Dinara Assanowa hat die Frauenrechtsorganisation Women of Kazakhstan gegründet. Sie setzt sich dafür ein, dass die Leistungen von Frauen mehr Anerkennung in der Gesellschaft finden. Ihr Ziel ist es, ein Frauenmuseum in Almaty zu eröffnen, welches das Schaffen und die Geschichten von Frauen in Kasachstan dokumentiert. Sie möchte jungen Frauen lokale Vorbilder und Heldinnen präsentieren. Ende 2017 hospitierte sie mit dem CrossCulture Programm des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) drei Monate lang im Frauenzentrum Paula Panke in Berlin.
Alles begann mit ihrem Großvater. „Von ihm stammt die Idee, von Kasachstans Frauen zu erzählen, sich für ihre Rechte einzusetzen“, sagt Dinara Assanowa. Ihr Großvater war es auch, dem sie versprochen hatte, das erste Frauenmuseum der Welt zu eröffnen.
Assanowa ist Frauenrechtsaktivistin und Gründerin der zivilgesellschaftlichen Organisation Women of Kazakhstan. Die Mittdreißigerin, lange schwarze Haare, runde Brille, sitzt im Café des Kastejew-Museums in Almaty. Es ist Januar und das Museum zeigt in einer Sonderausstellung gerade die Werke von Aisha Galymbajewa anlässlich ihres 100. Geburtstages. Galymbajewa gilt als erste Frau, die in Kasachstan als professionelle Künstlerin tätig war.
„Schon der Großvater meines Großvaters, der in den 1930er Jahren als Lehrer arbeitete, fand, dass die Frauen in seinem Umfeld unterschätzt werden“, erzählt Assanowa. Deshalb begannen er und seine Kolleginnen Artikel und Bücher – die damals nur selten von weiblichen Autoren stammten – zu sammeln. „Sie hatten das Gefühl, dass Frauen mehr Achtung und Rechte zustehen.“ Mit der Zeit wurde der kleine Ordner ihres Ururgroßvaters immer dicker.
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Von der Wirtschaft in die Zivilgesellschaft
Assanowas Großmutter war eine der ersten Musikerinnen in Kasachstan nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie spielte in einem Orchester, dessen Mitglieder ständig im Haus der Großeltern ein– und ausgingen. Assanowa glaubt, dass die Sowjetzeit und die Russen einen wichtigen Beitrag zur Gleichstellung von Mann und Frau in Kasachstan geleistet haben. Durch sie fingen kasachische Frauen an, sich im Kulturbereich, in der klassischen Musik und Ballett zu emanzipieren.
Irgendwann entschieden ihre Großeltern, eine Art Altar für all die Frauen einzurichten, die nun begannen, erfolgreich zu sein. „Es ging darum anzuerkennen, welche wichtige Rolle Frauen in der Gesellschaft spielten, egal ob in der Kunst, in der Wissenschaft oder als Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg“, so Assanowa. Vor ungefähr zehn Jahren bat der Großvater sie dann, das erste Frauenmuseum zu eröffnen.
„Doch damals dachte ich nicht daran, mein Leben Frauenthemen zu widmen. Es ging nur ums Geldverdienen und beruflichen Erfolg“, sagt sie heute. Assanowa hat einen Bachelor in Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Politik abgeschlossen. Zehn Jahre lang arbeitete sie im Bau– und Ölsektor. Das Thema Gleichberechtigung beschäftigte sie trotzdem. „Jedes Mal, wenn ich bei einer Besprechung mit meinen Vorgesetzten war, hatte ich das Gefühl nicht ernstgenommen zu werden.“ Assanowa war damals Mitte Zwanzig und wollte sich mit der Begründung „Du bist eine junge Frau. Was weißt du schon?“ nicht abfinden. Sie dachte an ihre künftigen Kinder, die nicht in so einer Gesellschaft aufwachsen sollten.
