Bundespräsident Horst Köhler begann die zweite Asienreise seiner Amtszeit, die ihn auch noch in die Mongolei und nach China führt, in Kasachstan. Mit seinem dreitägigen Besuch in Astana und Almaty unterstrich Köhler die wichtige strategische Bedeutung des Landes zwischen Asien und Europa. Statt dem formellen Austausch von Höflichkeiten entschieden sich beide Präsidenten für einen Hubschrauberausflug in die Steppe Kasachstans. Dem gegenseitigen Verständnis war das offenbar zuträglich, denn wichtige Abkommen wurden auch unterzeichnet.
/Bild: Ulf Seegers/
Die beiden Präsidenten kamen gleich zur Sache. Nursultan Nasarbajew erschien zur Überraschung der deutschen Delegation noch am Abend der Ankunft von Horst Köhler im Hotel in Astana und holte den Bundespräsidenten kurzerhand zum Abendessen ab. Im Hauptstadt-Restaurant „Alascha” fand dann „kein Austausch von Höflichkeiten statt”, wie der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler, der Köhler auf seiner Reise begleitet, anschließend feststellte. Nasarbajew bezeugte gegenüber Köhler eine Hochachtung, die selbst den Betroffenen überraschte. Beide kennen sich noch aus der Zeit, als Köhler Kasachstan als Chef der Europäischen Entwicklungsbank besucht hatte. Offensichtlich wollte Nasarbajew jetzt das Expertenwissen des Bundespräsidenten nutzen und zugleich einige Botschaften an die EU platzieren. „Einseitige Kritik an Russland ist falsch”, lautete eine davon. Aber jetzt gelte der EU-Plan, der den Rückzug der russischen Truppen aus georgischem Kerngebiet vorsieht.
Kasachstan als Mittler im Kaukasus-Konflikt
Nasarbajew, bislang engster Partner Moskaus, geht in der Georgien-Frage deutlich auf Distanz zu dem großen Nachbarn, mit dem ihn eine über 7.000 Kilometer lange gemeinsame Grenze verbindet. Er sei sogar bereit, aktiv eine Mittlerrolle im Kaukasus zu übernehmen, sagte er intern. „Ein sehr interessanter Vorschlag”, wie Staatsminister Erler befand.
Köhler zeigte sich von der Aufbauleistung vor allem in Astana beeindruckt: „Überwältigend”. Er beließ es aber nicht dabei. Offen und intern verlangte er weitere Fortschritte bei der Reform des Landes und der Umsetzung von Menschenrechten. Die Botschaft kam wohl an. Ein Wahlgesetz, ein Mediengesetz und ein Parteiengesetz seien in Vorbereitung, erwiderte Nasarbajew.
Kasachstandeutsche im Weizenfeld
Die offenen Worte Köhlers störten offenkundig nicht die Atmosphäre. „Ich will die Steppe sehen”, sagte Köhler beim Abendessen mit Nasarbajew. Dieser ließ sich nicht lange bitten. Beide Präsidenten warfen kurzfristig das offizielle Programm um und Nasarbajew orderte einen Hubschrauber-ausflug zu seiner Sommerresidenz.
Auf dem Weg dort hin machten die beiden eine Zwischenlandung in einem kasachischen Weizenfeld. Dort trafen Köhler und Nasarbajew auf Deutschstämmige bei der Ernte. Einige von ihnen waren in den 1990er Jahren bereits nach Deutschland ausgewandert, sind aber wieder zurückgekehrt, weil sie sich in Kasachstan wohler fühlen. Sie erklärten, dass sie jetzt mit Deutschland und Kasachstan zwei Heimaten hätten. „Als Bundespräsident könnte ich mir keine bessere Brücke zwischen Deutschland und Kasachstan wünschen“, zeigte sich Köhler bewegt vom spontanen Treffen mit den Kasachstandeutschen.
Dass die deutschstämmigen Landwirte in den Weiten Kasachstans ausgerechnet mit Mähdreschern des deutschen Landmaschinenherstellers „Claas“ ernteten, war wohl eher kein Zufall. Es illustrierte vielmehr das Thema des 10. Tages der Deutschen Wirtschaft in Kasachstan „Investitionsstandort Kasachstan – Chancen für den deutschen Mittelstand“, den Köhler am Mittwochabend besuchte. Bei den Wirtschaftsvertretern betonte der Bundespräsident die Vorteile der stabilen und verlässlichen kasachischen Politik. Zugleich ermunterte er die Unternehmer und Manager ihre kritischen Vorstellungen durchaus zu äußern. Dabei aber einen „Ton der Freundschaft“ anzuschlagen und sich auf eine langfristige Zusammenarbeit zu orientieren. Köhler geht davon aus, dass sich das lohnt – „wirtschaftlich aber auch politisch“.
DKU – Leuchtturmprojekt der deutschen Kulturpolitik im Ausland
Gelohnt hat sich der Staatsbesuch auch für die Deutsch-Kasachische Universität (DKU). Nach jahrelangem Zögern des kasachischen Bildungsministeriums unterzeichneten beide Seiten jetzt ein Förderabkommen, in dem sich Deutschland zur Einführung innovativer und vor allem technischer Studiengänge verpflichtet und Kasachstan der Universität im Gegenzug ihr derzeitiges Gebäude mietfrei überlässt. Die seit neun Jahren bestehende Uni soll zu einem Leuchtturmprojekt der deutschen auswärtigen Kulturpolitik ausgebaut werden. Der Bundespräsident besuchte die Universität am Donnerstag und diskutierte mit den Studenten über Globalisierung, Bildung und nationale Identität. Im Gespräch mit dem Bundespräsidenten setzten sich die Studenten für einen stärkeren Austausch von Studierende und Dozenten zwischen Deutschland und Kasachstan ein. Tief beeindruckt hätten ihn, so Köhler im Nachhinein, die Zukunftsorientierung und der Wille der Studenten, die Globalisierung als Chance zu begreifen und mit anderen in Wettbewerb zu treten.
Köhler reiste anschließend weiter zu einem zweitägigen Staatsbesuch in die Mongolei. Am Wochenende nimmt er an der Eröffnung der Paralympics in Peking teil. (dpa / DAZ)
Von Frank Rafalski und Ulf Seegers
05/09/08