Eröffnung und Segnung der Gedenkstätte für die russlanddeutschen Opfer der Vertreibung und Verfolgung, Deportation und Zwangsarbeit in Regensburg.

„Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat“ – zitierte Valentina Wudtke, Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Regensburg, einen Buchtitel bei der Eröffnung der Gedenkfeier im Stadtpark der Stadt Regensburg am 18. September 2021, die zahlreiche Vertreter aus Politik, Vereinen, Kirchen und der breiten Öffentlichkeit versammelte. Durch das Programm des Festaktes führten Jana Lunte und Daniel Steinhilber.

Im Mittelpunkt des Festaktes anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation der Deutschen in der Sowjetunion stand die Eröffnung und Segnung des Gedenksteins für die russlanddeutschen Opfer der Vertreibung und Verfolgung, Deportation und Zwangsarbeit im 20. Jahrhundert.

„Trauer um die Toten – ganz besonders um all die, die vor der Zeit um ihr Leben gebracht wurden – ist ein elementares menschliches Bedürfnis. Zahlreiche russlanddeutsche Opfer der sowjetischen Repressionen im 20. Jahrhundert durften überhaupt kein Grab, kein Kreuz und keinen Grabstein haben. Und so hat es für viele, zu viele, russlanddeutsche Familien nie einen Ort gegeben, an dem sie ihre Verstorbenen wissen, wo man Blumen hinlegen kann, wo man vielleicht einfach in Ruhe noch mal an die Verstorbenen denken kann. Vor diesem Hintergrund beschreiben die Worte Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat das Gefühl der Heimatlosigkeit und das Gefühl von Angekommensein gleichzeitig“, sagte Valentina Wudtke in ihrem Begrüßungswort, indem sie den tieferen Sinn der Gedenkveranstaltung und des Gedenksteins beschrieb.

Aussiedlerbeauftragte übernimmt Schirmherrschaft

Die Errichtung des Gedenksteins wurde von der Ortsgruppe Regensburg der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland initiiert und ausgeführt – mit organisatorischer und finanzieller Unterstützung der Stadt Regensburg und des Freistaates Bayern (über das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland) sowie zahlreichen Spenden von Landsleuten. Das Projekt wurde vom Regensburger Steinmetzmeister Wilhelm Justus verwirklicht. Mit der Gedenkstätte für die russlanddeutschen Opfer der Vertreibung und Verfolgung, Deportation und Zwangsarbeit schuf die Landsmannschaft in Regensburg einen Ort, wo Russlanddeutsche ihrer Angehörigen gedenken können. Jeden August soll hier mit ökumenischem Gottesdienst, einer Totenehrung und Kranzniederlegung der Opfer der Vertreibung und Verfolgung gedacht werden.

Die Schirmherrschaft über die Gedenkfeier am 18. September übernahm Sylvia Stierstorfer, Abgeordnete des Bayerischen Landtags und Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene. Als Gastgeberin vertrat die Regensburger Bürgermeisterin Dr. Astrid Freudenstein die Stadt in Vertretung der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer.

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland war durch den Bundesvorsitzenden Johann Thießen und weitere Mitglieder des Bundesvorstandes vertreten: Ewald Oster, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Bayern, Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland in Nürnberg, Valentina Dederer, Landesvorsitzende der Landsmannschaft in Rheinland-Pfalz, Walter Gauks, Bundesvorsitzender der Jugend der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.

Schuldlos am Pranger

Die Redner Dr. Astrid Freudenstein, Sylvia Stierstorfer, Christian Knauer, Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen Bayern, Ewald Oster und Waldemar Eisenbraun, Geschäftsleiter des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland, würdigten in ihren Grußworten die beispielhafte Initiative der Landsmannschaft Regensburg. Fernerhin ging jeder auf die folgenschwere Bedeutung des Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941 ein, der massenhafte Deportationen der Deutschen nach Sibirien und Kasachstan mit weitreichenden Folgen einleitete: Die sämtliche Volksgruppe der Russlanddeutschen wurde für Jahrzehnte schuldlos an den Pranger gestellt, dem folgte eine weitgehende Entrechtung und Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen, die Zehntausende Opfer forderte.

Der Festredner Johann Thießen beschäftigte sich ausführlicher mit der tragischen Geschichte der Russlanddeutschen, die vor allem im 20. Jahrhundert, insbesondere nach dem deutsch-sowjetischen Krieg, einen unumkehrbaren Lauf nahm – mit verheerenden Folgen für die Volksgruppe.

