Auf der deutschen Bühne in Kasachstan verkörperte er unzählige Rollen in Stücken der gegenwärtigen und klassischen Dramatik, war beim Zuschauer beliebt und von Kritikern hoch geschätzt. Die bunte und reichhaltige Palette seiner Bühnenhelden war äußerst mannigfaltig und breitgefächert. Er stand im Rampenlicht als Karl Moor (Die Räuber), Truffaldino (Der Diener zweier Herren), Mescham (Glas Wasser) und nicht zuletzt als „Gestiefelter Kater“ in einer Kinderinszenierung, die etwa 500 Auftritte in vielen Ortschaften der damaligen Sowjetunion erlebte.
Als Jakob Köhn Anfang November 1991 die Bühne des Deutschen Theaters Kasachstan verließ und samt Familie nach Deutschland auswanderte, war er nicht sicher, ob es ihm gelingen würde, seinem Schauspielberuf nachzugehen und weiterhin auf der Bühne zu stehen. Eher war er bereit, etwas Neues zu beginnen und sich aus der Schauspielwelt zurückzuziehen. Doch das Schicksal meinte es anders: Helmut Bläss, Intendant des Mitteldeutschen Landestheaters, nahm Jakob in sein Schauspielensemble auf.
Und dies geschah überraschend schnell: Ab Januar 1992 stand der russlanddeutsche Schauspieler Jakob Köhn auf der Bühne des Elbe-Elster-Theaters in Wittenberg und bereitete sich mit neuen Schauspielkollegen auf seine erste Premiere in Deutschland vor. Mit der Rolle des Assistenten von Kommissar Beizmenne in der Aufführung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ stellte er sich am 4. April 1992 dem Wittenberger Publikum vor. In der darauf folgenden Tragödie des großen Shakespeares „Romeo und Julia“ spielte er den Tybalt. Aber nicht allein mit dieser Rolle trug er zum Erfolg der Inszenierung bei.
In einem Zeitungsbericht zur Premiere, die ein Riesenecho genoss, lesen wir unter anderem: „Das Kompliment galt vor allem einem Mitglied des Schauspielensembles: Jakob Köhn. Der im vergangenen Jahr aus der ehemaligen Sowjetunion nach Wittenberg gekommene Schauspieler hat im Zuge seiner klassischen Grundausbildung auch eine solide Fechtschule genossen und gab diese seine Kenntnisse in mühevoller Detailarbeit an seine Schauspielkollegen weiter.“
„Martin Luther aus Kasachstan“
Im Ensemble respektierte man Jakob und schätzte ihn als pflichtbewussten, hilfsbereiten und ehrlichen Kollegen. An neuen Rollen fehlte es ihm auch nicht und die Regisseure nahmen ihn gerne in die Theaterproduktionen auf. Im Herbst 1993 spielte er schon Martin Luther in der Aufführung „Martin oder die Gerechtigkeit Gottes“ und genoss die Anerkennung der Zuschauer. Die Kritiker schrieben präzise und sachkundig: „…Jakob Köhn zeigte dabei eine glänzende Leistung als selbstquälerischer, verzweifelter, ernster, sendungsbewusster, heiterer, wortgewaltiger Luther.“ Die Bild-Zeitung bezeichnete ihn als „Martin Luther aus Kasachstan“.
Nebst schauspielerischen Erfolgen erinnert sich Jakob heute auch an seine Fechtchoreografien zu den Inszenierungen „Der falsche Don Juan“, „Cyrano der Bergerac“ und „Hamlet“, die ihm sehr gelungen waren und den Kollegen sowie den Zuschauern wirklich Spaß machten. Besonders gern denkt Jakob an seine Mitarbeit an der in russischer Sprache inszenierten Oper „Die Nase“ von Dmitri Schostakowitsch am Opernhaus Zürich zurück. Die Sprechrolle in dieser Produktion war zwar nicht so groß, aber er hatte die gute Gelegenheit, den bekannten Regisseur Peter Stein kennenzulernen und unter seiner Regie die anvertraute Rolle zu meistern.
Nicht nur am Theater, sondern auch in Spielfilmen ein Star
Mittlerweile hat Jakob mehrere Rollen auf seinem Schauspielkonto, und alle liegen ihm am Herzen und stärken sein Selbstvertrauen. Denn das Wissen, das er sich während des Studiums in Moskau angeeignet hat, zahlte sich bis jetzt gut aus. Nicht nur am Theater, sondern auch in Spielfilmen konnte er sich mittlerweile beweisen, darunter „Hotel Lux“, an dem er mit dem Regisseur Leander Haußmann zusammenarbeite, „Swetlana“, die TV-Serie „SOKO Leipzig“ und andere.
Vielleicht würde Jakob Köhn auch heute noch am Elbe-Elster-Theater in Wittenberg auf der Bühne stehen, doch dieses wurde 2002 geschlossen, und er musste sich nach anderen Spielstätten umschauen. Es folgten die Theaterhäuser in Dessau, Bremen und Detmold. Letztendlich landete er mit einem festen Engagement in Rudolstadt, wo er heute zu einem erfolgreichen Mitglied des Ensembles zählt. Beworben hatte sich Jakob als Regieassistent und Inspizient, wird jedoch öfter als Schauspieler in den Inszenierungen eingesetzt.
Bereits in zwei Spielzeiten hat er sich auf der neuen Bühne bewährt und eine Reihe ausdrucksvoller Szenenarbeiten vorgestellt. Ihm gelang es, das Publikum als Pater in „Viel Lärm um Nichts“, als Bernardo in „Don Juan“, als Latunski in „Meister und Margarita“ u.a zu begeistern. Außerdem bietet er Choreografie der Fechtszenen in klassischen Darbietungen. Nun hängt auch sein Porträt, von dem er mit einem strahlenden Lächeln die Zuschauer anschaut, in einer Reihe mit Bildern anderer Ensemblemitglieder im Theaterfoyer.
Sehnsucht nach der Vergangenheit
Sein Leben bezeichnet der Schauspieler als glücklich, trotz negativer Erscheinungen, die hin und wieder auftauchen. Schließlich ist er „ein positiv denkender Mensch“ und so sportlich aktiv wie er ist, kann er jeglichen Stress beim Skaten, Wandern oder Skilaufen abbauen.
Das Glück, ein guter Schauspieler zu sein, hat er sich erarbeitet, und er genießt es in vollen Zügen. „Ich habe mit vielen guten Regisseuren gearbeitet, spielte auf mehreren Bühnen des Landes, stand vor der Filmkamera, trat als Sprecher im Rundfunk auf und hatte dabei immer das Gefühl, gebraucht zu werden.“
Mein Archiv bewahrt einen Brief, den ich von Jakob Köhn noch in Alma-Ata erhalten habe. Datiert ist das Schreiben vom 12.02.1992. Er schilderte darin, wie seine Familie sich in Deutschland einlebte. Auch schrieb er darüber, wie die Suche nach einem Job am Theater ausging, und teilte mit, dass er nun auf der Bühne in der Lutherstadt stehen darf, und dass die ersten Proben in einem Monat beginnen werden. Damals freute ich mich auf so eine hoffnungsvolle Nachricht und darauf, dass er es geschafft hat, seinem Beruf treu zu bleiben. In Gedanken wünschte ich dieses Glück jedem unserer Schauspieler, die inzwischen das Theater verlassen hatten. Der Schreibton strahlte innere Ruhe und Frohgemut aus, doch die Zeilen „Schreib mir bitte, was es Neues an unserem Theater gibt! Ja, es war und bleibt unser Theater“ verursachten in mir damals eine stechende Sehnsucht nach der Vergangenheit.