Der Verein Deutsche Sprache (VDS) erinnert seit 2001 alljährlich am 14. September an den Stellenwert der deutschen Sprache als kommunikatives Mittel. Dabei geht es nicht um die „Richtigkeit“ im Umgang mit der Sprache der Dichter und Denker, sondern insbesondere darum, ein Bewusstsein für ihre Vielfalt und Veränderungsdynamiken zu schaffen und zu bewahren. Die deutsche Sprache, so geistreich, pragmatisch, aber doch innovativ, wie sie oft in höchsten Tönen gelobt wird, ist gleichermaßen oft Objekt gesellschaftlicher Debatten und Kontroversen.

Aufs Maul geschaut: Über die „teutsche Mundart“

Häufig wird Martin Luthers Thesenanschlag und seine Bibelübersetzung ins „teutsche“ als wegweisendes Ereignis in der deutschen Sprachgeschichte gedeutet. Von Nietzsche über Engels bis Goethe und Heine – alle waren sie begeistert vom Innovationsgeist Luthers. Herzenslust und Feuereifer, Nächstenliebe und Ebenbild, Gewissensbisse und Lästermaul – sie alle sind von Luther geschaffene Wortbilder, die bis in die Gegenwart nachhallen und Generationen von Schriftstellern prägten und vereinten. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands wurden Mitte des 16. Jahrhunderts über 20 verschiedene Sprachen oder Dialekte gesprochen. Luther, als begeisterter Reisender, durchquerte regelmäßig weit auseinanderliegende Sprachräume der „teutschen Mundart“ und fand vielleicht gerade dadurch eine für alle leicht verständliche, gemeinsame und prägnante Sprache.

Auch die Gebrüder Grimm, Jakob und Wilhelm, hielten den Einfluss Luthers für so groß; dass sie ihn als „Kern und Grundlage der neudeutschen Sprachniedersetzung“ bezeichneten. Sie selbst waren ebenfalls wichtige Vorkämpfer einer einheitlichen deutschen Sprache und begannen 1838 die Arbeit am ersten Wörterbuch der deutschen Sprache, das zwar 1854 erstmalig veröffentlicht wurde, dessen Fertigstellung aber erst lange nach ihrem Tod im Jahr 1961 gelang. Die Geschichte der deutschen Sprache ist lang und es müssten viele wichtige Persönlichkeiten genannt werden, die auf ihre Entwicklung wesentlichen Einfluss genommen haben. Sie alle eint jedoch, dass es ohne den Anstoß zu einer einheitlichen, für alle Träger der „teutschen Mundart“ verständlichen Sprache, kein Deutsch geben würde, wie wir es heute kennen.

Deutsch im Ausland

Die Goethe-Institute weltweit genießen ein gewisses Prestige, das gemischt ist mit einer langjährigen Erfahrung in der Schulung von Deutsch-Interessenten, die sowohl im In- als auch im Ausland die deutsche Sprache erlernen wollen. Das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache wächst wieder: gemäß einer vom Auswärtigen Amt veröffentlichten Datenerhebung „Deutsch als Fremdsprache“ aus dem Jahr 2020 wurde einen Anstieg von rund 10 Prozent auf nunmehr 105.846 Schulen weltweit festgestellt, an denen Deutsch als Unterrichts- oder Fremdsprache gelehrt wird. Außerdem werden Fachkräfte in Deutschland tüchtig gesucht und auch damit steigt der Stellenwert der deutschen Sprache im internationalen Ranking.

Kennen Sie Kästner?

Zwischen dem 28.09. und dem 20.10. findet im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt, etwa 20 Kilometer südwestlich von Halle an der Saale, das 18. Festspiel der deutschen Sprache statt. Aller Entfernung zum Trotz gibt das Programm doch allen Grund zum Staunen. Neben historischen Meisterwerken der deutschsprachigen Dicht- und Tonkunst gehören auch satirische Lesungen zum diesjährigen Programm der Festtagsspiele. Sowohl für erfahrene Enthusiasten der deutschen Belletristik als auch für hoffnungslos vernarrte Einsteiger findet sich im Repertoire Stoff zum Ein- und Weiterlesen.

