Im Jahr 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Ein globaler Konflikt, der zwischen 1939 und 1945 über 60 Millionen Menschenleben forderte, Millionen Familien zerstörte und die Weltordnung grundlegend veränderte. Acht Jahrzehnte später blicken Deutschland und Kasachstan aus unterschiedlichen Perspektiven auf diese Zeit zurück – verbunden durch Geschichte, Schicksale und ein gemeinsames Interesse an Frieden.
Deutschland: Von der Schuld zur Verantwortung
Für Deutschland markierte das Kriegsende am 8. Mai 1945 nicht nur den militärischen Zusammenbruch, sondern auch einen moralischen und gesellschaftlichen Neuanfang. Die Niederlage bedeutete das Ende der nationalsozialistischen Diktatur, die mit ihrem rücksichtslosen Eroberungskrieg und dem Holocaust unermessliches Leid über Europa gebracht hatte.
Die Bundesrepublik Deutschland setzte nach dem Krieg auf „Erinnerungskultur“ und Aufarbeitung. Mahnmale, Museen und Gedenkstätten wie das Holocaust-Mahnmal in Berlin oder die KZ-Gedenkstätte Dachau sind heute fester Bestandteil des öffentlichen Bewusstseins. Gleichzeitig steht Deutschland in der internationalen Politik für eine pazifistische Grundhaltung, dessen Außenpolitik von Verantwortung und Diplomatie geprägt ist. Die Lektionen des Zweiten Weltkriegs haben das politische Selbstverständnis der Bundesrepublik tief geprägt und ihr Engagement für europäische Integration und weltweite Friedensprojekte gestärkt.
Kasachstan: Ein Nebenschauplatz mit tiefen Wunden
Kasachstan war zur Zeit des Zweiten Weltkriegs eine Teilrepublik der Sowjetunion. Zwar fanden auf kasachischem Boden keine direkten Kriegshandlungen statt, doch das Land war auf vielfältige Weise in den Krieg involviert. Hunderttausende Kasachen wurden an die Front geschickt, viele kehrten nicht zurück. Kasachstan spielte auch eine bedeutende Rolle als Versorgungs- und Rückzugsgebiet: Fabriken, die aus den westlichen Teilen der Sowjetunion vor dem deutschen Vormarsch evakuiert wurden, fanden hier einen neuen Standort. Zudem nahm Kasachstan während der Kriegsjahre Millionen von Vertriebenen, Deportierten und Evakuierten auf – darunter auch viele Deutsche, die ab 1941 aus den europäischen Teilen der Sowjetunion zwangsumgesiedelt wurden.
Für viele Russland- und Kasachstandeutsche, die später nach Deutschland übersiedelten, begann ihre Familiengeschichte in Kasachstan während des Krieges oder kurz nach ihm. Die Nachwirkungen dieser Zeit sind in zahllosen Familiengeschichten und in der gesellschaftlichen Erinnerung bis heute spürbar, auch wenn der Krieg im nationalen und privaten Diskurs oft hinter der offiziellen sowjetischen Siegeserzählung zurücktrat.
Geteilte Geschichte, gemeinsame Zukunft
Heute, 80 Jahre später, haben sowohl Deutschland als auch Kasachstan die Last dieser Geschichte in etwas Konstruktives verwandelt. Deutschland und Kasachstan pflegen seit der Unabhängigkeit Kasachstans 1991 enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen. Besonders der Austausch zwischen den Nachfahren der Russland- und Kasachstandeutschen, die in beiden Ländern leben, bildet eine Brücke zwischen den Nationen.
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bleibt ein Mahnmal für beide Staaten: Für Deutschland ist sie Verpflichtung zu Frieden, Versöhnung und Völkerverständigung, für Kasachstan ist sie Teil einer sowjetischen Geschichte, in der das Leid des Krieges auch ohne direkte Schlachten auf dem Territorium Kasachstans tiefe Narben hinterließ.
Veranstaltungen zum 80. Jahrestag des Kriegsendes
In Deutschland sind zahlreiche Veranstaltungen geplant, um an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern:
• Zentrale Gedenkveranstaltung des Bundestags in Berlin: Am 8. Mai 2025 findet eine zentrale Gedenkveranstaltung im Bundestag statt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Gedenkrede halten, begleitet von weiteren Spitzenvertretern der Verfassungsorgane. Aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurden die Botschafter Russlands und Belarus von der Teilnahme ausgeschlossen.
• Museum Berlin-Karlshorst: Das Museum, in dem 1945 die Kapitulation unterzeichnet wurde, bietet am 8. Mai 2025 ein umfangreiches Programm mit Führungen, Vorträgen und einer Fahrradtour entlang des historischen Weges der Alliierten zur Kapitulationsunterzeichnung.
• Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam: Vom 7. bis 9. Mai 2025 findet eine Konferenz mit dem Titel „80 Jahre Kriegsende: Jüdische Perspektiven auf Neuanfänge in Deutschland und Europa der Nachkriegszeit“ statt.
• Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf: Die VHS bietet im Rahmen des 80. Jahrestages verschiedene Vorträge und Führungen an, darunter Veranstaltungen zur Rolle von Hannah Arendt und Konrad Adenauer.
• Freilichtmuseum Roscheider Hof in Konz: Am 25. Mai 2025 findet ein Thementag mit Ausstellungen und Führungen statt, der an das Kriegsende erinnert.
In Kasachstan sind folgende Veranstaltungen geplant:
• Militärparade in Astana: Am 7. Mai 2025 wird in der kasachischen Hauptstadt Astana eine große Militärparade zum 80. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg und zum Tag des Verteidigers des Vaterlandes abgehalten. Dies wird die erste Parade dieser Art seit 2019 sein. Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew betonte die Bedeutung dieser Veranstaltung für die nationale Erinnerungskultur.
• Gedenkveranstaltungen am 9. Mai: Am 9. Mai 2025 finden landesweit Kranzniederlegungen und Gedenkfeiern statt. In Astana wird die Führung des Landes am „Otan Korgaushylar“-Denkmal zusammenkommen, begleitet von Militärorchestern, Ehrenformationen und Einheiten der Garnison der Hauptstadt.
Kassym-Schomart Tokajew wird voraussichtlich an der großen Siegesparade am 9. Mai in Moskau teilnehmen, um die historischen Bande zwischen Kasachstan und Russland zu würdigen.
Auch acht Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt die Erinnerung an das Geschehene von zentraler Bedeutung. Die Erfahrungen von Krieg, Leid und Zerstörung mahnen bis heute zur Verantwortung, besonders in einer Zeit, in der weltweit neue Konflikte und geopolitische Spannungen aufbrechen. Deutschland und Kasachstan zeigen auf ihre jeweils eigene Weise, wie Erinnerungskultur und historisches Bewusstsein dabei helfen können, Brücken zu bauen und den Wert von Frieden und internationalem Dialog zu begreifen. Der 80. Jahrestag ist nicht nur ein Anlass zum Rückblick, sondern auch ein Appell dafür, dass die Errungenschaften von Frieden, Freiheit und Verständigung täglich verteidigt und mit Leben erfüllt werden müssen – über Generationen und Grenzen hinweg.