Was verbinden Angehörige der deutschen Minderheit mit der Weihnachtszeit? Die ifa-Redakteure und Kulturmanager haben nachgefragt und die unterschiedlichsten Texte zugeschickt bekommen.
Heinz Schleusener ist in Berlin aufgewachsen. Heute lebt er in der Slowakei und schreibt regelmäßig für das Karpatenblatt:
Viele Grüße, auch die zum Weihnachtsfest, werden heute elektronisch übermittelt, zum Beispiel als SMS, per Messenger oder WhatsApp. Sie verstecken sich dann im Speicher des Mobiltelefons, Tablets oder Computers. Weihnachtskarten oder -briefe, die mit der klassischen Post versendet werden, strahlen dagegen ihre Botschaft von ihrem Platz auf der Anrichte oder unter dem Weihnachtsbaum an die ganze Familie aus. Mit einer weihnachtlichen Briefmarke auf der Postsendung kann die Freude des Empfängers über den Weihnachtsgruß noch gesteigert werden.
Die erste Briefmarke der Welt erschien 1840 im damaligen Vereinigten Königreich Großbritannien und Irland. Die ungezähnte Marke „One Penny Black“ zeigt Königin Viktoria im Profil. Mit Briefmarken ging die Bezahlung der Post an den Absender über. Es dauerte fast 60 Jahre, bis das Thema Weihnachten erstmals auf einer Briefmarke aufgegriffen wurde. Die zum Weihnachtsfest herausgegebenen Briefmarken stellen den Ursprung oder Symbole dieses Festes wie Christi Geburt oder den Tannenbaum in den Vordergrund. Es gibt nicht nur Weihnachtsbriefmarken, sondern auch spezielle Postämter, die sich nur um Weihnachtspost kümmern, insbesondere um die von Kindern. Seit 1999 bietet die Slowakische Post (Slovenská pošta) eine Adresse für Kinder, die dem Christkind (Ježiško) schreiben oder ihm ein selbstgemaltes Weihnachtsbild senden möchten. Kinder aus aller Welt machen das. Tausende Briefe erreichen jedes Jahr Ježiško unter der Adresse: SK – 999 99 Ježiško. Wer den Absender angibt, bekommt vom Christkind und dessen fleißigen Helfern in Rajecká Lesná auch eine Antwort. Zu so einem Brief passt die diesjährige slowakische Weihnachtsbriefmarke sehr gut, denn sie zeigt eine Kinderzeichnung. Ježiško ist modern und hat zur Weihnachtszeit auch eine Homepage. Die Internet-Adresse lautet: www.jezisko.sk. Damit „Frohe Weihnachten“!
Irene Kunc ist die Leiterin des deutsch-tschechischen Begegnungszentrums in Mährisch-Trübau (Moravská Třebová) im Schönhengstgau:
Der Winter war für die Kinder der armen Leute und für die armen Leute selbst eine harte Zeit. Das Weihnachtsfest war das schönste Familienfest des ganzen Jahres. Gewöhnlich war geschlachtet worden und das besonders dann, wenn nicht genug Gänse und Enten für den Festbraten vorhanden waren. Es wurden Kuchen und Christ- bzw. Weihnachtsstriezel gebacken. Beim Einbruch der Dunkelheit räucherte die Bäuerin mit Wermut und Kümmel die Ställe aus und besprengte die Tiere mit Weihwasser. Den Tieren im Stall wurde an diesem Tage auch ein besseres Futter und dazu das „Leck“, bestehend aus Hafer, Kleie und Salz, unter welche Gaben Äpfel und Nüsse geschnitten wurden, gegeben. Die Pferde bekamen am Abend nach dem Füttern noch eine volle Hafergarbe in die Krippe gelegt. Selbst die Bäume fütterten die Bauern.
Dabei sagten sie im Egerland: „Bam, Bam, weanst ma neat so viel Birn gist, wos i Har am Kopf hob, so drossel´i di o!“
Im Kreis Dauba (Dubá) lud der Hausvater am Heiligen Abend die Bäume mit den Worten „Bäumlein, kommt olle rein, aßt olle mit! Aßt, doß r strutt/ strotzt/, trogt, doßr euch biegt!“ zum Christmahle ein.
Im Adlergebirge und im Kuhländchen versuchten die Bauern in der Heiligen Nacht die Obstbäume zu erwärmen, indem sie die Stämme mit Strohseilen umwanden und dadurch auf einen reicheren Ertrag hofften.
Auch an das Wasser und an den Wind dachten die Leute in der Heiligen Nacht. Das geschah auch im Schönhengstgau beim Gang in die Metten. Wenn die Leute zum Kirchgang vor das Haus traten, warfen sie eine Handvoll Brotkrümel in die Luft und sagten: „Herr Wind, Herr Wind, ich gab dr Brut, doß ta mr uf´s Johr nix Arges tust.“ Am Heiligen Abend war nur die einmalige Sättigung erlaubt. Diese geschah durch das Nachtmahl, das überall in der Auswahl der Speisen seine Besonderheit zeigte. Eigentlich sollte das Christmahl aus neunerlei, im Adlergebirge aus sieben- oder zwölferlei Speisen bestehen. Fleisch aber durfte nicht gereicht werden, da der Heilige Abend nach dem Gebot der Kirche ein strenger Fasttag war.
