weltwirtschaft nicht mehr.

Jonas Prien, Volkswirt bei der Schneider Group

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