Green Economy praktisch umgesetzt in Tadschikistan – Vom 20. bis 22. Juni trafen sich in Rio de Janeiro Staatsmänner aus aller Welt, um im Rahmen der UN-Konferenz „Rio +20“ über die Möglichkeiten der Armutsreduzierung, der Förderung sozialer Gerechtigkeit und den Umweltschutz zu diskutieren.
Ein Hauptthema war „Green Economy“. Was verbirgt sich hinter diesem Schlagwort? UNEP, die Umweltorganisation der UN, definiert Green Economy so: eine Wirtschaft, die bessere Lebensbedingungen für die Menschen sowie soziale Gerechtigkeit schafft und dabei Umweltrisiken und ökologische Knappheiten reduziert.
Auch im fernen Pamir-Gebirge in Tadschikistan wird Green Economy praktiziert. Dabei geht es um die Herstellung und Verbreitung energieeffizienter Produkte für die arme ländliche Bevölkerung in einer von Wüstenbildung betroffenen Region. Unterstützt werden die Handwerker von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, die im Auftrag des Bundeministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seit 2006 im Pamir eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen fördert.
„Früher wuchs hier dichter Wald“, erzählt der 63-jährige Bauer Farruch Karamschojew aus der Nähe von Chorog im Pamir-Gebirge. Jetzt schaut er mit kummervollem Blick auf die spärlichen Bäume und Sträucher. „In diesem Winter wurde das Feuerholz richtig knapp“, setzt er nach. Vielen Familien im Pamir-Gebirge, dem sogenannten „Dach der Welt“, erging es ähnlich. Als Tadschikistan noch Teil der Sowjetunion war, wurde der Wald durch die gut ausgestattete Forstbehörde und durch strenge Gesetze geschützt. Die Bevölkerung heizte und kochte mit aus anderen Teilen der Sowjetunion gelieferter billiger Kohle. Nach der Unabhängigkeit des Landes 1991 begann ein sechsjähriger Bürgerkrieg. Sowohl der Schutz des Waldes durch die Forstbehörde als auch die Lieferungen mit subventionierter Kohle brachen zusammen. In ihrer Not begann die Bevölkerung unkontrolliert Feuerholz aus dem Wald zu holen sowie den hier heimischen Tereskenstrauch zu roden. An dieser Situation hat sich bis heute wenig geändert.
Aufgrund des fehlenden Erosionsschutzes durch die Bäume und Sträucher kam es bereits in einigen Regionen zur Wüstenbildung. Vor hundert Jahren war noch etwa 25 Prozent Tadschikistans mit Wald bedeckt, heutzutage sind es nur noch 3 Prozent. Im Pamir macht die von Wald bedeckte Fläche nur noch 0.7 Prozent aus; die gilt es zu erhalten. Doch wie kann man diesem negativen Kreislauf entgegenwirken, in dem eine stetig wachsende Bevölkerung einen immer größeren Druck auf die vorhandenen natürlichen Ressourcen ausübt?
Energieeffiziente Produkte
Eine Antwort ist die Herstellung und Verbreitung energieeffizienter Produkte. 2010 gründeten lokale Handwerker im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit die Produktions- und Liefergenossenschaft „Zindagi“, was auf Tadschikisch „Leben“ bedeutet. Ihre Mitglieder haben sich auf die Herstellung energieeffizienter Produkte spezialisiert, um so den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu verringern. Mit dem von der Genossenschaft produzierten, energieeffizienten Kochofen kann ein Haushalt zum Beispiel bis zu 60 Prozent Brennmaterial im Vergleich zu einem traditionellen Ofen oder einem offenen Feuer einsparen. Man stelle sich vor, was dies für den Wald- und Tereskenbestand im Pamir bedeuten würde, wenn jede Familie auf einem solchen Ofen kochen könnte! Ferner gehören zur Produktpalette der Genossenschaft wärmeisolierende Türen, Fenster mit Doppelverglasung, Wärmetauscher, Wassererhitzer und einiges mehr.
