Wenn man sich die Entwicklungstendenzen in der Weltwirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Volkswirtschaften anschaut, so fällt auf, dass die Länder ihre wirtschaftlichen Probleme und Entwicklungsfragen am effektivsten lösen, die in besonders starkem Maße in die internationale Wirtschaftsorganisationen integriert sind.

Man könnte nun meinen, dass dies doch eigentlich selbstverständlich sei, schließlich macht Einigkeit stark. Doch als Ökonom muss man entsprechende einfache Vermutungen auch immer auf ihren Wahrheitsgehalt untersuchen. Außerdem gibt es auch eine Reihe anderer Meinungen und zum Teil auch praktischer Versuche, im nationalen Alleingang Probleme zu lösen.

Es ist natürlich nun schon etwas abgegriffen, immer auf das Beispiel EU zu verweisen, doch ein Besseres gibt es im Moment nicht. Es existieren eine Reihe regionaler Wirtschaftsräume, die in unterschiedlichem Maße Integration der Mitgliedsländer betreiben. Doch so weit wie die EU ist noch keine gekommen. Dabei muss deutlich gesagt werden, dass auch in der EU bei weitem nicht alles Gold ist, was glänzt. Es gibt mehr als genug innere Entwicklungsprobleme. Das ist bei einer intensiven Zusammenarbeit von mittlerweile 27 Ländern auch nicht anders zu erwarten, da es sich ausnahmslos um demokratische Länder handelt, wo Entscheidungen nicht einfach von oben durch Kommando getroffen werden wollen und können. Auch in der EU gibt es die Befürchtung, dass sich wirtschaftlich stärkere Länder wie Deutschland oder Frankreich über die Interessen der wirtschaftlich schwächeren Länder hinwegsetzen. Diese Möglichkeit ist natürlich nie vollständig auszuschließen, ein nicht ganz einfacher Mechanismus der ausbalancierten Entscheidungsfindung verhindert aber Nachteile für die „Schwächeren“ weitestgehend.

Die zentralasiatische Region spürt von Tag zu Tag immer deutlicher, dass ein eigener Integrationsprozess notwendig ist. Einige Länder arbeiten im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit SOZ zusammen – in allerdings anderer Zusammensetzung wieder in anderen Organisationen. In der SOZ können jedoch die Interessen der kleinen Mitgliedsstaaten (Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan) nur bedingt die notwendige Berücksichtigung finden, da diese Organisation von den Superpartnern China und Russland dominiert wird, deren Verhältnis untereinander zudem noch eine Rivalität aufweist.
Die Idee der Schaffung einer eigenen regionalen Wirtschaftszone Zentralasiens ist keinesfalls neu oder besonders originell. Sie sollte und müsste mit Konsequenz weiter verfolgt werden. Doch die Schaffung eines solchen Konstrukts ist ein langer und nicht einfacher Weg, zumal sich die in Frage kommenden Länder nicht nur quantitativ – das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf schwankt zwischen 7 000 und 700 Dollar – sondern auch qualitativ auseinander gelebt haben. Letzteres drückt sich beispielsweise am unterschiedlichen Anteil des privaten Sektors an der Erzeugung des BIP aus. Er beträgt in Kasachstan etwa 70 Prozent und in Turkmenistan nur 25 Prozent. Dahinter steht eine völlig unterschiedliche Bewertung der Rolle der Privatwirtschaft.

Beide Dinge – die quantitativen und die qualitativen Unterschiede – machen natürlich eine wünschenswerte Integration nicht gerade einfach. Andererseits beweist die EU-Praxis, dass die starken Länder durchaus die Entwicklung der schwachen beflügeln und diesen helfen können, auf das Niveau ersterer aufzuschließen.

Nun hat der usbekische Präsident Karimow bei einem Treffen mit Kasachstans Präsident in dieser Frage eine deutliche Aussage getroffen. Diese war klar und deutlich als „Nein“ zu vernehmen. Es werde keine Teilnahme Usbekistans an Versuchen der Schaffung einer zentralasiatischen Wirtschaftsintegration geben. Die Begründung war, dass der ökonomische Entwicklungsstand der Länder zu unterschiedlich ist und dadurch zu viele Probleme entstehen würden. Mit letzterer Aussage hat Karimow zwar sicher Recht, doch mit seiner rigorosen Absage wohl eher nicht. In nationalem Alleingang wird Usbekistan seine vielfältigen und tendenziell eher wachsenden wirtschaftlichen Probleme keinesfalls besser lösen können.
Es wird wohl auch so sein, dass die angegebenen wirtschaftlichen Gründe eher vorgeschoben sind. Die Frage der nicht stattfindenden praktischen Integration, wobei es natürlich eine Vielzahl von gemeinsamen Einzelprojekten gibt, dürfte eher politischer Natur sein. Schließlich bedeutet Integration immer auch freiwillige und bewusste Abgabe eines Stückes nationaler politischer und in diesem Falle auch persönlicher Macht. Das ist offensichtlich nicht bei allen Politikern ausreichend populär.

In der EU und auch in den USA stößt die Idee von einem einheitlichen zentralasiatischen Wirtschaftsraum durchaus auf Interesse. Man erwartet sich dadurch nicht nur eine Stabilisierung der nicht besonders ruhigen Region, zum Beispiel durch Entschärfung des vorhandenen terroristischen Potentials durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die dadurch entstehende Möglichkeit der Entspannung der vielen sozialen Konflikte. Es wäre auch leichter die wirtschaftlichen Unterstützungsprojekte zu steuern und ihre Effizienz zu erhöhen. Für ausländische Firmen und Investoren wäre die Region bei größerer Durchlässigkeit der Grenzen wesentlich interessanter als jetzt.

Nun muss der Traum nicht für alle Zeiten geplatzt sein. Doch vorerst ist er wohl politisch erledigt. Nun sollte man maximal den Prozess der Aufnahme der zentralasiatischen Länder in die Welthandelsorganisation (WTO) beschleunigen. Auch sollte man Turkmenistan, das diesen Schritt bisher noch nicht geplant hat, dazu bewegen. Zwar ist die WTO „nur“ eine Freihandelszone, doch schon die positive Erfahrung der Zusammenarbeit in diesem Rahmen kann sehr nützlich sein.

Bodo Lochmann

09/05/08

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