Das kasachische Rentensystem sieht die Möglichkeit vor, neben verpflichtenden allgemeinen Renten- und Berufsrentenbeiträgen auch freiwillige Beiträge zu leisten. Wer nichts weiter unternimmt, dessen Beiträge werden vom Einheitlichen kumulativen Pensionsfonds (EKPF) gehalten, dessen Guthaben wiederum von der Nationalbank Kasachstans verwaltet werden. Nun ist es möglich, einen Teil dieser Beiträge auf eine private treuhänderische Verwaltung zu übertragen. Aktuell gibt es fünf verschiedene private Treuhänder, die, wie es auch der EKPF tut, ihre Anlagestrategie veröffentlichen und dabei mit besonders hohen Ertragserwartungen werben. Sowohl die Anlagestrategie des EKPF als auch die der privaten Treuhänder erlauben, dass Beiträge in verschiedene Finanzprodukte investiert werden, wobei der Schwerpunkt auf Staatsanleihen als sicheren Anlagen liegt. Wie bei jeder Investition stellen sich Fragen nach Kosten, Chancen und Risiken oder ganz allgemein – lohnt sich das überhaupt?
Die Kosten sind in Abschnitt 8 des EKPF-Vertrages veröffentlicht und betragen beim EKPF 0,008% pro Monat vom jeweils verwalteten Vermögen – unabhängig davon, ob es vermehrt wurde oder nicht – und bis zu 2% vom erzielten Gewinn. Private Treuhänder dürfen bis zu 7,5% vom erzielten Gewinn einbehalten, erhalten allerdings keine garantierte monatliche Vergütung.
Die einzelnen Strategien nach deren Chancen und Risiken zu vergleichen würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Aber wen könnte man diese Frage stellen und welchen Informationen kann man vertrauen? In der heutigen Kolumne soll es daher darum gehen, wer mit welchem Interesse Informationen zur Verfügung stellt und wem man eher und wem man eher nicht vertrauen kann.
Verkäufer gegen Verbraucherinnen und Verbraucher
Wer zu einer Bank oder einem Wertpapier-Broker geht und dort nach passenden Produkten und Dienstleistungen fragt, wird in erster Regel einem Verkäufer gegenübersitzen. Jedes dieser Unternehmen verdient sein Geld damit, dass es Finanzprodukte verkauft. Für diese Tätigkeit gibt es für den Verkäufer eine Provision, die – mehr oder weniger offensichtlich – vom Kunden bezahlt werden muss. Da es eine Provision nur für bestimmte, zumeist von der eigenen Firma erstellte Produkte gibt, besteht hier ein Interessenkonflikt, dessen man sich bewusst sein sollte. Mit anderen Worten – sich nur in einer Finanzorganisation beraten zu lassen, ist in der Regel keine gute Idee. Gleiches gilt übrigens auch für Versicherungsunternehmen, die exakt dasselbe Interesse haben – nämlich möglichst viele und teure Produkte zu verkaufen.
Neutrale Informationen in den sozialen Medien?
Wer in sozialen Medien und Plattformen unterwegs ist und sich einmal für ein Finanzthema interessiert hat, wird alsbald regelmäßig mit kleinen Häppchen zu Finanzthemen verköstigt. Die Bekömmlichkeit von sogenannten „Finfluencern“ – ein Kunstwort aus „Finanzen“ und „Influencer“, also englisch für „Beeinflusser“ – ist allerdings auf doppelte Art und Weise gering. Zum einen findet sich auch hier wieder ein Interessenskonflikt: ein Finfluencer möchte, dass die Zuschauer wieder kommen und wird seinen Inhalt daher so aufbereiten, dass es ständig etwas Neues gibt. Und das Neue ist natürlich noch besser oder gerade besonders vielversprechend. Zum anderen sind die wirklich grundlegenden Inhalte finanzieller Bildung in ihren Grundzügen relativ schnell erklärt und nicht so schwer zu verstehen. Eine Aktie bleibt eine Aktie und verbrieft die Beteiligung an einem Unternehmen, egal, um welches Unternehmen es sich handelt. Und ob es sich in Zukunft auszahlt, Miteigentümer dieses oder jenes Unternehmens zu werden, kann heute niemand seriös beantworten, da niemand voraussagen kann, wie sich die Geschäfte in Zukunft entwickeln werden. Nicht umsonst schließen viele daraus und werden von wissenschaftlichen Untersuchungen darin gestärkt, dass man z. B. einfach am besten alle Unternehmen kauft, wenn man in Aktien investieren möchte. Dank der exchange traded funds (ETF) ist dies für kleines Geld mit weltweiter Streuung möglich. Sobald dies einmal erklärt worden ist, führt es aber nicht dazu, dass die Abonnenten von Finfluencern einen Grund hätten, dessen Kanal wieder zu besuchen, so dass nur sehr wenige diesen Ansatz propagieren.
Online Treffpunkte für Investoren, dies sich ohne finanzielle Interessen untereinander austauschen wollen, sind in Kasachstan mindestens rar, wenn überhaupt vorhanden. Mir ist es bei der Recherche zu diesem Artikel nicht gelungen, eine solche Plattform zu finden. Wer Deutsch oder Englisch spricht, kann hier auf ausländische Internetforen zurückgreifen, die allerdings die Besonderheiten des kasachischen Wertpapiermarkts nicht diskutieren.
