Seidenstraße, EAWU, Modernisierungspartnerschaften: Auf dem „Tag der deutschen Wirtschaft“ gibt es einiges zu besprechen. Die wichtigsten Länder Zentralasiens befinden sich im wirtschaftlichen Aufbruch, deutsche Unternehmen wollen sich da gut positionieren.

Wenn die deutschen Wirtschaftsvertretungen in Almaty zum „Tag der deutschen Wirtschaft“ rufen, drücken sich einmal im Jahr Vertreter von Unternehmen, Hochschulen und Verbänden die Klinke in die Hand. So auch am vergangenen Freitag, als der Verband der Deutschen Wirtschaft in Kasachstan und das Delegiertenbüro der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien ins „Ritz Carlton Almaty“ luden. Das Treffen dient traditionell dazu, dass in Kasachstan tätige Unternehmen aus dem deutschen Sprachraum sich vorstellen und mit Partnern vor Ort austauschen können. Außerdem werden aktuelle wirtschaftschafts- und handelspolitische Themen der Region Zentralasien erörtert.

Dass es an solchen nicht mangelt, zeigte erst vor wenigen Tagen die überraschende Meldung, Usbekistan bereite einen Beitritt zur russisch geführten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) vor. Bislang gehören der Union neben Russland und Kasachstan noch Belarus, Armenien und Kirgisistan an, Usbekistan hatte sich dagegen lange gesperrt.

Auch wenn die usbekische Seite kurze Zeit später betonte, es gebe noch keinen Beschluss für einen Beitritt zur EAWU – die handelspolitische Wendung würde zur Öffnungspolitik von Schawkat Mirsijojew passen. Seit der amtierende Präsident im Dezember 2016 das höchste Staatsamt übernommen hat, erlebt das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens nicht nur eine Flut von Reformen. Es zeigt sich auch offener denn je für eine Teilnahme am chinesischen Seidenstraßen-Projekt und wirbt ebenso im Westen für Investitionen und Wirtschaftskooperationen. Das Interesse deutscher und österreichischer Firmen an einem Engagement in Usbekistan ist in den vergangenen beiden Jahren so stark gestiegen, dass mehrere bekannte Prüfungs- und Beratungsgesellschaften ein Büro in Taschkent eröffneten. Den Anfang machte im September 2018 die Schneider Group, in diesem Jahr zogen Rödl&Partner sowie die Österreicher von RSP International nach.

Deutschland-Besuch Tokajews im Dezember weckt Hoffnungen

Die ausgeprägtesten Wirtschaftsbeziehungen unterhält Deutschland in der Region aber weiterhin zu Kasachstan. Auf der Konferenz in Almaty wurde betont, dass der Handelsumsatz zwischen beiden Ländern mit durchschnittlich zwanzig Prozent wieder gut wachse – wenngleich das Niveau von 2014 noch nicht erreicht sei, als es unter anderem infolge des Ölpreisabsturzes zu einem Einbruch der kasachischen Wirtschaft kam. Mit über 1.000 Repräsentationen ist Almaty der Hauptstandort deutscher Unternehmen in Kasachstan. Deutschland ist zudem bestrebt, den Partner bei der Reform der beruflichen Bildung zu unterstützen.

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Hoffnung auf einen weiteren Ausbau der Beziehungen macht der geplante Deutschland-Besuch des kasachischen Präsidenten Tokajew, auf den der deutsche Botschafter Tilo Klinner auf der Konferenz einging. Schon in seinem Grußwort zum Tag der deutschen Einheit zwei Tage zuvor hatte Klinner den Besuch in den Kontext der Technologie- und Modernisierungspartnerschaft zwischen beiden Ländern gerückt: Um sie „auf eine neue Ebene“ zu heben, bereite man „jetzt schon eine breite Agenda vor“. Es gehe dabei um Zukunftsthemen wie das Internet der Dinge, Logistik, die großen Verbindungslinien des eurasischen Kontinents sowie wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit.

„Wir sind eine Brücke“

In den deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen spielt auch die deutsche Minderheit eine bedeutende Rolle. Das machte in Almaty einmal mehr der Vorsitzende der Gesellschaftlichen Stiftung „Wiedergeburt“ Albert Rau deutlich. „Wir sind eine Brücke“, sagte Rau. „Das gilt auch in Business-Fragen.“ Die „Wiedergeburt“ präsentiere sich heute als Plattform und zuverlässiger Partner für deutsche Unternehmen.

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Zu einem denkwürdigen Moment kam es, als Rau dem langjährigen Vorsitzenden der „Wiedergeburt“ Alexander Dederer eine Auszeichnung für sein früheres Engagement rund um die Selbstorganisation überreichte. Beobachter werteten dies als Zeichen dafür, dass die aktuelle Leitung der „Wiedergeburt“ die Verdienste des ehemaligen Leiters nicht vergisst.

Auch Dederer äußerte sich am Rande der Veranstaltung zur Brückenfunktion der Kasachstandeutschen. Um diese noch besser auszufüllen, sollten sich die Deutschen noch stärker als bislang in die Zivilgesellschaft Kasachstans einbringen. Die Offenheit der neuen kasachischen Regierung gegenüber gesellschaftlichen Anliegen biete hier Chancen, die genutzt werden sollten. Schließlich sei auch die deutsche Zivilgesellschaft stark ausgeprägt, so dass es hier weiteres Potential für Zusammenarbeit gebe. Zudem betonte Dederer wie zuvor schon Rau die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen. Würden diese stärker gefördert, könne es noch mehr erfolgreiche kasachstandeutsche Geschäftsleute geben.

Von Christoph Strauch

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