Das Erscheinungsbild von Almaty ist geprägt von den Einflüssen verschiedener historischer und politischer Perioden. Egal, ob es die romantische Holzarchitektur des vorrevolutionären Zarenreichs, der klassizistische Prunk der stalinistischen Nachkriegsjahre, oder die kühle Nüchternheit der sowjetischen Moderne ist, jede Zeit hat in der Stadt ihre unverwechselbaren Spuren hinterlassen. Dieser Mix aus Stilen und Epochen prägt das Gesamtbild des heutigen Almaty. Allerdings versteckt sich hinter jedem Architekturdenkmal eine ganz eigene, spannende Geschichte, bei der es sich lohnt, einmal genauer hinzuschauen.

Den Anfang dieser kleinen Architekturreihe soll ein Wahrzeichen der Stadt Almaty und vielleicht eines der bekanntesten Gebäude Kasachstans machen: das Hotel „Kazakhstan“ mit seiner unverwechselbaren goldenen Krone. Der von den Architekten Juri Ratuschny und Lew Uchobotow geplante, weithin sichtbare Hotelturm mit einer Gesamthöhe von 102 Metern wurde zwischen 1975 und 1977 errichtet.

Die Wurzeln des Projektes reichen aber deutlich weiter zurück. In der russischen Festung Werny, gegründet 1867 an der Stelle des heutigen Almaty, entwickelte sich rasch ein reges Alltagsleben. Statt eingeschössiger Holzhäuser wurden schnell auch mehrstöckige Steinbauten errichtet. Doch gerade diese steinernen Gebäude stürzten bei einem großen Erdbeben im Jahr 1887 ein, während die niedrigen Holzhäuser kaum Schaden nahmen. Almaty befindet sich in hoch seismischem Gebiet und war schon immer von kleineren und größeren Erdbeben betroffen. Dies wirkte sich stark auf den Städtebau aus.

Schwierige Voraussetzungen im Erdbebengebiet

Noch in den 1970er Jahren gab es in Alma-Ata kaum Gebäude mit mehr als vier Stockwerken. Da gab Dinmuchamed Kunajew, von 1960 bis 1962 sowie von 1964 bis 1986 Erster Staatssekretär der Kasachischen SSR und maßgeblich an der wirtschaftlichen Entwicklung der Sowjetrepublik beteiligt, den Anstoß zum Bau des ersten Hochhauses des Landes. Ursprünglich war ein ringförmiges, zehnstöckiges Gebäude mit Innenhof vorgesehen, ähnlich dem Moskauer Hotel „Rossija“, seinerzeit das größte Hotel der Sowjetunion. Aber schnell wurde in Richtung des heute bekannten 26-stöckigen Turms umgeplant. Dadurch fiel der Innenhof weg, alle Zimmer hatten nun Stadtblick und auch die Liftanlagen waren dadurch weit einfacher zu realisieren.

Kunajew war sich der schwierigen Voraussetzungen eines solchen Projektes im Erdbebengebiet bewusst. Daher legte er auf die Sicherheit des Gebäudes besonderen Wert. Als der Rohbau des Turmes stand, wurden an der Spitze gewaltige Rüttelmaschinen installiert, die das ganze Gebäude bis zu 10 Zentimeter ausschwenken ließen. Die Ingenieure, die sich auf dem Dach befanden, konnten sich kaum auf den Beinen halten. Aber die Konstruktion hielt den Belastungen stand und war damit das erste Hochhaus der Sowjetunion, das der Stufe 9 auf der Richterskala für Erdbeben standhalten konnte.

Luxus auf internationalem Niveau

Das Hotel läutete das Zeitalter der Postmoderne in Kasachstan ein. Das Restaurant „Kosmos“ auf der 26. Etage brachte den Menschen seinerzeit Luxus auf internationalem Niveau. Obwohl der Komfort des Hotels nach heutigen Standards eher Mittelklasse entspricht, bringt eine Hochzeit in dem großem Ballsaal des Hotels nach wie vor ein gewisses Prestige für das Hochzeitspaar mit sich.

Übrigens wollte der Architekt Juri Ratuschny dem Turm keineswegs ein goldenes Krönchen aufsetzen. Er hatte eigentlich goldene Weizenähren im Sinn, Symbol für die Bedeutung Kasachstans als Kornkammer der Sowjetunion. Allerdings war gerade erst, im Jahr 1969, der „Goldene Mann“ mit seiner goldenen Krone in der Nähe von Alma-Ata entdeckt worden. Der sakische Reiterkönig avancierte in dieser Zeit schnell zum neuen Nationalhelden der kasachischen Bevölkerung. Das Hotel „Kazakhstan“ besitzt seine Bedeutung als nationales Symbol bis heute. So ist es seit einigen Jahren auf dem 5000-Tenge Schein abgebildet und damit auch weit über die Grenzen Almatys hinaus bekannt.

Philipp Dippl

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