Deutschland hat gewählt. Große Überraschungen gab es nicht. Die Umfragen hatten Verluste für Union und SPD vorhergesagt. Die Wahlgewinner: AfD und FDP. Die Alternative für Deutschland zieht als drittstärkste Partei in den Bundestag ein. Die Liberalen konnten aus der außerparlamentarischen Opposition heraus ein zweistelliges Ergebnis erzielen. Die Frage ist nun: Welche Parteien werden Deutschland in den kommenden Jahren regieren?

Quelle: Bundeswahlleiter

709 Abgeordnete werden im neuen Parlament sitzen. Es wird der größte Bundestag aller Zeiten sein. Zum ersten Mal seit 1949 werden sechs Parteien darin vertreten sein. Das ist ein Ergebnis der Bundestagswahl 2017. Ein anderes ist: Mehr Menschen gehen wieder wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei 76,2 Prozent, ein Plus von 4,7 Prozentpunkten im Vergleich zu 2013.

Angela Merkel (CDU) wird wohl auch in der nächsten Legislaturperiode Bundeskanzlerin bleiben. Doch eine Neuauflage der großen Koalition mit der SPD ist unwahrscheinlich. Sowohl die Union als auch die Sozialdemokraten haben jeweils das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 eingefahren. Nachdem die Hochrechnungen ein mageres Ergebnis von gerade einmal 20,5 Prozent für die SPD angezeigt hatten, gab Kanzlerkandidat Martin Schulz noch am Wahlabend bekannt, dass SPD in die Opposition gehen werde.

AfD drittstärkste Kraft

Dort trifft sie auf die Alternative für Deutschland (AfD). Die AfD zieht mit 12,6 Prozent erstmals in den Bundestag ein. War sie vor vier Jahren noch knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert, ist sie nun drittstärkste Kraft. Die Partei, die erst 2013 gegründet worden ist, zeichnet sich durch ihre Kritik an Europa und an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin aus. Ihre Mitglieder machen immer wieder durch rassistische Äußerungen auf sich aufmerksam. In der Partei werden Flügelkämpfe zudem offen ausgetragen. Bundessprecherin Frauke Petry teilte am Montag mit, der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören zu wollen.

Die AfD konnte insbesondere Nichtwähler zu den Wahlurnen locken. Aber auch knapp eine Millionen Menschen, die bei der vergangenen Wahl noch für die Union gestimmt hatten, gaben nun ihre Stimmen den Rechtspopulisten. Wenig überraschend: Schaut man sich die Entwicklung der vergangenen Jahre an, war die Partei vor allem im Osten Deutschlands erfolgreich. In Sachsen erhielt sie sogar drei Direktmandate.

Die Union aus CDU und CSU kam auf 33 Prozent und hat somit 8,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2013 eingebüßt. Für sie stellt sich nun die Frage, mit wem sie in Zukunft regieren kann. Nach der Absage der SPD ist die realistischste Option ein Bündnis mit der FDP und den Grünen. Die sogenannte Jamaika-Koalition findet in der Bevölkerung jedoch wenig Anklang. Nur 23 Prozent der von Infratest dimap Befragten sprechen sich dafür aus.

FDP und Grüne mit Regierungsoption

Neben der AfD ist die FDP der zweite Gewinner dieser Wahl. Die Liberalen waren 2013 mit einem historisch schlechten Wahlergebnis aus dem Bundestag geflogen. Dieses Mal erhielten sie 10,7 Prozent – fast sechs Prozentpunkte mehr. Die FDP kann sich nun entscheiden, ob sie in die Opposition oder die Regierung gehen will. Bereits in den Wochen vor der Wahl hatte Parteichef Christian Lindner keine der beiden Optionen ausgeschlossen.