Zwar verdiente Assanowa nicht schlecht, hatte aber immer mehr das Gefühl, dass sie etwas Sinnvolles tun wollte. Sie kündigte ihren Job und begann, sich für Frauenrechte einzusetzen. Sie wollte dem Wunsch ihres Großvaters entsprechen. 2016 gründete sie schließlich Women of Kazakhstan. Das weltweit erste Frauenmuseum gibt es zwar schon seit 1981 in Bonn, doch Assanowa kann und will zumindest das erste Frauenmuseum in Zentralasien eröffnen.
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Stereotype durchbrechen
Um diesen Plan voranzubringen, verbrachte sie im Herbst vergangenen Jahres knapp drei Monate in Deutschland. Mit dem CrossCulture Programm (CCP) des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) hospitierte sie von Oktober bis Dezember 2017 im Frauenzentrum Paula Panke in Berlin. Das Zentrum sieht sich als Ort des Austausches und der Gemeinschaft für Frauen, egal woher sie kommen oder wie alt sie sind. Es gibt Angebote für Frauen mit kleinen Kindern, die einfach mal von zuhause raus wollen, aber auch für ältere Damen, die sonst alleine wären. Man trifft sich zum Frühstück, zum Mittag; es gibt musikalische Abende.
„Das Zentrum macht viele großartige Aktivitäten. Es wird viel Wert auf Sozialarbeit gelegt. Außerdem gibt es Angebote für Migrantinnen. Sowas möchte ich auch in Kasachstan“, erzählt Assanowa begeistert. Besonders beeindruckt war sie von dem Einsatz der Menschen, die bei Paula Panke arbeiten und dem Umgang miteinander. Ihre größte Inspiration hat sie in Projektleiterin Astrid Landero gefunden. „Sie hat mir viele Ideen, Freude und Kraft gegeben, um meine Aktivitäten fortzusetzen. Ich habe meine Seelenverwandte in Berlin gefunden.“
Den größten Unterschied zwischen Frauen in Kasachstan und Frauen in Deutschland sieht Assanowa in den Stereotypen und dem gesellschaftlichen Druck. In Zentralasien heißt es oft, Frauen sollen verheiratet sein und Kinder haben. Ohne Mann und Kinder könne eine Frau nicht glücklich sein. „Frauen in Kasachstan sind zwar mehr oder weniger unabhängig, werden aber durch diese Stereotype daran gehindert, sich ihre Träume zu erfüllen und zu tun, was sie wollen – im Gegensatz zu Deutschland“, sagt sie.
Besonders fasziniert ist Assanowa von dem Wort „Lebensabschnittsgefährte“. Allein dieser Begriff drücke die persönliche Freiheit aus, eine Beziehung mit jemandem eingehen zu können, den man gerade will, ohne an das „Für immer und ewig“ zu denken und zu sagen „das ist die Person, mit der ich jetzt gerade, in diesem Moment glücklich bin“. In Kasachstan könne sie sich nicht vorstellen, so einen Begriff zu benutzen. „Frauen sollten wissen, dass sie nicht verpflichtet sind, das zu tun, was die Gesellschaft oder die Familie von ihnen erwarten. Wir müssen diese Stereotype durchbrechen“, sagt die Aktivistin entschlossen.
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Schwierige Finanzierung
Im Moment weitet Assanowa die Sammlung ihres Großvaters aus. „Während meiner Zeit in Berlin war ich häufig auf Flohmärkten unterwegs. Dort habe ich eine Menge Briefmarken erstanden, die Frauen aus aller Welt zeigen.“ Sie selbst habe bereits alle Briefmarken, die jemals in Kasachstan mit Abbildern bekannter Frauen erschienen seien. Außerdem arbeitet sie an einer Datenbank zu Frauen und einem Buch zu kasachischen Frauen im Zweiten Weltkrieg.
