Amir Dschadaibajew, Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Studien der bildenden Künste am staatlichen Kastejew-Museum in Almaty, ist Autor eines vor kurzem im BKDR-Verlag erschienenen Werks über den kasachstandeutschen Künstler Wladimir Eifert. Im Gespräch mit uns erzählt er, wie es dazu kam und was Eifert, der 1941 gewaltsam aus Moskau nach Kasachstan verbannt wurde, so besonders macht.

Herr Dschadaibajew, wie sind Sie auf Wladimir Eifert aufmerksam geworden und was macht ihn für Sie persönlich besonders?

Ich habe hier im Museum zum ersten Mal von Wladimir Eifert erfahren. Hier in dem staatlichen Kastejew-Kunstmuseum wird die größte Sammlung malerischer Werke von Eifert und anderen Künstlern deutscher Abstammung aufbewahrt und eben diese Werke beeindruckten mich mit ihrem Können. Eifert gelang es, seinen eigenen künstlerischen Stil zu finden, was unter den Bedingungen der Stalinzeit schwierig war. In Karaganda wurde mir vorgeschlagen, an einem entsprechenden wissenschaftlichen Beitrag zu arbeiten, und daher habe ich die Bestände des Museums in Karaganda, wo auch mehrere Werke von Eifert aufbewahrt wurden, sehr sorgfältig inspiziert.

Julia Podoprigora, die auch mit der deutschen Minderheit an verschiedenen kulturellen Projekten arbeitete, kam auf mich zu. Sie bot mir an, dass sie sich mit ihren Kollegen in Deutschland in Verbindung setzen würde und ich dann vielleicht ein Buch über Eifert veröffentlichen könnte. Ich stimmte diesem Vorschlag natürlich sofort freudig zu, auch weil ich hörte, dass das Buch auf Deutsch veröffentlicht werden würde, denn ich fand, dass das eine sehr gute Idee sei.

Was können wir anhand der wenigen Quellen klären und was bleibt weiter unklar?

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil bezieht sich auf seine Biografie und ist recht detailliert, beginnend von seinen Kindheitsjahren an, gestaltet. Der zweite Teil basiert auf den dokumentarischen Archiven, insbesondere Briefen, Artikeln über Eifert und Zeitzeugenberichten. Ich halte den dokumentarischen Teil für besonders wertvoll, weil er seine persönlichen Schicksalsschläge in den Briefen gut zum Ausdruck bringt.

Es gibt natürliche einige Wissenslücken, weil er insbesondere in den Anfangsjahren des Krieges in der Sowjetunion unterdrückt wurde. So viel ich auch im Puschkin-Museum recherchiert habe, es gibt einfach keine Informationen über ihn, obwohl er zeitweilen der Direktor dieses Museums war. Das heißt, es gibt Aspekte, die noch weiter untersucht werden müssen, wie auch sein Aufenthalt in Europa, wozu auch nur sehr wenig Informationen vorhanden sind. Es wäre also möglich, dass sich auch in europäischen Archiven noch weitere Briefe oder Dokumente zu Eifert befinden. Wir haben das erste Buch über Eifert zusammengestellt und damit den ersten Schritt getan. Es kann nicht alles abdecken, aber es öffnet der Forschung die Tür für weitere Arbeiten.

Eifert war viel unterwegs, wie auch in den 1930er Jahren in Berlin und Paris, und hat das Thema Kasachstan nach 1941 zunehmend in seine Kunst integriert. Inwiefern äußert sich der kulturelle Aspekt seiner Herkunft und auch der kasachischen Kultur?