Geistiger Halt im Glauben

Geistigen Halt und Geborgenheit fanden viele Russlanddeutsche auch in der Verbannung im Glauben. Der Glaube, der hauptsächlich im Untergrund gelebt werden konnte, und die deutsche Muttersprache waren für viele Rückhalt, Hoffnungsquelle und eigentliche Heimat. Gemeinsam gedachten Pfarrerin Dr. Bärbel Mayer-Schärtel und Pfarrer Michael Fuchs der Opfer des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen, der Opfer von Vertreibungen, Zwangsumsiedelungen und Benachteiligungen, erinnerten mit Gebet und Fürbitten an das unsägliche Leid in den Lagern der Arbeitsarmee und segneten den Gedenkstein für die russlanddeutschen Opfer der Vertreibung und Verfolgung, Deportation und Zwangsarbeit.

Wilhelm Justus, unterstützt von seiner Ehefrau Julia, stellte sein Werk vor und erzählte über die Symbolik und das Entstehen des Gedenksteins. Für ihn, der aus Kasachstan kommt und Nachfahre deportierter Wolgadeutscher ist, war das Vorhaben eine Herzensangelegenheit. Für viele russlanddeutsche Familien hat es nie einen Ort gegeben, an dem sie ihrer qualvoll Verstorbenen gedenken konnten. Nun soll der Gedenkstein an all jene erinnern, die ihr Leben in der Verbannung, bei der Vertreibung, auf dem Fluchtweg oder in der Hölle der Arbeitslager lassen mussten.

Der Gedenkstein steht auch für all jene, die es nicht geschafft haben, in das Land der Vorfahren zu kommen – für viele konnte dieser Traum nie in Erfüllung gehen. Ihre Gräber liegen fern von hier, oft noch in den ehemaligen Verbannungsorten. Und auch bei denen, die durch die Hölle gegangen sind, am Leben geblieben und heute unter uns sind, bleibt die Wunde noch immer offen, die schrecklichen Erinnerungen lassen nicht los.

Nur wenige Gedenkstätten in Deutschland

Ähnliche Gedenkstätten für die russlanddeutschen Opfer der Verfolgung, Deportation und Zwangsarbeit, wie der Gedenkstein in Regensburg, gibt es bundesweit nur einige wenige. Lediglich einige Ortsverbände der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland haben auf Friedhöfen ihrer Städte Gedenksteine aufgestellt und dadurch Orte des Gedenkens und des Erinnerns geschaffen, an die sie sich Jahr für Jahr im August an die Opfer der Vertreibung und Verfolgung erinnern.

Von der Idee, einen Gedenkstein für die russlanddeutschen Opfer der Vertreibung und Verfolgung, Deportation und Zwangsarbeit in Regensburg aufzustellen, bis zum Ergebnis war es ein weiter Weg. Der Vorstand der Landsmannschaft in Regensburg mit der Vorsitzenden Valentina Wudtke setzte alle Hebel in Bewegung, damit das anfänglich fast unerreichbare Vorhaben Realität werden konnte.

„Zahlreiche Menschen auf Landesebene und in der Stadt Regensburg haben mit uns zusammen dafür gekämpft, dass dieser Gedenkstein heute hier steht. Dafür danke ich ganz herzlich allen, die das möglich gemacht haben“, betonte Valentina Wudtke.

Zukunft braucht Vergangenheit

Großer Dank ging an Sylvia Stierstorfer, die sich der Sache von Anfang an mit viel Herzblut angenommen hatte, und den Freistaat Bayern, der das Projekt finanziell unterstützte. Auch die Bürgermeisterin der Stadt Regensburg, Dr. Astrid Freudenstein, stand mit offenem Herzen und viel Tatkraft an der Seite der Landsmannschaft. „Das Vorhaben wäre ohne die tatkräftige und vielseitige Unterstützung der Stadt Regensburg – mit vollem Herzen und beispielhafter Offenheit – nie möglich gewesen“, hob die Vorsitzende hervor.

Zukunft braucht Vergangenheit. Die Russlanddeutschen erlitten dieses Schicksal, weil sie Deutsche waren. Auch heute ist es wichtig, an dieses Kriegsfolgenschicksal zu erinnern. Erinnerung heißt auch, sich mit der eigenen Geschichte in der neuen-alten Heimat auseinanderzusetzen. Für die Deutschen aus Russland bedeutet das nicht zuletzt Anerkennung und Akzeptanz im Land ihrer Vorfahren. Das setzt das Wissen über ihre wechselvolle, nicht selten tragische und opferreiche Geschichte voraus. „Wir hoffen, dass diese Feierstunde dazu beigetragen hat, die dunkelsten Seiten dieser Geschichte zu durchleuchten“, betonte Valentina Wudtke in ihrem Schlusswort.

Nina Paulsen

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