Sabrali Lutfalijew ist Mitglied der ersten Stunde. Er erzählt: „Die energieeffizienten Produkte, die ich und die anderen Mitglieder der Genossenschaft herstellen, gibt es schon seit zwei, drei Jahren. Das GIZ-Projekt „Nachhaltiges Management natürlicher Ressourcen im Berg-Badachschan“ hat uns auf die Idee gebracht, diese Marktnische zu nutzen und Produkte herzustellen und zu verkaufen, die energieeffizient sind. Zusammen mit den Experten der GIZ haben wir die Produkte entwickelt.“ Lutfalijew schwärmt: „Am Anfang war ich skeptisch, aber die Produkte führen nicht nur dazu, den Druck auf unsere Wälder zu verringern, nein, auch die Kunden sind begeistert. Ich habe dieses Jahr bereits viele Aufträge erhalten und komme mit der Produktion von doppelverglasten Fenstern gar nicht nach.“ Die Produktion der energieeffizienten Technologien sichert Lutfalijew und den anderen Mitgliedern der Genossenschaft ein regelmäßiges Einkommen.
Vorteile der genossenschaftlichen Organisation
Die Idee, dass sich einzelne Handwerker in Form einer Genossenschaft zusammentun, entstand aus der Notwendigkeit heraus, große Probleme gemeinsam zu überwinden. Vorher mussten sich die Handwerker allein der Materialbeschaffung, der Produktion und dem Vertrieb stellen. Die Handwerker der Genossenschaft „Zindagi“ benennen die schlechten Transportwege und das fehlende Kapital als Hindernisse der Unternehmensentwicklung. Seit es die Genossenschaft gibt, übernimmt diese den Einkauf der Materialien sowie den Vertrieb der Produkte. Die Materialien müssen in Großeinkäufen, die zwei bis dreimal Mal pro Jahr stattfinden, in der 16 Autostunden entfernten Hauptstadt Duschanbe und im benachbarten China und Kirgisistan beschafft werden. Für die einzelnen Handwerker wäre das unbezahlbar.
Neben der Leistungserbringung für ihre Mitglieder und der Förderung der regionalen Wirtschaft erfüllt die Genossenschaft noch eine weitere Funktion: Sie verankert die Herstellung der energieeffizienten Produkte nachhaltig über den Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit hinaus im Pamir. Ziel ist es, dass die Genossenschaft durch die Mitgliedsbeiträge und durch Anteile an dem Verkauf der Produkte Ende dieses Jahres finanziell auf eigenen Füßen steht. „Bis dahin muss die Managementstruktur verbessert und die Produktion erhöht werden“, meint Entwicklungshelfer Livius Härer. An Nachfrage mangelt es nicht, momentan warten 80 Kunden auf ihre Bestellungen.
Auch die Armen sollen energieeffiziente Produkte erhalten
Durch die Zusammenarbeit von „Zindagi“ mit einer örtlichen Mikrofinanzorganisation werden auch Kunden mit geringem Einkommen gewonnen. Die Mikrofinanzorganisation vergibt Mikrokredite für energieeffiziente Produkte. Durch ihre Außendienstmitarbeiter berät sie die Bevölkerung auf den Dörfern aktiv zu den energieeffizienten Produkten und den Konditionen eines Kredites. Familien mit geringem Einkommen profitieren insbesondere von Brennstoffeinsparungen, da sich ihre Lebenssituation durch geringere Ausgaben für Brennmaterialien oder durch die Zeiteinsparung diese zu sammeln, erheblich verbessert.
Green Economy in Tadschikistan
„Zindagi“ ist ein erfolgreiches Beispiel für Green Economy. Durch die Verbreitung energieeffizienter Technologien gelingt es, den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu verringern, zur Entwicklung der Privatwirtschaft in der Region beizutragen und die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern.
Die Pamiris sind stolz darauf. Der Werbespruch von „Zindagi“ bringt dies zum Ausdruck: „S Pamira, dlja Pamira – Aus dem Pamir, für den Pamir.“
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Svenja Schuchmann ist Entwicklungsstipendiatin für Öffentlichkeitsarbeit und Wissensmanagement im GIZ-Projekt „Nachhaltiges Management natürlicher Ressourcen im Berge-Badachschan“ in Tadschikistan.