Tun wir unserer Jugend mal was Gutes, dachten wir uns. Und wenn wir schon mal ein Projekt machen, dann für diejenigen, denen sonst nicht zu helfen ist. Das ist gut fürs Karma, mindestens aber für das Image. Denn machen wir uns nichts vor: Niemand tut Gutes aus reiner Selbstlosigkeit. Irgendwer soll unsere Wohltaten dann doch würdigen, und auch ein kleiner Artikel in der Lokalzeitung streichelt das Ego. Aber macht ja nichts, solange dabei niemand zu Schaden kommt, sondern es möglichst vielen Beteiligten nützt.

Ja, und so haben wir uns – ein Künstler, eine Stiftung, ein Jugendbüro und ich – zusammengetan, um uns mit vereinten Kräften auf lauter arme Kerlchen mit möglichst geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu stürzen, ihnen die Freude am Arbeiten zu vermitteln, ihre Potenziale zu entdecken und all der ganze Fördertrallala. Ist doch schön, auf einem unkonventionellen Ateliergelände gemeinsam, sich mit dem netten Künstler duzend, eine Skulptur bauen, dabei Schweißen, Flexen usw. lernen und am Ende der Öffentlichkeit das stolze Werk präsentieren, auf dass die Durchschnittsbevölkerung bemerkt: Unsere Jugend, die kann mehr als nur Kiffen und Räubern! So dachten wir und standen voller Elan parat, um jungen hochmotivierten Menschen unter die Arme zu greifen. Wie so oft im Leben kam es anders als geplant.

Bis zu zehn Jugendliche sollten mitmachen dürfen, nur vier kamen angeschlurft, mit Nachdruck der Sozialarbeiterin. Sie ließen sich von unserem Eifer nicht anstecken, blieben reserviert und schließlich ganz weg. Ihre Handys hatten sie vorsichtshalber ausgestellt. Und so zeigte sich, wie so oft im Leben, wenn man es doch nur gut gemeint hat, dass wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten. Einer bewies immerhin den Anstand, sich telefonisch zu beschweren, er sei doch kein Schrotthändler, was das denn solle, dass er auf einem Schrottplatz arbeiten müsse. Nein, das wolle er partout nicht! Ein anderer kündigte ab 03.00 Uhr nachts in regelmäßigen Abständen an, dass er quasi schon auf dem Wege sei. Mittags kam die Nachricht, er sei jetzt fast da, kurz darauf – Huch und Ach! – sei er doch plötzlich! vom Wege abgekommen und jetzt, da nur vier Stunden vom Arbeitstag blieben, lohne es sich ja auch gar nicht mehr. Zu meinem größten Erstaunen stand er tatsächlich am Folgetag auf der Matte, zwar um zwei Stunden verspätet, aber für seine Verhältnisse war das eine irre Leistung. Das muss man dann auch anerkennen!

Aber auf einem Bein kann man nicht stehen und mit nur einem Jugendlichen noch keine Skulptur bauen, jedenfalls keine, die Ausdruck der Jugend höchstselbst sein soll, zumal der einzige Teilnehmer in die Arbeitsgruppe „Dokumentation“ wollte. Zwar bildet nur ein Jugendlicher noch keine Arbeitsgruppe, aber da muss man ganz flexibel bleiben. Jedenfalls galt es, schnell Ersatzjugendliche zu finden, andere Opfer, die wir glücklich machen konnten.

Diese fanden sich alsbald, nämlich Schüler, die sich immer freuen, wenn sie statt Mathepauken was anderes tun dürfen. Und Migrationshintergrund brachten sie auch noch reichlich mit, das macht sich in sozialen Projekten immer gut, prima! Ab in die Arbeitsschuhe und nach vier Tagen eifrigen Werkelns war die Skulptur fertig, hurra! Jetzt musste das Ding nur noch der Öffentlichkeit plausibel verkauft werden.

Vorsichtshalber halfen wir Erwachsenen mit Beschreibungen aus, was die Jugend alles mit ihrem Kunstwerk ausdrücken wolle. Wir überschlugen uns mit Phrasen und Philosophien, die wir der Skulptur und damit auch der Jugend kurzerhand überstülpten. Schnell noch wollten wir unser Sinnbild den Jugendlichen eintrichtern, hier war der Lehrer gefragt. „Was sagt ihr denn, wenn ihr gefragt werdet, was das Kunstwerk darstellt?“ „Sieht man doch!“ befand die Jugend. „Dann gebe ich Antwort!“ fand einer. Auch gut. Egal. Es gibt in dem Werk jedenfalls genug zu gucken und zu sinnieren, daran kann sich jeder satt interpretieren, so ist es nun mal mit der Kunst im allgemeinen und so auch mit diesem Werk.

Am Ende haben wir uns dann vor allem selbst gefeiert, die Jugendlichen schienen aber auch stolz und froh zu sein. Na also, alles da, alles drin, alles in allem eine gelungene Aktion, die viel Spaß gemacht hat.

Julia Siebert

31/10/08

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