Daria Pisarek ist Botschafterin für die deutsche Minderheit des Jahres 2024 im Rahmen des SKILL UP-Programms und engagiert sich in der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren in Polen:
Viele polnische Weihnachtsbräuche haben deutsche Ursprünge, etwa der Weihnachtsbaum, der Adventskranz oder das Singen von Weihnachtsliedern. Die deutsche Minderheit verbindet ihre Traditionen oft mit polnischen Bräuchen, wodurch eine besondere Weihnachtsatmosphäre entsteht. Auf den Tischen finden sich neben polnischem Borschtsch auch deutscher Marzipankuchen, und im Wohnzimmer steht ein deutsch-polnischer Weihnachtsbaum, geschmückt mit Kugeln und traditionellem deutschen Lebkuchen. Dank dieser Kombination bewahrt die deutsche Minderheit in Polen ihre Wurzeln und bereichert gleichzeitig die polnische Kultur.
Der Advent ist eine besonders wichtige Zeit in der deutschen Kultur. Schon lange vor Heiligabend schaffen adventliche Aktivitäten eine andächtige Stimmung. Ein perfektes Beispiel ist das Adventstreffen in Allenstein, bei dem sich jährlich rund 100 Mitglieder der deutschen Minderheit versammeln. Vom 28. November bis 1. Dezember fand die diesjährige Veranstaltung statt und bot Gelegenheit, Traditionen zu erleben und Gemeinschaft zu stärken.
Die ersten Tage standen im Zeichen von Integrationsaktivitäten und einer Stadtrallye, bei der die Teilnehmenden an Orten wie dem Rathaus, dem Theater und verschiedenen Kirchen mehr über die Geschichte Allensteins erfuhren. Im Haus der Deutschen Minderheit wurden historische Einblicke vertieft. Der Samstag widmete sich der Vorbereitung auf die Adventsfeier: Tagsüber sangen die Teilnehmenden gemeinsam deutsche und polnische Weihnachtslieder, lernten preußische Tänze, backten Lebkuchen und bastelten Adventsschmuck. Am Abend fand die offizielle Adventsfeier statt, die den Höhepunkt der dreitägigen Vorbereitungen darstellte. Das Treffen bot nicht nur Raum für einen Jahresrückblick, sondern auch die Möglichkeit, den Advent in einer einzigartigen Atmosphäre zu feiern. Solche Veranstaltungen veranschaulichen, wie die deutsche Minderheit in Polen ihre Traditionen bewahrt und an kommende Generationen weitergibt. Gleichzeitig bereichern diese Bräuche das kulturelle Leben Polens und heben universelle Werte wie Zusammenhalt, Freude und Zusammenarbeit hervor. So wird Weihnachten zu einer Brücke zwischen den Nationalitäten und einem Symbol für ein gemeinsames kulturelles Erbe.
Raluca Nelepcu arbeitet seit 2006 als fest angestellte Redakteurin der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“:
„Traditionell wurden um diese Zeit Enten und Gänse aus den Bauernhöfen geschlachtet, da sie nun schlachtreif waren. Zu den Weihnachtsfeiertagen, doch auch schon davor, gab es oft gebratene, gefüllte Ente“, erklärt die Forumsvorsitzende und Initiatorin des Seminars, Dietlinde Huhn, darüber, wieso gerade „Ente“ als Thema des diesjährigen Koch- und Backseminars in Großsanktnikolaus (Sânnicolau Mare) gewählt wurde. Das Seminar, das – mit pandemiebedingter Unterbrechung – seit 2006 stattfindet, brachte am 22. und 23. November fast 60 Beteiligte am Sitz des Deutschen Ortsforums zusammen.
Freitag waren die Schüler und Jugendlichen dran – sie backten und dekorierten Plätzchen unter der Anleitung der Lehrkräfte der deutschen Schulabteilung in Großsanktnikolaus. Am zweiten Seminartag waren die Jugendlichen und Erwachsenen dran. Entensuppe war eines der Gerichte, das gekocht werden sollte – dazu sollten die typisch zu den Festtagen handgemachten Schraubnudeln und Leberknödel zubereitet werden. „Vor dem Seminar über das Herstellen der Schraubnudeln nachzuforschen, war äußerst interessant. Wir hatten angenommen, dass Schraubnudeln etwas typisch Schwäbisches sind, stellten aber fest, dass sie nicht allen Beteiligten bekannt waren und auch bei weitem nicht allen Bewohnern ehemals mehrheitlich schwäbischen Orten, wie Lenauheim, Bakowa und Marienfeld ein Begriff waren. Schließlich führten die Nachforschungen in die ungarische Küche“, berichtet Dietlinde Huhn. Unter der Anleitung zweier ungarischer Frauen wurden an zwei Vorabenden Schraubnudeln angefertigt.
Das Urteil nach dem Verkosten war ganz klar: Der Geschmack der selbst gefertigten Nudeln ist deutlich besser als jener aus dem Handel. Einige der an dem Seminar Beteiligten kauften sich die speziellen Holzplättchen, um in der Familie Schraubnudeln herzustellen. Die gefüllte gebratene Ente mit den Beilagen Rotkraut/ Kompott/ Saures sowie der ebenfalls für diese Jahreszeit typische Kuchen mit Flomen (Schmerkipfel) und Äpfeln fand allerseits Zuspruch. Das erfolgreiche Koch- und Backseminar in Großsanktnikolaus bewies wieder einmal, wie vielfältig die Banater Küche ist – und wie sich die Küchen der Minderheiten aus dem Banat gegenseitig beeinflusst haben.
Die DAZ dankt allen Autorinnen und Autoren für die Beteiligung!