Derzeit wird allerorten über die gewaltigen Summen diskutiert, die zuerst die Notenbanken und nun auch die Regierungen der Industrieländer zur Bewältigung der Finanzkrise locker gemacht haben. Aus geldpolitischer Sicht geht es bei den Diskussionen vor allem um die Bewertung der Folgen für die Staatsverschuldung und die Inflation. Interessanter ist für mich aber die Auseinandersetzung um Sinn oder Unsinn des Engagements des Staates in dieser Krise.

Im Moment ist die Versuchung für manchen Politiker wohl groß, in der Krise den Helden zu spielen. Mancher versucht sich nun als Retter zu platzieren, nachdem er jahrelang die kritischen Hinweise auf das wilde Gebaren mancher Teile der Finanzmärkte und die Forderung, regulierend einzugreifen, ignoriert hat. Den Politikern kann man aber kaum verübeln, Helden spielen zu wollen, werden sie doch im Moment von den Vertretern der Hochfinanz geradezu angefleht, ihnen doch mit viel, besser jedoch mit noch mehr Geld aus dem Schlamassel zu helfen. Dabei dürften beide Seiten ihren Nutzen aus dem jetzigen Geldregen ziehen: Die Politiker können beweisen, dass es ohne sie letztendlich doch nicht geht, man also den Kapitalismus nicht allein lassen sollte, weil der sonst ziemlich viel Schaden anrichtet. Außerdem ist es wohl auch nicht ganz unangenehm, etwas regulieren und vorschreiben zu können. Viele Banker dürften jetzt auch „strategisch“ aufatmen, denn sie sind nun erst einmal aus dem Schneider. Die Folgen der Probleme, die sie verursacht haben, werden von der Allgemeinheit übernommen, das hohe Risiko mit undurchsichtigen und an vielen Punkten zweifelhaften Wertpapieren hat sich für sie letztlich doch gelohnt – zumindest individuell für ein paar Tausend von ihnen. Die Gefahr für die Allgemeinheit aber bleibt bei manchem Banker in Form des Wissens, dass man nur laut genug nach dem Staat rufen muss, um trotz persönlichen Versagens Unterstützung zu bekommen.

Die Krise jedenfalls ist in unterschiedlichster Hinsicht ein Lehr- und Lernstück, an dem sich die Zunft der Ökonomen noch lange die Köpfe heiß reden wird. Schließlich erlebt man nicht alle Tage eine richtige und so schöne Krise live mit. Die Diskussionen der Fachleute drehen sich im starken Maße darum, welche Art der staatlichen Intervention besser dazu geeignet wäre, wieder Vertrauen in die Märkte zu bringen. Dafür scheint es mehrere Modelle zu geben. Beim ersten übernimmt der Staat ganz oder teilweise die Anteile von problembehafteten Geschäftsbanken. Die betreffenden Geldhäuser werden damit sofort wieder vertrauenswürdig und erhalten neue Kredite. Der Staat wird seine Anteile aber später, wenn die Kurse sich wieder erholt haben, verkaufen und so seinen Ausflug in die Bankenwelt beenden. Die zweite Variante sieht den Staat als eine Art Schrotthändler, weil er problematische Wertpapiere bei den Geschäftsbanken aufkauft – vor allem faule Kredite und Wertpapiere, die mit ihnen besichert sind. Damit werden die faulen Kredite vom Markt genommen, die Banken gewinnen neues Vertrauen zueinander und kreditieren einander wieder. Es besteht allerdings die Gefahr, dass diese Schrottpapiere vom Staat zu teuer eingekauft werden. Weil sie im Moment kein normaler Marktteilnehmer haben will, gibt es für die Papiere auch keinen Marktpreis. Ein solcher Rettungsfonds, den auch Kasachstan schafft, könnte also falsche Anreize schaffen und manchen Banker zu weiteren, hochriskanten Geschäften verleiten.

Die dritte Variante ist, dass der Staat einfach zuschaut. Warum auch sollen Steuerzahler mehr als enorme Summen bezahlen, um einige marode Banken zu retten. Pleiten sind in der Marktwirtschaft normal, auch die von Banken. Finanziell werden dann die getroffen, die die Probleme auch angerichtet haben. Dem steht allerdings die enge Verflechtung der Banken untereinander entgegen, die bei einer Pleite schnell einen Dominoeffekt auslösen kann. Hinzu kommt die Möglichkeit des Entstehens von Panik in der Bevölkerung, die alles nur noch verschlimmern würde. Die vierte Möglichkeit wäre, dass der Staat als Bürge auftritt. Damit ist das Versprechen der Politik vor allem gegenüber der Bevölkerung gemeint, im Fall einer Bankenpleite für einige oder gar alle Verbindlichkeiten einzuspringen. Damit unterstützt der Staat die Banken vor allem erst einmal mit seinem guten Ruf und nur im Ernstfall wirklich mit Geld. Im Moment sehen wir in der Praxis die Anwendung eines Mixes dieser Möglichkeiten. Das ist wohl auch richtig so, denn einen Königsweg kann es bei der Schwere der Probleme nicht geben. Allerdings weiß man erst in ein paar Jahren mit Sicherheit, welches der eingesetzten Instrumente das optimale war. Da jetzt die Zeit davonläuft, kann im Moment kaum theoretisiert werden. Doch das muss später unbedingt und tiefgehend nachgeholt werden, um Schlussfolgerungen für das Wirken staatlicher Interventionen unter modernen Marktbedingungen ableiten zu können und damit – vielleicht – ähnliche Probleme in der Zukunft eher erkennen und verhindern zu können.

Bodo Lochmann

24/10/08

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