Maria und Peter Warkentin führen das Russland-Deutsche Theater in Niederstetten. In diesem Jahr wird das Theater 22 Jahre alt. 2016 erhielt das Ehepaar für sein Engagement den Russlanddeutschen Kulturpreis Baden-Württemberg. Alexej Getmann hält die Arbeit und das Leben der beiden dokumentarisch fest. Am Ende soll ein Film entstehen, der ihr schauspielerisches Wirken sowohl in Deutschland als auch in Kasachstan zeigt.

Es ist ein Film über das Russland-Deutsche Theater in Niederstetten. Und es ist eine Reise auf der Suche nach der deutschen Kultur in Kasachstan. „Wir wollen wissen, wie viel deutsche Kultur es hier noch gibt und wie das Verständnis der deutschen Kultur in Kasachstan ist“, sagt Alexej Getmann, Journalist und Filmemacher.

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Im Mittelpunkt steht dabei das Russland-Deutsche Theater, besser gesagt: Maria und Peter Warkentin. Die beiden leiten es nicht nur, sie spielen auch alle Stücke selbst. Eigentlich sind sie das Theater. Das war nicht immer so. Zu Beginn, Mitte der 1990er Jahre, waren sie zu siebt, doch nach und nach verließen immer mehr Akteure das Vorbachtal.

Eine künstlerische Reise durch Deutschland und Kasachstan

Die Idee zu einem Film über das Russland-Deutsche Theater in Niederstetten kam ursprünglich vom Sohn der Warkentins. Er wollte etwas Besonderes zum 20-jährigen Jubiläum bereiten. Aus dieser ersten Idee wurde erst einmal nichts, bis durch den Zufall der Kontakt mit Ralph Weihermann von Kigali Films entstand. Er und Alexej Getmann sind die Autoren des Films. 2015 begannen die Dreharbeiten.

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Seitdem begleiten Getmann und sein Kameramann Julian Barth die Warkentins bei ihrer Arbeit in Niederstetten sowie bei Gastspielauftritten in Deutschland und Kasachstan. Im vergangenen Jahr war das Team für Dreharbeiten in Petropawlowsk, wo Maria Warkentin einen Workshop für Jugendliche leitete. Ende September kamen sie für die letzten Dreharbeiten noch einmal nach Kasachstan. Diesmal ging es vor allem darum, die Stationen des Deutschen Theaters nachzuzeichnen. Es wurde in Almaty, Karaganda und Temirtau gedreht.

Auf der Suche nach den eigenen Spuren

Getmann ist der Film auch ein persönliches Anliegen. Er ist selbst Kasachstandeutscher und kam 1992 mit seinen Eltern nach Deutschland. „Obwohl meine Familie nichts mit dem Deutschen Theater zu tun hatte,“ sagt er, „haben wir eine ähnliche Geschichte.“ Wie viele Deutsche in Kasachstan haben sie den Zerfall der Sowjetunion, Auflösungen und die Inflation miterlebt. Der wirtschaftlichen Unsicherheit folgte die massenhafte Emigration der Deutschen aus Kasachstan.

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Die Anfänge waren für die meisten ähnlich. Viele Spätaussiedler landeten in Aufnahmelagern und mussten sich erst in dem neuen Land orientieren. Mangelnde Sprachkenntnisse erschwerten die Integration. „Der Neuanfang war für uns alle schwierig. Das ist das, was uns verbindet“, merkt Getmann an.

Peter Warkentin ergänzt, dass es in ihren Stücken nicht nur um die Russlanddeutschen geht. „Zum Beispiel ‚Der weite Weg zurück‘ können alle nachfühlen, die einen Umbruch und Neuanfang erlebt haben. Seien es Menschen aus der Sowjetunion, der DDR oder die Sudeten-
deutschen.“

Der Weg nach Niederstetten

Niederstetten ist ein Ort in Baden-Württemberg, an der Grenze zu Bayern, den nur die wenigsten Deutschen kennen dürften. Gerade einmal 5.000 Menschen leben hier. Im November 1993 kam das Schauspielerehepaar Viktoria Gräfenstein und David Winkenstern vom ehemaligen Deutschen Theater Alma-Ata hierher. Die Künstler erhielten von der Stadt Übungsräume.

In den folgenden Monaten kamen einige Kollegen des Deutschen Theaters aus Kasachstan nach, so auch Maria und Peter Warkentin. Sie waren zunächst in der jungen bundesdeutschen Hauptstadt gelandet. „Es war eine düstere Zeit in Berlin. Zu der Zeit wurden viele Theater aufgelöst. Die Künstler standen auf der Straße an jeder Ecke“, erinnert sich Peter. Zunächst schloss sich das Paar einem Ensemble russlanddeutscher Musiker an. Nach einigen Auftritten entschieden sie sich jedoch, ebenfalls nach Niederstetten zu ziehen. Gegründet wurde das Theater schließlich 1995, nachdem das Bundesinnenministerium eine Starthilfe zum Aufbau eines Gastspieltheaters gewährt hatte.