Eindrucksvoll ist wohl insbesondere die Aufführung der Mozart-Oper „Die Zauberflöte“, die so nah wie möglich an das 1794 in Weimar erstaufgeführte Original heranzukommen versucht. Die Erstaufführung der „Zauberflöte“ war „ein musik- und theaterhistorischer Meilenstein der goetheschen Mozartrezeption und zugleich ein eindrucksvoller Beleg für die Aufführungspraxis im Musiktheater der Goethezeit.“, so die Veranstalter.

Eine musikbegleitete Lesung von Texten Erich Kästners, der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Ikone der humorvollen Poesie und ein berühmter Kinderbuchautor war, sowie eine satirische Lesung des bekannten Kolumnisten Max Goldt, in der er sich unter anderem über das sprachliche Pulverfass der „Gendersprache“ echauffiert und provoziert, setzen den Festspielen das berühmte i-Tüpfelchen auf und geben reichlich Anstoß zum Nachdenken.

Ein Stück Deutschland im kulturellen Herzen Kasachstans

Wer jedoch auch in Kasachstan in den Genuss literarischer Größe kommen will, der wird zweifellos im nahezu unaufhörlich kreativen Akademischen Deutschen Dramatischen Theaters der Republik in Almaty fündig. Unter dem Motto „Verbundenheit durch Kunst“ demonstriert es Einigkeit, Kooperation und Toleranz. So steht das Theater auch in seinem 45. Jubiläumsjahr für partnerschaftliche Beziehungen und die Erweiterung des deutsch-kasachischen kulturellen Angebots ein.

Unter der deutschen Minderheit in den ehemaligen Sowjetrepubliken galt das Theater als wegweisender Repräsentant ihrer Sitten und Bräuche. Nach langen Jahren der Schließung wurde zur Mitte der 1980er Jahre, damals noch in der Industriestadt Temirtau im Gebiet Karaganda und später oftmals als Wandertruppe durch die ganze Sowjetunion, das seit 1941 erste Theaterstück in „wolgadeutscher Mundart“ (Kenntnisse des Hochdeutschen waren nicht weit verbreitet) aufgeführt, womit ein bedeutender emotionaler Meilenstein gesetzt wurde für die während der Sowjetherrschaft oft verleumdete und vergessen geglaubte deutsche Minderheit.

Die Aufführung des 2018 auf Russisch erschienenen Romans von Gusel Jachina „Wolgakinder“ (der russische Originaltitel lautete «Deti moi») nimmt sich eben jener gesellschaftlich-kulturellen Zwiespältigkeit an und handelt sogleich von Liebesleid und Liebesfreud, von Lebensmut und Resignation im Leben des wolgadeutschen Dorflehrers Jakob Iwanowitsch Bach und der Bauerntochter Klara. Allen Hindernissen zum Trotz finden die beiden durch die Wolga getrennten Liebenden zusammen und genießen eine zwar triste, aber sie doch erfüllende Zweisamkeit.

Klara wird durch eine Vergewaltigung schwanger und stirbt bei der Geburt. Jakob Iwanowitsch nimmt sich allein der Erziehung der kleinen Anna an und kämpft mit den emotionalen Folgen seines Verlusts und der Einsamkeit; dies belastet ihn so sehr, dass er zu sprechen aufhört und dass er Trost findet nur im Verfassen von Märchen über die Tradition der Russlanddeutschen findet. Dem Druck der ideologischen Missionierung durch die Sowjetführung weichend, werden Jakob Iwanowitschs Erzählungen im Sinne der sozialistischen Propaganda umgedeutet und dennoch verliert er erneut alles. Neben Anna wird ihm auch ein adoptierter, zugelaufener kasachischer Junge weggenommen.

