Ich sag immer: Alles ist möglich! Und bin selbst immer wieder überrascht, dass das auch tatsächlich stimmt. Dass man auch heutzutage als Nichtkönig in einem Schloss wohnen kann, war schon in meiner Vorstellung.

Schließlich kann man auch zum Mond fliegen, in einem Unterwasserhotel wohnen und sich ins All schießen lassen. Alles geht, aber weil alles seinen Preis hat, können solche Dinge nur reiche Leute tun, glaubte ich. In meinen 36 Jahren bin ich immerhin schon von einer kleinen Wohnung in eine größere mit eigenem Kinderzimmer und von dort in ein Haus mit eigener Bastelecke umgezogen. Von dort ging es dann in ein Studentenwohnheim, durch diverse Wohngemeinschaften und schließlich in eine große Maisonette-Wohnung mit großer Dachterrasse. Auch toll! Aber wenn das in diesem Schneckentempo und mit solchen Umwegen so weitergeht, komme ich in diesem Leben nie in einem Schloss an. Dachte ich. Und doch!

Zuletzt habe ich spaßeshalber das Internet nach attraktiven Wohnmöglichkeiten durchforstet. Durch Zufall kam ich auf kleine Häuser, die kaum teurer sind als meine Wohnung. Nach und nach erschloss ich mir, Mausklick für Mausklick, die Vielfalt der Immobilienwelt. Dann kamen sie hintereinander weg: Fischerhäuser, Fachwerkhäuser, Bauernhäuser, Bauernhöfe, sogar ein Forsthaus mit großem Waldgrundstück war dabei. Alles ein wenig teuer, aber nicht sooo teuer. Aber lieber ein Prachthaus in der Pampa als eine Durchschnittswohnung in der Stadt, befand ich. In der Fantasie und im Internet ist alles möglich, also weiter: denkmalgeschützte und historische Hofanlagen, Bingo, immer noch gab es Angebote. Vor dem nächsten Schritt musste ich kurz innehalten und Luft holen, da es ein lang gehegter Kindheitstraum ist: In einer Burg würde ich gern leben! Also gab ich als Suchbegriff „Burg“ ein, klickte auf „Suchen“ und schloss die Augen. 21, 22, 23… Augen auf und: Wow! verschiedene Angebote und alle durchaus finanzierbar! Der Wahnsinn! Gut, OK, dachte ich, jetzt noch mal einen drauf, irgendwo muss doch die Grenze sein: Schloss! 2 Angebote! Ich war kurz vor dem Überschnappen. Das kann nicht sein, das kann nicht sein, das kann nicht sein… dachte ich. Ich rief mit klopfendem Herzen bei den Maklern an. Als ich Besichtigungstermine angeboten bekam, versuchte ich, möglichst seriös zu bleiben, was mir vor lauter Aufregung nicht gelang, trotzdem konnte ich mir eine Schlosswohnung und eine Burgwohnung mit Seeterrasse ansehen. Der Vermieter, Baron Freiherr von Geyr, würde zugegen sein. Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich würde Burgfräulein oder Schlossherrin werden! Große Banketts würde ich veranstalten mit gebratenen Tauben, Fasanenbraten und Bordeaux. Im Mondschein würde ich durch meinen Schlosspark wandeln und meine Gäste mit meiner Kutsche abholen lassen. Hach, wie aufregend! Jedoch…

Ich mache es kurz: Das Ganze erwies sich zwar nicht als Luftschloss aber am Ende war das Schloss nicht „schlossig“ genug, ich sag nur: Tiefgarage, Aufzug und Gartenzwerge. Aber immerhin! Die Burg hätte es sein können, doch dafür müsste ich ein bisschen sesshafter sein. Und doch! Denn plötzlich war ich näher dran an meinem Traum, als ich je geahnt hatte, und heute weiß ich: möglich ist es allemal! Ich werde noch ein wenig reifen und sparen, denn die nächste Gelegenheit kommt bestimmt, und dann ziehe ich mit Würde, Pauken und Trompeten ein – in mein Schloss, jawohl!

Julia Siebert

21/03/08

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