Letzte Woche wurde im Haus der Visionäre in Berlin eine faszinierende Ausstellung eröffnet, die ihre Besucher auf eine künstlerische Reise durch Kulturen, Identitäten und Solidarität mitnimmt. Unter dem Titel „AK JOL – Stories of Solidarity“ organisierte der gemeinnützige Verein ArtCity e.V. eine Präsentation von Werken von Künstlern aus Kirgisistan, Deutschland und anderen Ländern, die sich mit den Themen Migration, kulturelle Transformation und zwischenmenschliche Verbundenheit auseinandersetzen. Die Ausstellung wurde von den nomadischen Traditionen Kirgisistans inspiriert.

Der Titel AK JOL lässt sich direkt aus dem Kirgisischen als „weißer Weg“ übersetzen, bedeutet jedoch auch einen Segenswunsch für eine gute Reise. Dieser Wunsch steht symbolisch für Bewegung und für neue Chancen im Kontext von Migration und interkulturellem Austausch.

Die Ausstellung vereint 14 Künstler mit ganz verschiedenem Hintergrund, deren Werke alle möglichen Ausdrucksformen und Themen erforschen. Altynai Osmoeva beschäftigt sich in ihren Textil- und Videoinstallationen mit der Verbindung von Tradition und Moderne. Ihre Installation „Chiy Koorchak“, die im Rahmen des „AK JOL“-Projekts entstand, greift Motive des traditionellen kirgisischen Handwerks auf und symbolisiert mütterliche Liebe und die Verbundenheit zwischen den Generationen. Alison Klymchuk, eine ukrainisch-kanadische Künstlerin, verarbeitet gefundene Materialien zu Skulpturen, die Geschichten von Verlust und Heimat erzählen. Ihre Werke sind eine kraftvolle Erinnerung an die Folgen von Konflikten und die Widerstandsfähigkeit der Menschen, die ihr Haus verlassen mussten.

Andreas Bauer, Kurator und Künstler, bringt seine unkonventionellen Werke ein, die gesellschaftliche Normen hinterfragen und den interkulturellen Austausch fördern. Seine Unterstützung von Underground-Künstlern und sein Engagement für den interkulturellen Austausch spiegeln sich in der Vielfalt der Ausstellung wider. Amantur Imanaliev erforscht Transformation als zentrales Element in der Natur und in den menschlichen Beziehungen. The Wa dokumentiert mit einer Video- und Skulptur Installation ein Projekt, bei dem er die Gesichter von Flüchtlingen in Masken goss und diese im öffentlichen Raum installierte. Zhyldyz Bekova verbindet traditionelle und digitale Medien, um Identität und kulturelle Vielfalt zu thematisieren. Louise Amelie, Gründerin von ArtCity e.V., zeigt in ihrem Film AK JOL – Open Road die Verflechtungen von Migration und Identität in Zentralasien.

Brad Downey, Christian August, Darika Bakkeeva, Dastan Temir, Felicitas Butt, Ieeza Ospan, Natisa Exoce Kasongo, Omurbek Karataev und Natalka bereicherten die Ausstellung mit ihren einzigartigen Beiträgen. Die Vielfalt ihrer künstlerischen Perspektiven ermöglichte einen vielschichtigen Blick auf das Thema und beleuchtete dessen zahlreiche Facetten.

Nomadischer Lebensstil oder künstlische Reise?

Die Ausstellung fokussiert sich darauf, dass ein nomadischer Lebensstil nicht nur eine physische Bewegung ist, sondern auch eine soziale und emotionale. Der Weg zur Selbstidentifizierung liegt in der permanenten Suche nach dem Gleichgewicht zwischen traditionellen Werten und zeitgenössischen Ideen. Und während wir uns an existierenden Mustern orientieren können, liegt unsere wahre Aufgabe darin, einen eigenen Weg zu erschaffen, der unsere einzigartige Persönlichkeit am treffendsten widerspiegelt.

Dies wurde bereits in Missing Member, einer Foto-Dokumentation von Louise Amelie und Darja Nesterowa (2021), aufgegriffen, welche sich mit den Auswirkungen von Migration auf kirgisische Familien beschäftigte. 2023 folgte das Berlin Bishkek Art Weeks-Festival, das Künstler aus Zentralasien und Berlin zusammenbrachte und so den kulturellen Austausch förderte.

„AK JOL – Open Road“ ist eine filmische Reise ins Herz der kirgisischen Kultur, auf welcher die tief verwurzelten Verbindungen zwischen Migration, Globalisierung und nomadischen Traditionen erforscht werden. Unter der Regie von Louise Amelie in Zusammenarbeit mit kirgisischen Kreativen begleitet die Dokumentation das ArtCity-Team auf einer mehrjährigen Reise durch die Landschaften Kirgisistans. Dabei werden Begegnungen mit lokalen Gemeinschaften, Künstlern und Geschichtenerzählern dokumentiert. Der Film fängt die Widerstandskraft und die Träume der Menschen in Kirgisistan ein und verbindet persönliche Erzählungen mit beeindruckenden Bildern.

Im September 2024 wurde die erste „Haltestelle“ des laufenden Projekts AK JOL / Art Mobil am Südufer des Issyk-Kul-Sees errichtet: die 12 Meter hohe Kunstinstallation wurde in Zusammenarbeit mit der kirgisischen Künstlerin Altynai Osmoeva erschaffen. Das Design von Chiy Koorchak ist von traditionellem kirgisischem Handwerk inspiriert, insbesondere der „chiy koorchak“ – einer aus Stroh gefertigten Puppe, die über Generationen hinweg als Geschenk von Müttern an ihre Töchter weitergegeben wird.

Dieses Symbol steht für mütterliche Liebe, die Verbundenheit zwischen den Generationen und die unbeschwerte Freude der Kindheit.

An den Ufern des heiligen Sees Issyk-Kul verbindet die Installation kirgisisches Erbe mit zeitgenössischer Kunst. Sie nimmt Bezug auf die kirgisische Jurte – einen traditionellen Ort des Zusammenkommens – und transformiert diese kulturellen Symbole in einen Begegnungsraum für zukünftige Kunstausstellungen und kulturellen Austausch. Hergestellt aus recycelten Materialien aus der Region, steht Chiy Koorchak für Nachhaltigkeit und eine tiefe Verbindung zur Geschichte und Spiritualität des Landes.

Die Ausstellung lädt Besucher ein, Bewegung neu zu denken – nicht nur als physische Fortbewegung, sondern als Ausdruck von Veränderung, Anpassung und Zusammenhalt. In einer Zeit globaler Herausforderungen bietet „AK JOL – Stories of Solidarity“ Raum für Reflexion über Migration, Identität und über die Kraft der Kunst, Menschen zu verbinden. Durch dieses Projekt wird deutlich, wie Kunst Grenzen überwinden und einen bedeutsamen Beitrag zur Förderung von Verständigung und Solidarität leisten kann.

Darya Koppel

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