Die Anfänge in Kasachstan

Eine Schauspieltruppe aus Deutschland vor dem Deutschen Theater in Temirtau, 1987. | Foto: Archiv DAZ

Die Geschichte des Theaters spiegelt auch die Geschichte der Deutschen in Kasachstan wieder. Nach Einsetzen der „Tauwetter-Periode“ in der Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow begann eine Wiederbelebung der deutschen Kultur. Es sollte jedoch noch bis 1974 dauern, bis das Zentralkommittee der KPdSU beschloss, ein deutsches Schauspielhaus in Alma-Ata zu eröffnen. Nach langem Hin und Her wurde jedoch Temirtau als Standort bestimmt. Am 26. Dezember 1980 führte das Ensemble das Stück „Die Ersten“ auf.

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Mit dabei waren damals schon die Warkentins. „Wir wollten die deutsche Kultur in Kasachstan wiederbeleben“, sagt Peter Warkentin. Mitte der 1980er Jahre hatte das Theater pro Jahr 260-280 Gastspielauftritte in der gesamten Sowjetunion mit bis zu 60.000 Zuschauern. 1989 zog das Deutsche Theater von Temirtau in der Steppe in die damalige Hauptstadt Alma-Ata im Süden. Schon damals gestaltete sich der Neuanfang als schwierig.

Heute ein anderes Theater

Von der deutschen Kultur ist im Deutschen Theater Almaty nur wenig übrig. Heutzutage werden die meisten Stücke auf Russisch gespielt. Seitdem die meisten Deutschen Kasachstan verlassen haben, fehlt es an einem deutschsprachigen Publikum. Der Name „Deutsches Theater“ ist daher nicht mehr ganz zutreffend. Überhaupt sei das Theater heute ein ganz anderes. „Wir waren viel politscher. Es ging um die Wiederherstellung einer deutschen Republik in der Sowjetunion“, erzählt Warkentin.

Die Theatertruppe aus den 1980er Jahren kennt im Deutschen Theater heute nur noch Natascha Dubs, künstlerische Leiterin und Regisseurin. „Die Jugendlichen, mit denen sie arbeitet, haben ein grundsätzliches Interesse am Theaterspielen, aber sie haben keine Verbindung mehr zu der eigentlichen Idee des Deutschen Theaters“, sagt Peter Warkentin. Es habe aber auch an einer Übergabe gefehlt. Getmann ergänzt: „Immerhin spielen sie auch deutsche Stücke.“

Russlanddeutscher Kulturpreis Baden-Württemberg

Mit Bedauern mussten die Warkentins auch feststellen, unter welch schlechten Bedingungen das Deutsche Theater in Almaty leidet. „Es gibt einen kleinen Proberaum, aber keine Bühne an sich. Da haben wir in Niederstetten bessere Bedingungen.“ Fassungslos haben sie vor den Ruinen des Kinos gestanden, das ihnen nach dem Umzug nach Almaty als Bühne zugesagt worden war. „Man sieht noch die Überreste des Bühnenbildes.“ Seit der Unabhängigkeit gebe es in der kasachischen Regierung grundsätzlich nur wenig Interesse an einem deutschen Theater, meint Peter Warkentin.

In Deutschland hingegen werden die Warkentins für ihre Arbeit geschätzt. 2016 erhielt das Russland-Deutsche Theater in Niederstetten den Russlanddeutschen Kulturpreis Baden-Württemberg. „Die leidvolle Geschichte und die besondere Kultur der Russlanddeutschen dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb stellen wir sie in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit“, sagte Julian Würtenberger, Amtschef des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, bei der Preisverleihung. Der Preis würdigt nicht nur das Engagement der Warkentins, sondern auch die Idee des Theaters, als Brücke zwischen den Russlanddeutschen und den Einheimischen zu dienen.

Wiedersehen und Abschied

Für Peter Warkentin ist es der erste Besuch in Kasachstan seit der Aussiedlung, für seine Frau der dritte. In Almaty hat er einer jungen Theatergruppe im Deutschen Haus Sprechtechniken beigebracht. „Gerade im Schauspiel sind Sprache und Betonung sehr wichtig“, betont er. Insgesamt haben sie für den Film im Herbst 2017 acht Tage lang in Kasachstan gedreht. Nach ihrem Besuch in Almaty reiste das Paar zusammen mit dem Deutschen Theater aus Almaty zu einem Gastspiel nach Karaganda. Im dortigen Stanilawski-Theater wurden verschiedene Ausschnitte ihres Repertoires gezeigt.

Der Film soll nächstes Frühjahr fertiggestellt werden. Wie lang genau der Film werden soll, weiß Getmann noch nicht. „Aber eine Stunde wird es mindestens.“ Er möchte den Film, der auch vom Kultusministerium gefördert wurde, gerne auf Festivals zeigen. Die letzte Station des Drehs war Temirtau, die Stadt in der alles anfing. „Ich bin ein bisschen wehmütig. Nach so langer Zeit entsteht natürlich auch eine persönliche Bindung“, sagt Getmann.

Othmara Glas

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