Beim Astana International Forum kommen Hunderte Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Finanzen sowie Vertreter internationaler Organisationen zusammen. Kasachstans Präsident Tokajew nutzt das Forum, um seine Vorstellungen von einer kooperativen Weltordnung zu präsentieren – in der Kasachstan durch seine diversifizierten Beziehungen profitiert.

Während sich die Polarisierung zwischen den Weltmächten weiter zuspitzt, hat Kasachstan in den letzten Jahren seine Position als Vermittler und Dialogpartner gefestigt. Das Land ist aufgrund seiner geostrategischen Mittellage und seines Ressourcenreichtums politisch und wirtschaftlich gefragt. Auf regionaler Ebene nimmt es eine führende Rolle unter den Ländern Zentralasiens ein. Ranghohe ausländische Gäste geben sich inzwischen regelmäßig in Astana die Klinke in die Hand, zudem ist die kasachische Hauptstadt immer wieder Schauplatz viel beachteter Konferenzen und Gipfeltreffen.

Ein neues Format ist das Astana International Forum, das von Präsident Kassym-Schomart Tokajew ins Leben gerufen wurde und in der vergangenen Woche zum ersten Mal stattfand. Vom 8. bis 9. Juni trafen sich mehr als 1.000 Delegierte aus über 70 Ländern, um die brennendsten aktuellen Probleme in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, Nachhaltigkeit, Energiesicherheit, Klimawandel, Wirtschaft und Finanzen zu besprechen. Unter den ranghohen Gästen waren zahlreiche Staatsoberhäupter und Leiter internationaler Organisationen, so etwa der Emir von Katar Tamim bin Hamad Al Thani, der kirgisische Präsident Sadyr Schaparow oder die Generalsekretärin der OSZE Helga Maria Schmid.

Tokajew: Globales System muss für alle funktionieren

Präsident Tokajew zählte in seiner Begrüßung die Hauptaufgaben der Dialogplattform auf: offene Diskussion der Weltlage, Benennung der größten globalen Herausforderungen und Krisen, ihre Lösung durch Dialog und Zusammenarbeit, Wiederherstellung von Multilateralität. „Dieses Forum trägt direkt zu mehr Engagement in einer Zeit bei, in der wir es mehr denn je brauchen – in einer Zeit beispielloser geopolitischer Spannungen“, so Tokajew wörtlich. „Um zu überleben, muss das globale System für alle funktionieren und den Vielen Frieden und Wohlstand bringen, nicht den Wenigen.“

Sein kirgisischer Amtskollege meldete sich ebenfalls mit einer Ansprache zu Wort. „Kirgisistan ist sich der Bedeutung globaler Herausforderungen bewusst und ist bereit, zu ihrer Lösung beizutragen“, so Sadyr Schaparow. Man sei sich bewusst, dass diese Herausforderungen die Zusammenarbeit und Koordinierung der Bemühungen aller Staaten und der internationalen Gemeinschaft erforderten, so das kirgisische Staatsoberhaupt. „Angesichts der Notwendigkeit, die oben genannten Herausforderungen zu bewältigen, wird die Umsetzung von Klima- und Energieprojekten große Investitionen und Finanzierung erfordern.“

Mittlerer Korridor als Transportroute immer wichtiger

Das Motto des Forums lautete „Herausforderungen im Dialog meistern: Auf dem Weg der Zusammenarbeit, Entwicklung und des Fortschritts.“ Bei etwa 40 Veranstaltungen wurden rund 200 Reden gehalten, die sich zum Teil auf globale Themen bezogen, zum Teil aber auch der regionalen Zusammenarbeit in Zentralasien gewidmet waren. Unter anderem ging es um die Rolle der Länder innerhalb der chinesischen Seidenstraßen-Strategie sowie um die transkaspische Logistikroute, die insbesondere seit der russischen Invasion in der Ukraine und den westlichen Sanktionen gegen Russland immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist.

Der sogenannte „Mittlere Korridor“ wird immer wieder als Alternative zum „Nordkorridor“ ins Spiel gebracht: als Route für den Warentransport von China nach Europa auf dem Land- und Seeweg, über das Kaspische Meer, vorbei an russischem Territorium. Das langfristige Großprojekt war auch kürzlich Thema beim Gipfeltreffen der zentralasiatischen Präsidenten mit Chinas Staatschef Xi Jinping in der chinesischen Seidenstraßenmetropole Xi`an. Für Kasachstan selbst bedeutet es eine Möglichkeit zur Diversifizierung seiner Handelsrouten, die bislang stark von der engen Bindung des Landes an Russland und z. B. der Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion geprägt sind. Etwa 80 Prozent des kasachischen Öls wurden so bislang über den russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk gen Westen verschifft. Inzwischen haben erste Lieferungen über Aserbaidschan und das Kaspische Meer begonnen.

Perspektiven für neue Investitionen

Für Kasachstans Präsidenten Tokajew war der Besuch internationaler Polit- und Wirtschaftsprominenz in der vergangenen Woche eine Gelegenheit, zahlreiche bi- und multilaterale Gespräche mit Unternehmenslenkern, Investoren und politischen Entscheidungsträgern zu führen. So empfing Tokajew unter anderem eine Delegatation der Vereinten Nationen und Mitglieder des Rates ausländischer Investoren.

Zudem gab es Gespräche mit der Leiterin des Internationalen Währungsfonds Kristalina Georgieva und der Präsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Odile Renaud-Basso. Dabei ging es um die Aussichten für die Umsetzung einer Reihe von Investitionsprojekten in Kasachstan in den Bereichen Energie, Transit und Verkehr, „grüne“ Wirtschaft und Landwirtschaft. Während des Treffens mit IWF-Chefin Georgieva lobte Tokajew die Initiative des Fonds zur Eröffnung eines regionalen Zentrums zur Kapazitätsentwicklung in Almaty. Dieses werde einen großen Beitrag leisten, um die Stabilität der Finanzsysteme in Zentralasien zu gewährleisten, so Tokajew. Zudem nutzte er die Gelegenheit, um das 30-jährige Jubiläum des Beginns der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und der Institution zu würdigen.

Tokajew besorgt über Meinungsverschiedenheiten in OSZE

Beim Treffen des kasachischen Präsidenten mit OSZE-Generalsekretärin Schmid standen die Rolle Kasachstans in der Organisation sowie Themen der regionalen und globalen Sicherheit auf der Agenda. Die Zusammenarbeit mit der OSZE habe für Kasachstan eine hohe Priorität, sagte Tokajew. „Wir sind besorgt über die bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Rolle der Organisation“, fügte der Präsident an. Sorgen bereite ihm insbesondere, dass nach dem Gipfel, der 2010 in Astana stattfand, weder auf Ministerebene noch in anderen Formaten ein einziges offizielles Dokument verabschiedet worden sei. „Wir sind weiterhin fest davon überzeugt, dass wir starke Verbindungen innerhalb der Organisation benötigen.“

Bei Treffen mit den Vorsitzenden der Öl-Riesen Shell und TotalEnergies kam die Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und den europäischen Konzernen in einem der für das Land wichtigsten Wirtschaftssektoren zur Sprache. Beide Unternehmen sind im größten Land Zentralasiens engagiert. Die Gesprächspartner besprachen demnach Möglichkeiten zu einer Ausweitung der Zusammenarbeit und mögliche weitere Investitionsprojekte in Kasachstan.

Weitere ranghohe Gespräche fanden unter anderem mit EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski und der UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay statt.

cstr.

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