Kasachstan ist nicht nur reich an Bodenschätzen, sondern auch an ehrgeizigen Entwicklungsplänen in alle möglichen Himmelsrichtungen. Nach außen ist das manchmal durchaus beeindruckend, beim Blick hinter die Kulissen nicht unbedingt.
Sicher soll man sich ehrgeizige Ziele setzen, doch diese sollen andererseits auch einigermaßen realistisch und wirtschaftlich sinnvoll sein. Beachtet man das nicht, kommt zum wirtschaftlichen Schaden schnell noch eine Demotivierung der Beteiligten zustande, die sich längerfristig lähmend zum Beispiel auf das Innovationspotential auswirken kann.
Vor zwei Jahren ist nun mit einigem Pomp der erste kasachische Kommunikationssatellit in den Himmel geschossen worden, womit eine Art neues Zeitalter in diesem Bereich bejubelt wurde. Nun ist kein Land, keine Firma und kein Projekt vor Problemen und Fehlschlägen gefeit, und es soll hier auch keinesfalls Schadenfreude ausgedrückt werden. Dennoch: peinlich ist schon, dass der „KasSat“ genannte Satellit nach nur 19 Monaten Dienst nicht mehr funktioniert. Zwar gibt es noch die Hoffnung, ihn im Herbst dieses Jahres, wenn wieder Funkkontakt hergestellt werden kann, in Gang bringen zu können. Bei Null liegt diese Chance sicher nicht, sonderlich hoch scheint sie aber auch nicht zu sein.
Verständlich wäre dieses Problem, wenn es sich um eine zumindest in weiten Teilen eigene kasachstanische Entwicklung handeln würde. Dann wäre es leicht zu sagen, dass man aus den technischen Mängeln lernen muss, das grundlegende Innovationspotential aber vorhanden ist. Doch „KasSat“ ist nur in finanzieller Hinsicht (Preis: 60 Millionen US-Dollar Steuergelder) ein kasachisches Produkt. Er ist von russischen Firmen aus bereits vorhandenen Komponenten gebaut worden. Hier beginnt wohl das Problem. Man hat den Satelliten von Anfang an maximal kommerziell verwerten wollen, was bei nur begrenzt vorhandenem eigenem Know-how zwar ein Risiko ist, aber deswegen auch nicht falsch sein muss. Die Rechnung schien sogar aufzugehen, die Auslastung des Satelliten betrug vor seinem Ausfall bereits 74 Prozent, und im nächsten Jahr hätte man die Gewinnzone erreichen können. Doch nun das, was nicht nur eine technische, sondern vor allem eine kommerzielle und wohl auch psychologische Katastrophe ist. Jetzt ist schnelle Schadensbegrenzung für die Kunden gefragt. Dies ist durch die Verlagerung der Verbindungen auf andere (meist russische Satelliten) gelungen. Ein psychologisches und kommerzielles Problem bleibt aber auf jeden Fall erst einmal, denn ob es gelingt, diese Kunden später zurückzuholen, erscheint fraglich. Parallel zur Schadensbegrenzung ist weiter Ursachenforschung gefragt. Das ist erst einmal Sache der Techniker, die herausfinden müssen, ob Bauteil X oder Element Z versagt hat. Doch darin sehe ich nicht das eigentliche Problem. Es scheint mir eher in der Art des Grundsatzmechanismus der Entscheidung ob und wie Kasachstan eine eigene Kosmosindustrie braucht, zu liegen. Klar, die Entscheidungen über solche grundlegenden Dinge werden grundsätzlich und grundlegend „ganz oben“ getroffen. Hier sollte man allerdings noch mal gründlich überlegen, ob Kasachstan eigene Satelliten braucht und wenn ja, wozu. Der Eigenbedarf dürfte wohl bei höchstens einem Stück pro Jahr liegen; ob man die Chance hat, in das internationale satellitengestützte Kommunikationsgeschäft wettbewerbsfähig einzusteigen, vermag ich nicht zu beurteilen. Aus reinen Prestigegründen sollte man allerdings nicht soviel Geld in die Luft schießen. Da kann man schon etwas Prestigeträchtiges finden, von dem mehr Menschen profitieren. Für den nationalen Bedarf dürfte es kostengünstiger sein, entsprechende Übertragungskapazitäten einzukaufen.
Das Satellitenproblem liegt neben der genannten Grundsatzfrage „Brauchen – nicht brauchen“ vordergründig auf der Ausführungsebene. Nach dem Beschluss „Wir brauchen das, schließlich haben wir Baikonur und hatten schon jemanden im Kosmos“ hat sich der Staat das Projekt an Land gezogen, weil sich keine internationalen Partner finden ließen. Nun muss der Staat natürlich sparsam mit den Steuereinahmen umgehen und immer abwägen, was am notwendigsten und am kostengünstigsten ist. In unserem Fall haben sicher, nach vielen Konsultationen und Expertisen, Beamte über das Projekt und seine Vergabe entschieden. Allerdings wurde keine Ausschreibung vorgenommen, was bedeutet, dass es keine Auswahlmöglichkeit unter konkurrierenden Angeboten gegeben hat. Natürlich gab es auch keine öffentliche Diskussion. Im Ergebnis haben wohl wieder eher persönliche Interessen und der Billigheimer gesiegt. Der russische Auftragnehmer hat das Gerät exakt nach den Vorgaben der kasachischen Seite gebaut. Die aber wollte über Gebühr sparen und hat nicht auf die Qualität, die nun mal Geld kostet und die die russische Firma auch hätte liefern können, geschaut. Zu billig wird dann irgendwann sehr teuer. Die nächsten anvisierten Satelliten sollen nun um die 400 Millionen Dollar kosten. Das ist aber nun auch wieder keine Garantie für besseres Gelingen, wenn nicht ausreichend kritischer politischer Sachverstand mit im Spiel ist. Dass es geht, beweist die Auswahl der am Projekt beteiligten technischen Spezialisten, darunter auch russische. Die sind Spitze, sie aber haben nicht das Sagen.
Bodo Lochmann
18/07/08