In den vergangenen Wochen ist die Diskussion um die Zollunion wieder mit einer Wucht ausgebrochen, die so nicht zu erwarten war. Generell ist es gut, wenn sich Betroffene, vor allem Unternehmer, in die Diskussion wichtiger Entscheidungen einschalten. In der kasachstanischen Praxis ist es leider viel zu oft so, dass der Staatsapparat „ da oben“ etwas erdenkt, was in der Realität dann nicht oder nur schlecht funktioniert, weil die wirklich Betroffenen nicht in den Prozess der Erarbeitung einbezogen wurden.

So auch im Falle der Zollunion: die konkreten Regelungen, von Leuten erdacht, die selbst nicht unternehmerisch tätig sind, sind offensichtlich ziemlich schlecht und gefährden eher die Existenz mancher Unternehmen, statt diese zu fördern. Politiker sind in der Regel gut beraten, sich beim Erarbeiten und Verabschieden solcher grundlegenden Dinge, wie das eine Zollunion nun mal ist, genügend Zeit für das Abwägen aller „für“ und „dagegen“ zu lassen, um dann nicht ewig nachbessern oder gar mit schlechten Regelungen leben zu müssen.

Im Falle der Zollunion kann man alleine an der langen Reihe noch offener Fragen leicht sehen, dass hier ziemlich vorschnell gehandelt wurde oder die Verhandlungen nicht auf den angestrebten Zeitrahmen fixiert geführt wurden.

Nun kann man einwenden, dass eine späte Diskussion immer noch besser ist, als gar keine. Dem ist sicher so, nur bei internationalen Verträgen, die für die genannten Länder noch dazu hohen Neuheitsgrad haben, ist das etwas komplizierter. Neben dem Zeitfaktor ist hier auch die Frage des Vertrauens und der Verlässlichkeit von Vertragspartnern zu stellen. Auch im politischen Bereich kann Vertrauen sehr schnell verspielt, aber nur sehr langsam wieder aufgebaut werden.

Die aktuelle Diskussion um die Zollunion, und das ist ihre etwas sonderbare Spezifik, dreht sich nicht um wirtschaftliche Aspekte. Gerade das wäre aber bei den für Kasachstan sehr wenig optimalen Einzelregelungen verständlich und auch notwendig gewesen. Diese Aspekte werden von den Kritikern der Zollunion aber bestenfalls am Rande erwähnt. Im Mittelpunkt ihrer Kritik stehen aus ihrer Sicht viel prinzipiellere Fragen, im Besonderen die der nationalen Unabhängigkeit. Letztere sehen die Opponenten bedroht und verlangen deshalb eine Annullierung des Vertrages über die Zollunion und den Nichteinstieg in die für später geplante Währungsunion.

Die Teilnahme an internationalen Integrationsprojekten bedeutet immer eine bestimmte Verringerung des Grades nationalstaatlicher Selbständigkeit. Dem Verlust nationalstaatlicher Souveränität, den z.B. alle EU-Staaten bewusst und freiwillig mitgemacht haben, müssen größere Vorteile wirtschaftlicher Art entgegenstehen. Dieser Vergleich muss vor dem Unterzeichnen weitgehender Verträge erstellt werden, und es müssen alle in diesen Fragen relevanten politischen und wirtschaftlichen Kräfte mit ihren Ansichten beteiligt werden.

Neben einer Reihe nationalistischer Tendenzen, die sich hinter der Kritik der Zollunion erkennen lassen, ist die Diskussion auch Ausdruck eines nicht optimalen politischen Managements. Zwar ist das keine Garantie, aber die Wahrscheinlichkeit besserer staatlicher Entscheidungen wächst mit dem Grade der Teilnahme der Betroffenen am Diskussions- und Entscheidungsprozess. Mit anderen Worten, auch Zollunionen brauchen für ihre funktionsfähige Installation ein ordentliches Maß an Demokratie.

Bodo Lochmann

09/04/10

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