Die Finanzkrise ist vorbei, die Wirtschaft Kasachstans hat durch sie keinen großen Schaden erlitten, alle Beteiligten haben durch sie ihre Managementfähigkeiten verbessern können – das ist die öffentliche Einschätzung der kasachischen Regierung nach der ersten größeren volkswirtschaftlichen Krise seit Beginn des großen, durch die wachsenden Rohstoffpreise ausgelösten Wirtschaftsbooms.
Klar ist, dass das Zentrum der jüngsten Krise nicht in Kasachstan, sondern in den USA liegt und die kasachische Wirtschaft, insbesondere der Bankensektor infolge seiner noch relativ geringen Verflechtung mit der globalisierten Finanzwelt, durchaus mit einem blauen Auge davongekommen ist. Dennoch scheint mir der Jubel etwas verfrüht, denn hierzulande ist die noch vor einem Jahr mit bloßem Auge noch sichtbare wirtschaftliche Prosperität bei Weitem nicht voll zurückgekehrt. Das was an Krisenbewältigung getan wurde, ist zudem weniger durch die Selbstheilungskräfte des Marktes, sondern durch massive staatliche Eingriffe und Finanzhilfen erreicht worden. Also durch einen sehr umstrittenen Weg, der in der Regel langfristig eher nicht zu marktgerechten Wirtschaftsstrukturen führt. Zudem stöhnt die Welt ringsherum immer noch unter der Krise und es werden in den westlichen Industriestaaten die Angstszenarien von Rezession und Krise diskutiert. Dabei ist dort die Lage gemischt, eindeutige Indikatoren in Richtung Rezession oder weiteres Wachstum gibt es im Moment nicht. So steigt beispielsweise derzeit weltweit die Inflation auf vier bis fünf Prozent. Das sind Größen, die man die letzten fast 30 Jahre nicht mehr kannte. Andererseits sinkt der Ölpreis als wesentlicher Inflationstreiber nun doch spürbar. Für die Eurozone kommt hinzu, dass der überstarke Euro endlich auch abwertet – von etwa 1,56 Dollar auf 1,50 Dollar. Das macht den Export europäischer Waren in die Dollarzone preislich wettbewerbsfähiger. Doch negativ wirkt im Gegenzug gleich wieder das gestiegene Verbrauchermisstrauen, das sich in zunehmender Kaufzurückhaltung und damit in einer schwächer werdenden Binnenkonjunktur niederschlägt. Diese nur sehr prinzipiell skizzierte, nicht eindeutige Lage auf den Weltmärkten wird mindestens indirekt auch auf Kasachstan wirken.
Jedenfalls klagt man woanders noch heftig über die aktuelle Weltfinanzkrise und sieht im Moment eher kein Ende derselben. Die Antwort auf die bange Frage nach ihrem Ende fällt im Moment ziemlich ernüchternd, keinesfalls so euphorisch wie in Kasachstan, aus. Vor wenigen Tagen haben die großen europäischen Banken ihre Halbjahresbilanzen veröffentlicht. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass sich in den kommenden Monaten die Lage eher noch verschlechtern kann, ehe dann – vielleicht in einem Jahr (?) – eine Besserung eintritt. Seit Ausbruch der Kreditkrise vor einem Jahr haben die europäischen Banken – die nicht das Zentrum des Krisengeschehens sind – 150 Milliarden Euro Verluste abschreiben müssen. Diese Zahl ist erschreckend und zwar in verschiedener Hinsicht. Zum einen fallen die europäischen Verlauste fast so hoch aus wie die der amerikanischen Bankkollegen. Das ist ein Beweis für die Globalisierung der Finanzwelt, in diesem Falle mit deutlich negativen Wirkungen. Zum anderen fielen diese europäischen Verluste an, obwohl sich die europäische Wirtschaft, im Gegensatz zu der der USA, noch in einem robusten konjunkturellen Umfeld bewegt. Doch auch die Auftragsbestände der europäischen Unternehmen schrumpfen deutlich, was die finanziellen Risiken für viele Unternehmen deutlich erhöhen wird, da der Aufschwung der letzten Jahre zu einem Großteil mit langfristigen Krediten finanziert ist. Kommt es zu einem wirtschaftlichen Einbruch in Europa, dann werden die Banken neben den bisherigen Abschreibungen, die durch hochkomplexe und neuartige Finanzierungsinstrumente verursacht wurden, mit den ganz klassischen, altbekannten Abschreibungen aus Kreditverlusten konfrontiert. Hochverschuldete Verbraucher, wie in Großbritannien und in Krisen schlitternde Immobilienmärkte (Spanien, Griechenland, Großbritannien) bilden mit vielen hochverschuldeten Unternehmen einen ziemlich gefährlichen Mix. Die Banken werden frisches Kapital brauchen, um zu überleben. Doch wer investiert schon gerne in Krisenzeiten.
Der Ruf nach dem Staat wird mit Sicherheit lauter werden, doch dem sind objektiv Grenzen gesetzt. Weniger aus finanziellen Engpässen, sondern mehr aus ordnungsrechtlichen Gründen. Im Unterschied zu Kasachstan dominiert in Europa eher die Meinung, dass der Markt regulieren muss und der Staat mit dem Geld der Bürger nur im großen Ausnahmefall eingreifen darf. Mit anderen Worten, es müssen letztlich auch Unternehmen und Banken vom Markt verschwinden, deren Management falsch agiert hat. Stellt sich der Staat schützend vor schlecht arbeitende Unternehmen, löst er die Probleme eigentlich nicht, sondern er verschiebt sie nur in die Zukunft. Die in Kasachstan praktizierte Lösung der Finanzkrise könnte durchaus so ein Beispiel werden.
Bodo Lochmann
15/08/08