Der Roman erzählt von der Verantwortung des Einzelnen in einer Gesellschaft, die vorgeblich im Sinne der „fortschreitenden Gesellschaft“ agiert. Die Sprache als Instrument des Widerstands symbolisiert die unbeugsame Haltung des Individuums im Kampf gegen eine scheinbar allumfassende Macht. Der Roman übt eine Kritik, die an Aktualität nichts verloren hat, und er ist eine Hommage an die schreckliche, doch faszinierende und einfühlsame Geschichte der Russland- und Kasachstandeutschen.

Helmut Ettingers gelungene deutsche Übersetzung des Romans stellt die Aufführung am 10. Oktober (mit Simultanübersetzung ins Russische) in ein neues Licht und symbolisiert die symbolische Verbundenheit beider Kulturen aufs Neue. Sie dürfen gespannt sein – für den Oktober plant das hiesige Theater darüber hinaus Aufführungen aus der Feder Herold Belgers, einem der aktivsten und bedeutendsten kasachstandeutschen Autoren.

„Wach auf, mein Lieb, und mach mich frei, die Nacht will uns entweichen“

Lassen Sie uns an diesen Tagen sowohl an die schönsten Stücke zeitgenössischer Lyrik und Prosa, die uns unsere feinfühlige deutsche Sprache ermöglicht haben, erinnern und andererseits an der Gleichwertigkeit und Schönheit aller Sprachen auf unserer Welt gedenken. Das wirklich Schöne an Sprache ist doch, dass man nicht allein in den Genuss einer einzigen kommen muss – Vielfalt und Weltbürgertum sind Tugenden, die es zu wahren und pflegen gilt.

Bei all der Schwärmerei für die Vorzüge der deutschen Sprache dürfen wir ja nicht vergessen, dass eine Sprache nichts wäre ohne weitere, uns fremde, wie auch bekannte, oder gut erlernte Sprachen. Oder, um es mit den Worten Goethes auf den Punkt zu bringen: Wer fremde Sprache nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.

Übrigens ist der internationale Tag der Muttersprache am 21.Februar. Für deutsche Muttersprachler also gleich zwei Termine, die es im Hinterkopf zu behalten gilt.

Anmerkungen der Redaktion (mittels Microsoft Bing Copilot):

Das Zitat “Wach auf, mein Lieb, und mach mich frei, die Nacht will uns entweichen” stammt aus einem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe. Es ist Teil seines Gedichts “Mailied”, das er 1771 schrieb. Goethe ist einer der bekanntesten deutschen Dichter und seine Werke sind bis heute sehr beliebt.

Der Verein Deutsche Sprache e. V. (VDS) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Dortmund, der sich für die Förderung und Bewahrung der deutschen Sprache einsetzt. Der Verein wurde 1997 gegründet und hat weltweit über 36.000 Mitglieder.

Der VDS engagiert sich in verschiedenen Bereichen, darunter:
• Veröffentlichung von Texten und Büchern zur deutschen Sprache.
• Organisation von Kulturveranstaltungen wie Lesungen und Vorträgen.
• Vermittlung von Fördermitteln und Stipendien.
• Kampagnen gegen Anglizismen und für eine klare, verständliche Sprache.

Der Verein setzt sich auch gegen das Gendern in der deutschen Sprache ein und organisiert jährlich den Tag der deutschen Sprache, um die Bedeutung der deutschen Sprache hervorzuheben.

Das erste umfassende Wörterbuch der deutschen Sprache, das Deutsches Wörterbuch (DWB), wurde von den Brüdern Grimm im Jahr 1838 begonnen. Es war das erste Wörterbuch, das auf wissenschaftlichen Prinzipien basierte und die Etymologie und Geschichte der Wörter der deutschen Sprache darstellte. Die Fertigstellung des gesamten Werkes dauerte jedoch bis 1961.

Anton Genza

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