Der Streit dauerte ziemlich lange und hat erhebliche internationale Aufmerksamkeit – mit keinesfalls nur positiver Kommentierung – erfahren. Von beiden Seiten wurden die Vorgänge natürlich sehr unterschiedlich dargestellt und der Verlauf der Verhandlungen kommentiert.

Nun haben sich die kasachische Regierung, vertreten durch Kazmunaigaz, und ein Konsortium westlicher Ölkonzerne unter Führung der italienischen Eni geeinigt: das Konsortium darf in Kasachstan weiter nach Öl suchen und dessen Förderung vorbereiten, muss aber hohe Strafen zahlen.

Auf den ersten Blick sieht die im letzten Moment erzielte Vereinbarung aus, wie ein Sieg Kasachstans. Kurzfristig ist sie das wohl auch. Die Höhe des Preises allerdings wird sich erst im Verlaufe der Zeit einstellen; er wird jedoch schwer messbar sein. Jedenfalls ist ersteinmal das erreicht, was die kasachische Seite versucht hat, mit großem politischen und wirtschaftlichen Druck zu erreichen: eine Erhöhung des Anteils von Kazmunaigaz an den Einnahmen aus den noch zu erschließenden großen neuen Ölfeldern in Kaschagan. Druck ist auf Eni und Partner dabei in konzertierter Aktion von höchster politischer Ebene vorwiegend über den Vorwurf der Verletzung der hiesigen Umweltgesetze ausgeübt worden. Was daran wahr ist, kann aus unserer Sicht nicht beurteilt werden, dazu ist die Informationslage zu dünn. Aber sicher ist, dass Ölmultis nicht in jedem Falle Umweltengel sind. Andererseits dürfte die Umweltproblematik seitens der kasachischen Pokerpartner aber doch eher Mittel, denn das Ziel gewesen sein. Schließlich nimmt der Umweltschutz hierzulande noch nicht einen solchen Stellenwert ein, dass man dafür heftige internationale Konflikte (in diesem Falle auch Einmischen der EU) in Kauf nehmen würde. Politisch ging es um die nationale Selbstbestimmung und in Relation zu den ausländischen Investoren um die Machtfrage. Über allem aber stand doch das liebe Geld, allerdings sehr viel Geld.

Kurzum, die Seiten haben sich geeinigt, die Quote von Eni um knapp zwei Prozent (auf 16,8 Prozent) zu senken und damit auf die gleiche Höhe zu kommen wie für Kazmunaigaz. Parität also in dieser Frage. Dafür zahlt letzteres Unternehmen etwa 1,8 Milliarden Dollar an Eni, was allerdings weniger als die Hälfte des wirklichen Marktwertes sein dürfte. Doch Eni und Co. werden von dem Geld nichts sehen, denn als Strafe – eher doch nicht für Umweltsünden, sondern für den deutlich verspäteten Beginn der Förderung – haben die Konzerne zwischen 2,5 und 4,5 Milliarden Dollar zu zahlen. Deren Höhe hängt ab vom konkreten Förderbeginn, der nun wohl für 2011 anvisiert ist. Diese Strafe ist zwar auch für einen Ölkonzern keine Kleinigkeit, aber deren Summe ist immer noch drastisch geringer, als die im Oktober 2007 genannten Forderungen der kasachischen Seite.

Nun steht die Frage, wieso es zu der Einigung gekommen ist, denn schließlich waren die gegenseitigen Anschuldigungen im vergangenen Herbst keinesfalls in die Schublade „freundlich“ einzusortieren. Konflikte und Lösungen in diesen Dimensionen werden hierzulande natürlich nur mit Billigung von ganz oben initiiert und auch gelöst.

Für den Stimmungswandel „da oben“, der sich im deutlichen Abrücken von den ursprünglich sehr harten Positionen der kasachischen Seite ausdrückte, sehe ich vor allem zwei Gründe: zum einen hat der ganze Streit doch erheblichen internationalen Wirbel ausgelöst. Der Grundkommentar war, dass sich Investoren in Kasachstan nicht mehr sicher sein können, ob geschlossene Verträge (auch wenn sie für Kasachstan ungünstig aussehen sollten) eingehalten werden. Mit anderen Worten, eine ganz wesentliche Frage im internationalen Investitionsgeschehen hinsichtlich Kasachstans stand auf dem Spiel: die Glaubwürdigkeit der Investitionsschutz- und allgemeinen Vertragsgesetze. Wenn man versucht, diese nach Belieben mit Druck nachträglich zu ändern, wird das dem Investitionsklima in einem Land natürlich sehr abträglich sein. In unseren Falle geht es ja nun um sehr große Investitionen, und besonders für die brauchen und verlangen die Investoren langfristig stabile Rahmenbedingungen. Die Erkenntnis, dass dieser Streit für das Image Kasachstans und das Investitionsklima ein zu großes Risiko werden könnte, hat sich bei der Regierung also noch rechtzeitig durchgesetzt. Der zweite Grund für das Einschwenken dürften die ehrgeizigen Pläne der gegenwärtigen politischen Führung des Landes sein, die eine Verdopplung der Ölförderung in den nächsten 10 bis 15 Jahren vorsehen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Zwar sind entsprechende Reserven vorhanden, aber die Fördergebiete müssen erst erschlossen werden und meist sogar erst einmal ziemlich elementar, also mit Straßen, Brücken usw. Man braucht also viel Geld und zusätzlich modernes Know how. Beides haben die westlichen Konzerne, man braucht sie also. Verärgerte Konzerne werden aber das gewünschte Spiel nicht mitspielen, sondern sich sicherere Standorte suchen. Um das neue Feld Kaschagan zu erschließen, sind nach heutiger Erkenntnis nicht mehr die noch vor etwa einem Jahr genannten 57 Milliarden, sondern bis zu 136 Milliarden US-Dollar notwendig. Das ist deutlich mehr als das Jahres-Bruttoinlandsprodukt Kasachstans.

Also: Geldfragen haben den Streit ausgelöst, Geldfragen haben ihn gelöst. Oder: Geld regiert die Welt. Wieder mal!

Bodo Lochmann

18/01/08

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