Er kam nicht zuerst nach Karaganda. Anfangs kam er in eine kleine, verlassene Siedlung; sprich, er konnte keine Bekanntschaft mit Kasachinnen und Kasachen machen. Er selbst  beschrieb, dass es nach seinem Leben in Moskau eine solche Tragödie war, in der Steppe zu landen. Er schrieb sogar darüber, dass es ein Fehler gewesen sei, und bat darum, ihn zurückzuschicken. Kasachstan hat sich ihm nur sehr langsam eröffnet. Er sprach auch kein Kasachisch, konnte also nicht mit allen Leuten Kontakt aufnehmen. Später, irgendwann um 1943/44, wurde das Regime ein bisschen lascher und er durfte nach Karaganda ziehen. Dort arbeitete er und eröffnete parallel das erste Kunstatelier in dieser Region. Dort traf er auch auf verschiedene Menschen aus der Stadt.

Allmählich lernte er es, mit seiner Situation umzugehen, und bald schon schätzte er die örtliche Natur, doch mit rein kasachischen Themen hatte er wenig Berührung. Vielleicht gab es andere Arbeiten von ihm, die wir noch nicht kennen. Doch meistens beschränkte er sich auf Landschaften, Siedlungen und die Steppe. Er war hauptsächlich ein Landschaftsmaler. Er konnte sehr gut mit Farben arbeiten und Emotionen vermitteln.

Über die nach Kasachstan verbannten Deutschen schrieben Sie, ihre Reise sei eine gewesen, die „ins Nichts; in eine Welt der Zerstörung der Persönlichkeit“ führt. Inwiefern interagierte er mit Künstlerkollegen, die ein ähnliches Schicksal erlitten?

Wir haben nicht alle seine direkten Kontakte ausfindig machen können. Es gab da zum Beispiel einen Heinrich Vogeler, auch er war ein bekannter deutscher Künstler in Kasachstan. Sie lebten nicht weit voneinander entfernt, aber sie haben sich nicht getroffen. Sie waren politisch isoliert und es war gefährlich für sie sich zu treffen. Es gab aber dennoch Mittel und Wege, Kontakt zueinander aufzubauen. Während des Krieges haben Bürger deutscher Abstammung stets sehr vorsichtig agiert. Direkte Kontakte gab es also leider nicht.

Eifert war ein Einzelgänger, kein besonders geselliger Mensch, und blieb verschlossen. Nur durch die Kommunikation mit seinen Schülern haben wir Auskunft über seine Gedankengänge bekommen. Also, es ist schon bruchstückenhaft. Dennoch, dieser Schock, den er in jener Zeit erlitten hatte, ging sein ganzes Leben lang nicht mehr vorbei, er träumte viel vor sich her. Er träumte immer wieder, davon bin ich überzeugt, nach Moskau zurückzukehren oder erneut nach Europa zu gehen. Der Himmel ist, wie ich in dem Buch schreibe, die Quelle der Freiheit, von der er die ganze Zeit geträumt hat. Immer wieder und immer öfter war dieses Motiv der über den Himmel ziehenden Wolken bei Eifert präsent.

Die Geschichte verbannter Persönlichkeiten in der UdSSR wurde bisher nicht genug gewürdigt oder nur selektiv wahrgenommen. Planen Sie in Zukunft weitere, ähnliche Projekte und was wünschen Sie sich von der Wissenschaft im Sinne einer kunstgeschichtlichen Aufarbeitung?

Das ist eine gute Frage. Natürlich muss die historische Gerechtigkeit wiederhergestellt werden, und sie wird auch wiederhergestellt. Wir sind jedenfalls dabei, Namen aus der Vergessenheit zu holen und sie wieder aufzuarbeiten. Es gab eine ganze Gruppe von Künstlern, ohne die die Geschichte der Kunst in Kasachstan anders verlaufen wäre. Sie brachten eine hoch entwickelte Ästhetik mit, einen europäischen Farbgeschmack, eine gewisse Haltung des Künstlers war sehr wichtig. Und das betraf nicht nur deutsche Künstler, sondern auch jene aus anderen Ländern oder Republiken. Wir haben hier sogar vor ein paar Jahren eine Ausstellung mit deutschen Künstlern gemacht. Sie zu präsentieren, Bücher zu schreiben, wird der erste Schritt in diese Richtung sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Anton Genza.

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