Als Kind einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters, bin ich unter Einfluss zweier Kulturen in der Nähe von Wien aufgewachsen. Lange waren mir nur die Vorteile bewusst: Die bilinguale Erziehung, Reisen in ferne Länder, kulturelle Feste zweier Nationen zelebrieren und auch die unterschiedlichen Speisen genießen zu können. Die ersten Zweifel bezüglich dieser Ansicht kamen auf, als mir im Volkschulalter gesagt wurde: „Ching, chang, chung! Geh‘ doch nach Hause!“

Was eine harmlose Kinderaussage war, wurde nach und nach zu einer großen Frage für mich: Wo ist überhaupt mein „Zuhause“?

In Österreich werde ich als Asiatin erkannt, in Japan als Europäerin. Jede Kultur scheint das zu sehen, was fremd ist. In Japan stoße ich immer auf großes Erstaunen, da meine Kenntnisse im Japanischen „zu gut für Ausländer“ seien. In Österreich werde ich oft für eine Touristin gehalten und somit ein Ziel diverser Makler von Reise– oder Konzertagenturen.

Der Austausch mit anderen Halbjapanern in meinem Alter half mir, mich mit dieser Situation abzufinden. Ich gab mich mit der Erklärung zufrieden, dass man von der Gesellschaft akzeptiert, aber nie wirklich ein Teil von ihr werden kann, solange das Aussehen nicht landestypisch ist. Sobald ich zu studieren begann, wurde mein akademisches Umfeld offener und positiver gegenüber Menschen außerhalb von Österreich. In Folge dessen versuchte ich, das Beste beider Kulturen zu betonen, zwischen ihnen zu vermitteln und meine Ideale beiden Gesellschaften anzupassen.

Und dann kam mein Aufenthalt in Kasachstan.

Meine Verwunderung begann beim Boarding, als ich gefragt worden bin, ob ich in mein Heimatland zurückfliege. Bei der Immigrationskontrolle wurde ich ungläubig angesehen, als ich meinen österreichischen Pass herzeigte. Wie selbstverständlich wurde ich von Einheimischen auf Kasachisch angesprochen und stieß auf Verwirrung, als ich mit gebrochenem Russisch zu verstehen gab, österreichisch-japanische Wurzeln zu haben.

Es war eine neue Erfahrung für mich, von allen Seiten angelächelt und angesprochen zu werden, ohne die Frage gestellt zu bekommen, aus welchem Land man stamme.
Als ich meine Eindrücke in einer sehr aktiven Facebook-Gruppe für Halbjapaner teilte, kommentierten Mitglieder, ähnliche Situationen in Zentralasien erfahren zu haben. Die Ähnlichkeit im Aussehen zwischen Kasachen und Halbasiaten soll vor allem daran liegen, dass viele in der kasachischen Bevölkerung eine Mischung aus Asiaten und Sibirern bzw. Europäern sind.

Als Halbjapanerin in Kasachstan fühle ich mich das erste Mal nicht als Fremde. Ich falle Anderen als Einzelne nicht auf und muss nicht in einer belebten Menschenmenge einer Stadt verschwinden. Ob sich das Land dadurch wie ein „Zuhause“ anfühlt? Letztendlich hängt dies vor allem von den Menschen ab, die bei mir sind.

Unsere österreichisch-japanische Praktikantin Clara Momoko Geber schreibt von ihrer Überraschung, in Kasachstan als Einheimische aufgefasst zu werden, und ihrem Leben zwischen zwei Kulturen.

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