„Eine Seite für die DAZ“ war das Motto eines Schreibprojekts des Ust-Kamenogorsker Sprachlernzentrums, an dem sieben junge Menschen teilnahmen. Herausgekommen sind individuelle Selbstportraits und Zukunftsblicke, die mal verzagt, mal mit großer Aufbruchstimmung von den eigenen Problemen und Wünschen erzählen. „Schreiben ist für sie ein Medium der Kommunikation, zum Mitteilen, Fragen, Protestieren“, schreibt die Leiterin des Projekts und Sprachassistentin des Goethe-Instituts, Solveig Bartusch. „Es ist ein Anlass, sich selbst zu erkennen und gleichzeitig ein Denkanstoß für die Öffentlichkeit. Vor allem aber bedeutet es, aktiv zu werden und gesellschaftliche Initiative zu ergreifen.“

In dieser und der folgenden DAZ-Ausgabe drucken wir die Ergebnisse des Workshops.

Rassul Rachimow (26)

Vor einigen Monaten bin ich 26 Jahre alt geworden. Ein griechischer Philosoph sagte einmal, dass sich der Mensch im Zeitraum von 25 bis 30 Jahren auf der Höhe seiner Produktivität und geistlicher Kräfte befinde. Stimme ich dieser Meinung zu? Es ist eine Frage, die ich noch nicht beantworten kann.

Nachdem ich mein Magisterstudium in Deutschland absolviert hatte, kehrte ich in meine Heimat zurück. Hier hatte ich das Glück, eine gute Arbeitstelle zu bekommen, in der ich viel Arbeitserfahrung sammeln kann.

Doch Deutschland hat mich auch verändert. Ich habe einen anderen Blick auf die Wirklichkeit des Lebens in Kasachstan gewonnen und dadurch Probleme gesehen, die ich zuvor nicht bemerkt hatte. Ust-Kamenogorsk ist eine kleine Stadt und besitzt daher wenig Arbeits- und Erholungsmöglichkeiten. Drei Industriebetriebe für Buntmetallherstellung stellen die Hauptarbeiter der Stadt. Sie sind der Grund für die stark verschmutzte Umwelt. Von ihnen ist auch der Großteil der Bevölkerung abhängig, und diese Abhängigkeit lässt die Stadtbevölkerung ihre Rechte nicht wirklich effektiv schützen.

Außerdem dreht sich alles in der Stadt um Geld. Hier gibt es wenige Chancen, einen guten Lohn zu erhalten, und deswegen möchten viele gut ausgebildete Jugendliche raus aus der Stadt. Meiner Meinung nach ist der Grund dafür die inkorrekte Verteilung von Steuern und anderen Geldsummen in unserem Gebiet. Das schadet sowohl der Wirtschaft als auch der sozialen Entwicklung der Region. Für ihre soziale Stabilisierung wären hohe finanzielle Zuschüsse notwendig, deren Verteilung unter strenge Kontrolle gestellt werden müsste.

Welche Perspektiven sehe ich in Ust-Kamenogorsk für mich?

Unter diesen Umständen stelle ich mir meine Zukunft in einer anderen Stadt vor, und dennoch ist Ust-Kamenogorsk meine Heimat und wird es immer bleiben.

Julia Scheluchina (23, Übersetzerin Deutsch/Englisch)

Ich meine nicht, dass sich meine Ziele und Bestrebungen sehr stark von den grundlegenden Lebensvorstellungen zielbewusster Jugendlicher unserer Zeit unterscheiden. Eine der wichtigsten Aufgaben für mich ist jetzt die Fortsetzung meines Studiums. Natürlich würde es mich freuen, wenn ich die Möglichkeit hätte, es in Deutschland weiterzuführen. Irgendwann, wenn ich genug Qualifikationen erworben habe, hoffe ich, einen Arbeitsplatz zu finden, der mir weitreichende Perspektiven bietet. Ich verstehe, das es nicht leicht wird, einen solchen Job zu finden, unabhängig davon, wo ich nach einer Arbeit suchen werde – in meiner Stadt Ust-Kamenogorsk oder in einer anderen. Bei einer Bewerbung achtet der Arbeitgeber doch vor allem darauf, ob man schon Arbeitserfahrung hat. Das habe ich mehrmals bei eigenen Vorstellungsgesprächen gefühlt. Doch ich als junge Spezialistin frisch von der Uni hatte leider noch nicht genug. Ich hoffe, dass diese Schwierigkeiten in der Zukunft überwunden werden und Hochschulabsolventen mehr Möglichkeiten bekommen, sich auszuprobieren und zu beweisen, dass sie auch tatsächlich in dem gewählten Bereich arbeiten und gute Spezialisten bzw. Fachleute werden können.

Xenia Stepanowa (22, Studentin)

Es lohnt sich, im Leben zu leben…

Ich stell’ von meiner Seite dar

´nen Jugendtyp in Ust von heute.

Ich nehme dieses Leben wahr,

ohne dass ich’s ernsthaft deute.

Ein listiges Geschöpf ist’s Los,

man weiß ja nie, wie’s weiter geht.

Ich bin bereit für jeden Stoß,

und fürchte nicht, was mir geschieht.

Die Freiheit heißt, es selbst zu wählen, ich hab’s schon längst für mich getan.

Die Liebe sei meine Lebensquelle,

hier bin ich frei von Angst und Wahn.

Olga Kuimowa (17, Schülerin)

Ich heiße Olga Kuimowa, bin 17 Jahre alt und noch Schülerin. Sicher wäre es spannend, in anderen Ländern zu arbeiten und zu leben, doch möchte ich in Zukunft hier bleiben. Kasachstan ist einfach meine Heimat, die ich sehr liebe. Hier habe ich meine Familie und viele Freunde. Nach der Schule möchte ich studieren und Deutschlehrerin werden. Das ist mein großer Traum. Mir gefallen fremde Sprachen, besonders Deutsch. Bisher sind meine Deutschkenntnisse allerdings noch nicht so gut, doch ich werde mich bemühen, sie zu verbessern. Für meine Zukunft wünsche ich mir eine gute Karriere, viel Erfolg und jede Menge Glück. Um all das zu erreichen, muss ich vieles selbständig lernen. Außerdem möchte ich alle Chancen nutzen, Erfahrungen auf unterschiedlichen Gebieten zu sammeln. Das sind auch die Gründe, warum ich schon seit drei Jahren die Deutschkurse am SLZ besuche oder auch dafür, dass ich bei diesem Journalismusprojekt mitmache.

Kasachstan ist ein Staat, der sich erst entwickelt, und ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Perspektiven für junge Leute geben wird. Trotzdem denke ich, wenn die Jugend fleißig studiert, kann sie schon heute alle ihre Ziele verwirklichen.

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