Die Koalitionsverhandlungen könnten sich jedoch als schwierig gestalten. Vor allem Grüne und FDP haben zu vielen Themen konträre Meinungen, zum Beispiel bei den Themen Energie und Flüchtlinge. Darüber hinaus muss auch die CSU überzeugt werden. Sie hat in Bayern ebenfalls ein historisch schlechtes Ergebnis erhalten und sieht die Schuld dafür vor allem im Verlust des konservativen Profils der Union unter Angela Merkel. Bei Bürgerrechten und in der Integrations– und Asylpolitik müsste sie FDP und Grünen entgegenkommen. Ob Horst Seehofer zu solchen Kompromissen bereit ist, ist fraglich.

Bündnis 90/Die Grünen werden die kleinste Fraktion im 19. Bundestag bilden. 8,9 Prozent erhielt die Partei. Die sechste Partei im neuen Parlament ist Die Linke. Sie erhielt 9,2 Prozent. Trotz leichter Zugewinne werden sich die Linken wohl an eine neue Rolle als kleinste Oppositionspartei gewöhnen müssen. Während der großen Koalition war sie drittstärkste Partei und Oppositionsführerin.

Russlanddeutsche und AfD

Durch den Einzug der AfD wird sich der Ton im Bundestag verändern. Spitzenkandidat Alexander Gauland kündigte bereits an, dass es ungemütlich für Merkel werde. „Wir werden die Bundesregierung jagen, Frau Merkel, und unser Land und unser Volk zurückholen“, kündigte er an. Die Wahlparty der AfD, die am Berliner Alexanderplatz stattfand, wurde von Protesten begleitet. Mehrere hundert Menschen hatten sich dort versammelt und protestierten gegen die Partei.

Im Vorfeld der Bundestagswahl wurde häufig über die Unterstützung der Russlanddeutschen für die AfD berichtet. Diese Einschätzung basiert auf den Erfolgen der Alternative für Deutschland (AfD) bei verschiedenen Landtags– und Kommunalwahlen in einigen russlanddeutsch geprägten Stadtvierteln. Zwar erhielt die AfD auch bei der Bundestagswahl in Wahlkreisen, wo relativ viele Spätaussiedler leben, häufig mehr als 15,5 Prozent der Stimmen. In Pforzheim zum Beispiel kam die Partei auf 16,3 Prozent und zog mit der SPD gleich. Nichtsdestotrotz landete der russlanddeutsche Wahlkreiskandidat der AfD, Waldemar Birkle, nur auf Platz 3 – hinter den Kandidaten von CDU und SPD. Wie viele russlanddeutsche Wähler tatsächlich für die AfD gestimmt haben, lässt sich an den Daten des Bundeswahlleiters nicht ablesen.

Reaktion in Kasachstan

Präsident Nursultan Nasarbajew gratulierte Angela Merkel per Telegramm. Er wies darauf hin, dass das Wahlergebnis ein klarer Beweis für die Unterstützung des deutschen Volkes für die Sozial– und Wirtschaftspolitik der Kanzlerin seien. Nasarbajew betonte Merkels Beitrag zur regionalen und globalen Sicherheit. „Seit 25 Jahren gibt es freundschaftliche Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland. Ich schätze Ihren Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung von gemeinsamen Projekten, die unsere Länder näher zusammenbringen“, heißt es in dem Telegramm.

Für die deutsche Minderheit in Kasachstan bedeutet die Bundestagswahl erst einmal, dass sie sich auf neue Kooperationspartner einstellen müssen. Der bisherige Minderheitenbeauftragte Hartmut Koschyk (CSU) hatte sich nicht wieder zur Wahl gestellt.

Ab 1. November wird Günther Krings (CDU) das Amt übernehmen, solange bis die neue Bundesregierung einen neuen Minderheitenbeauftragten bestimmt. Die Minderheitenförderung für Kasachstan bleibe aber weiterhin bestehen, so wie sie ist, meint Albert Rau, Kasachstandeutscher und Abgeordneter der Madschilis. „Daran ändert auch Jamaika nichts.“

Othmara Glas

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