Geboren in Kasachstan, zog es Andrej Lazarev während seiner Theaterausbildung nach Deutschland. Dort gründete er 2019 das Atheater in Münster. Momentan arbeitet er am Deutschen Theater in Almaty an dem neuen Stück „Never Forever“, um damit die 41. Spielzeit des Schauspielhauses einzuleiten. Wir haben mit dem Regisseur und Schauspieler über seinen Weg zur Bühne und seine aktuellen Projekte gesprochen.

Herr Lazarev, wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen? Erzählen Sie bitte etwas zu ihrem Hintergrund und zu ihrem Werdegang!

Mit sechs Jahren hat meine Oma mich zur Theateraufführung „Prinzessin Turandot“ mitgenommen, und mir hat das Stück sehr gefallen. Nach der Aufführung war ich erstmal krank, hatte sehr starkes Fieber. Dann habe ich von den Schauspielern geträumt und in meinem Kopf alle Rollen durchgespielt. Natürlich war ich verliebt in die Prinzessin, und habe mir selbst vorgestellt, der Prinz zu sein. Ich habe sehr früh verstanden, dass ich nur das will: Verkleiden, und den Menschen, Liebe, Licht und Spaß schenken. Ziemlich schnell habe ich dann verstanden: Ich will nicht nur spielen, sondern lieber selbst organisieren, um meine eigenen Welten entstehen zu lassen. Daher habe ich mich in der Schule immer wieder aktiv fürs Theater eingesetzt und verschiedene Gruppen organisiert.

In welcher Verbindung stehen Sie zum Deutschen Theater in Almaty?

Die Leiterin des Theaters, Natascha Dubs, und ich kennen uns schon sehr lange. Uns verbindet nicht nur ein gemeinsames Studium, sondern auch langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft. Sie war auch beispielsweise schon Choreografin bei sehr vielen meiner Stücke.

Und woran arbeiten Sie hier im Moment?

Zum Anlass des 40-jährigen Jubiläums des Theaters hatte Natascha die Idee, dass wir etwas gemeinsam kreieren. Daraus entstand dann das Stück „Never Forever“. Die Verbindung zwischen ihr und mir spielt dabei eine sehr große Rolle. Natascha ist dabei die Schlüsselfigur. Es ist ein postmodernes Stück, welches vom Theater selbst als Medium erzählt. Die wichtigste Nachricht an die Zuschauerinnen und Zuschauer ist, dass die Menschen heutzutage keine Liebe haben. Jeder sucht danach, aber wenn man sie findet, erträgt man die Nähe nicht.

Was bietet Ihrer Meinung nach das Theater, was die Kinoleinwand nicht bieten kann?

Für mich beginnt Theater dann, wenn das Publikum kommt. Als Schauspieler muss man sich darauf vorbereiten, mit den fremden Energien der Zuschauerinnen und Zuschauer arbeiten zu können. Es gibt einen Austausch, und genau dieser ist für mich das Theater. Filme können auch Emotionen erwecken, aber Theater basiert auf körperlichen Erfahrungen. Deswegen rückt die Sprache auf der Bühne eher in den Hintergrund. Das Theater bietet eine Begegnung zwischen Menschen, die sich sonst wahrscheinlich niemals sehen würden.

Woher ziehen Sie die Inspirationen für ihre Theaterstücke?

Die Stücke entstehen während der Arbeit. Wir setzen uns zusammen und überlegen gemeinsam, was wir unseren Zuschauern sagen wollen. Dann improvisieren wir dazu, und letztendlich ist es als Dramaturg meine Aufgabe, einen roten Faden zu finden. Meine Inspirationen sind die Menschen, mit denen ich arbeite. Das gilt auch für „Never Forever“. Ihre Geschichten sind mir wichtig: Wer bist du? Woher kommst du? Wohin gehst du? Diese Fragen sind immer die gleichen, nur die Realisierung ist anders.

Gab es Momente, in denen Sie daran gezweifelt haben, dass das Theaterleben das Richtige für Sie ist?

Nach meinen Erfolgen habe ich eingesehen, dass mir durchaus Kenntnisse über die europäische Theaterlandschaft und ihre Gesellschaftsstrukturen fehlen. Ich habe überlegt, was ich stattdessen machen könnte, und mich dazu entschieden, Politik- und Kommunikationswissenschaften zu studieren. Ich war tatsächlich dann an dem Punkt, wo ich gedacht habe, für ein paar Jahre kein Theater mehr zu spielen und zu organisieren. Bereits nach einem Jahr habe ich verstanden, dass ich das nicht kann. Mein Körper wollte zurück zum Theater. Über den theoretischen Weg, etwas Neues zu finden, war eine komplett falsche Entscheidung.

Wie haben Sie als Künstler die vergangenen Monate der Corona-Pandemie erlebt?

Wir als Atheater sind komplett selbstständig. Das heißt, wir leben von dem Geld, das wir durch Auftritte erwirtschaften. Dabei kam natürlich die Frage auf: Überleben wir das? Und wenn ja, wie? Die wirtschaftliche Ohnmacht der Gesellschaft hat auch uns erwischt. Als wir im Herbst zum ersten Mal wieder auf die Bühne durften, war es schon komisch, plötzlich vor einer Gesellschaft zu spielen, die so viel Angst hat. Die Corona-Zeit ist für mich die Entdeckung der Angst.

Vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellten Alexandra Heidsiek und Annabel Rosin.

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