Populäre und wissenschaftliche Literatur
Rund um Finanzthemen gibt es sehr viele Bücher. Dicke und dünne, allgemeine, spezielle mit Schwerpunkt auf einzelnen Finanzprodukten, trocken aufs Investieren beschränkt oder an der Schnittstelle zur Psychologie. Auch die Biographien erfolgreicher Investoren und historische Abhandlungen zu Spekulationsblasen und finanzwissenschaftlichen Theorien füllen so manchen Regalmeter. Allerdings ist diese Literatur nicht unbedingt auf Russisch oder gar Kasachisch zu finden, sondern zumeist auf Englisch, da sie auf den US-amerikanischen Leser abzielt. Zudem finden sich dort häufig detaillierte Abhandlungen zu Einkommens- und Erbschaftssteuern in westlichen Ländern, zu bestimmten, dort steuerbegünstigten Depots und zu bestimmten Finanzprodukten und Anlagestrategien, also zu Themen, die zwar alle anekdotisch interessant sind, aber wenig praktische Relevanz für die kasachische Realität haben. Aufgrund der langen Investmenttradition enthalten sie jedoch auch viele bedenkenswerte allgemeine Überlegungen und wichtige historische Erfahrungen allgemeiner Art und sind daher dennoch empfehlenswert.
Unabhängige Finanzberater?
In vielen Ländern gibt es unabhängige und treuhänderisch agierende Finanzberater, die im Interesse des Privatkunden beraten können. Um diese jedoch sicher zu identifizieren, sind finanzielle Grundkenntnisse und insbesondere eine Antwort auf die Frage vonnöten, welche Qualifikation und welche Erfahrung der Berater hat und wie er entlohnt wird. Wird der Berater nicht vom Ratsuchenden auf z.B. Stundenbasis entlohnt, sondern erhält (auch) Provision für verkaufte Finanzprodukte, stehen wir demselben Interessenskonflikt gegenüber wie bei einem Bankverkäufer. Es ist dann nicht so einfach zu entscheiden, in wessen Interesse er handelt. Dass es in diesem Bereich viele gesetzlich nicht geschützte Berufsbezeichnungen wie z. B. „Finanzcoach“ gibt, macht die Suche nach einem guten Berater für den Normalverbraucher nicht einfacher, denn schliesslich kann jeder versuchen, seine echte oder vermeintliche Expertise zu verkaufen. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, bedarf es wiederum grundlegender Kenntnisse in finanziellen Dingen.
Finanzieller Erfolg – Chefsache
Es ist also gar nicht so einfach, vernünftigen Rat einzuholen. Als Verbraucher ist man umgeben von Informationen, die häufig wenig hilfreich und im schlimmsten Fall sogar schädlich sind. Zudem sind die Finanzprodukte für den verkaufenden Berater lukrativer als für den Investor selbst. Während die grundlegenden Regeln – man gebe weniger aus, als man verdiene, und man tilge seine Schulden (s. DAZ vom 05.09.2024) oder wenn sich ein Investment einfach zu gut anhört, um wahr zu sein, dann ist es auch nicht wahr – relativ einfach zu befolgen sind, wird es bei der eingangs gestellten Frage nach dem Sinn eines Übertrags seiner Rentenbeiträge auf einen Treuhänder schon schwieriger.
Aus Gründen der Diversifikation seines Investments über verschiedene Anlageklassen – also Immobilien, Festgelder, Aktien, Anleihen und gegebenfalls Gold – könnte es Sinn machen, einen Teil der Beiträge im staatlichen EKPF über einen privaten Treuhänder anzulegen. Doch schaut man sich die Portfolios des EKPF und der privaten Treuhänder genauer an, so ähneln sie sich, da beide in ähnliche Finanzprodukte investieren. Die Diversifikation findet also nicht über Anlageklassen, sondern über Treuhänder statt und bedeutet in erster Linie höhere Verwaltungsgebühren. Gebühren und Steuern sind zwei Dinge, die man selten vermeiden kann, die aber ganz sicher den finanziellen Ertrag verringern.
Ohne tiefer in Details einzusteigen, da diese individuell von Investor zu Investor unterschiedlich sind, scheint mir der Ansatz, Gelddinge zur Chefsache zu machen und seine finanzielle Zukunft in die eigene Hand zu nehmen, ein guter Ausweg aus dem Informationswirrwarr. Ein gangbarer Ansatz ist dabei, anhand der grundsätzlichen Fragen nach finanziellen Zielen und der persönlichen Risikotragfähigkeit Treuhänder und Finanzprodukte auszuwählen. Um diese Fragen für sich zu beantworten und die grundlegenden Zusammenhänge zu verstehen, sollte man etwas Zeit aufwenden. Von daher kostet finanzieller Rat Zeit und ist damit teuer, aber idealerweise entstehen diese Kosten nur einmalig und ganz am Anfang. Und, um eine zweite Meinung zur eigenen Strategie einzuholen und diese einschätzen zu können, sind Grundkenntnisse ebenfalls sehr hilfreich – ansonsten fällt man schnell auf einen falschen Berater rein. Wer dies einmal durchschaut hat, zahlt nicht bis in alle Ewigkeit für teure Finanzprodukte, sondern hat gute Chancen, seine finanziellen Ziele kostengünstig zu erreichen.
Über den Autor: Tobias Stüdemann interessiert sich, seit er im Alter von 10 Jahren ein Sparbuch eröffnet hat, für finanzielle Themen, investiert seit über 20 Jahren und engagiert sich für finanzielle Bildung mit Hilfe von Kolumnen, Kursen und Konsultationen. Dieser Artikel ist keine Investmentberatung. Fragen, Kritik, Anregungen: daz.finanzkolumne@gmx.de.