Ihr größtes Problem ist jedoch die Finanzierung. Es sei schwierig, Geldgeber für junge NGOs zu finden, die bisher keine Erfahrung in zivilgesellschaftlichem Engagement und dem Ausrichten großer Veranstaltungen haben. Daher hat Assanowa ihre Strategie geändert: Sie plant ein virtuelles Museum, ist in den sozialen Medien aktiv und betreibt mit einer Partnerin das Onlinejournal Women of Kazakhstan, in dem sie bedeutende Kasachinnen vorstellt. Insgesamt wird sie von fünf Freiwilligen in ihrer Arbeit unterstützt. Im Vorstand der NGO sitzen sechs Mitglieder.
Schon kurz nach der Gründung hatte Assanowa im Dezember 2016 ihre erste Ausstellung in der Nationalbibliothek Almaty, die derzeit ihr Hauptunterstützer ist. Die Nationalbibliothek stellt ihr kostenlose Ausstellungsräume zur Verfügung. Die Ausstellung kam so gut an, dass im vergangenen Jahr rund um den 8. März, dem internationalen Frauentag, zahlreiche Museen bei ihr anriefen. Über 20 Mal konnte sie so ihre Sammlung bereits präsentieren.
Mittlerweile hat sie auch von Seiten der Stadt die Möglichkeit erhalten, ein Museum zu eröffnen. Ihr Ziel ist es jedoch nicht, Museumsdirektorin zu werden. „Ich möchte einen Raum schaffen, in dem sich Menschen begegnen, Frauen zusammen arbeiten und kreativ werden.“ Im Moment arbeitet sie an einer Lösung, ihre Idee zu verwirklichen.
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Mehr Kooperation
Assanowa ist dem CCP dankbar dafür, dass sie die Chance erhalten hat, nach Deutschland zu kommen und dort auch ihre eigenen Pläne und Ideen zu verfolgen. Sie hat viele Museen besucht, mit Historikern gesprochen und viele Ideen für ihr eigenes Museum und ihr Buchprojekt mitgenommen. Vor allem Nürnberg mit seiner mittelalterlichen Architektur hat es ihr angetan.
„Ich habe viel gelernt, was ich in Zukunft nutzen kann“, sagt Assanowa, „vor allem die Art und Weise, wie Frauenorganisationen arbeiten“. In Berlin treffen sich die Frauenorganisationen alle zwei Wochen, um zu besprechen, wer welche Projekte durchführt und welche Gelder derzeit ausgeschrieben sind. Alles sei sehr transparent, meint sie. „In Kasachstan sehen sich die verschiedenen Organisationen als Konkurrenten an. Jede arbeitet für sich. Wenn Mittel oder Projekte für Frauenthemen ausgeschrieben werden, bewerben sich 15 verschiedene Organisationen.“
Dabei könne sich jede Organisation auf ihr Steckenpferd konzentrieren, wenn man kooperieren würde. Einige arbeiten im Bereich häuslicher Gewalt, andere zu LGBT. Women of Kazakhstan sei die einzige Frauenorganisation, die im Kulturbereich aktiv ist. „Ich habe den Traum, alle Frauenorganisationen in Almaty und Kasachstan zusammenzubringen und gemeinsam zu arbeiten“, so Assanowa.
Sie kooperiert bereits mit dem Gender Institut der Staatlichen Universität für die Ausbildung von Pädagoginnen in Almaty und arbeitete mit UN Women. „Wir brauchen mehr Organisationen und Foren, in denen sich die verschiedenen Gruppen austauschen können. Nur so kann der zivilgesellschaftliche Sektor wachsen.“ Seit ihrem Aufenthalt in Deutschland wisse sie, wie es funktionieren kann.
Durch das CCP hat Assanowa Kontakte zu Frauen und Aktivistinnen aus der ganzen Welt bekommen. „Eigentlich geht es uns gut in Kasachstan, wenn ich die Situation mit der von Frauen aus dem Nahen Osten vergleiche.“ Dennoch gebe es genug Probleme hier und auch in diesem Jahr werde sie rund um den 8. März mit ihrer Ausstellung durch Kasachstan touren.