Anfang des Jahres ging das lang erwartete IPO von Air Astana über die Bühne. Aus diesem Anlass wollen wir uns im neuen Teil unserer Finanzkolumne anschauen, wie ein IPO abläuft, warum es gemacht wird und ob sich Einzelaktien aus Kasachstan im Investmentportfolio lohnen.

Initial Public Offering oder kurz „IPO“ heißt, dass ein bisher privat gehaltenes Unternehmen erstmalig an einer Börse gelistet wird. Bei einem IPO bieten die bisherigen Eigentümer alle oder einige ihrer Aktien neuen Eigentümern zum Kauf über die Börse an. Alternativ ermöglicht ein IPO, eine Kapitalerhöhung durchzuführen – es werden gleichzeitig mit dem Börsengang neue Aktien geschaffen. Mit dem zusätzlichen Kapital kann z.B. das weitere Wachstum des Unternehmens finanziert werden.

Im Fall von Air Astana fand eine Kombination statt – die Alteigentümer haben einen Teil ihrer Aktien verkauft und es fand gleichzeitig eine Kapitalerhöhung statt. Da durch das IPO häufig eine Neubewertung des Unternehmens einhergeht und der neue Preis an der Börse öffentlich fixiert wird, ist dies auch für die bisherigen Eigentümer vorteilhaft. Sie bekommen einen Teil ihres bisherigen Investments in Form von Geld wieder und wissen, wie viel die Aktien, die sie behalten, aktuell wert sind.

Wird eine Aktie, die die Miteigentümerschaft an einem Unternehmen verbrieft, erstmals zum Kauf an der Börse angeboten, spricht man vom Primärmarkt. Sobald eine Aktie einmal an der Börse verkauft wurde, kann sie auf dem Sekundärmarkt von allen Investoren ge- und verkauft werden. Die allermeisten Transaktionen finden daher mit bereits an der Börse notierten Aktien auf dem Sekundärmarkt statt. In diesem Fall erhält das Unternehmen kein neues Kapital, sondern seine Anteile wechseln nur den Eigentümer.

Auch das Aktienunternehmen selbst kann eigene Aktien zurückkaufen. Air Astana hat dies bereits getan, um seine Mitarbeiter auch mit Aktien entlohnen zu können. Weitere Gründe für Aktienrückkäufe sind z.B. die Stützung eines fallenden Aktienkurses und/oder um Gewinne indirekt an die Aktionäre auszuschütten.

Bei Ankündigung eines IPO wird ein Wertpapierprospekt erstellt, der potentiellen Investoren einen transparenten Blick in die aktuellen Unternehmenszahlen und zukünftigen Geschäftsaussichten geben soll. Was vor dem IPO nur die Eigentümer wussten, wird im Prospekt und aufgrund der Mitteilungspflichten, die mit der Börsennotierung einhergehen, allen bekannt. Wer an einem IPO teilnehmen möchte, macht dann ein Kaufangebot und hofft, dass dieses angenommen wird.

Das IPO von Air Astana

Air Astana hat rund 366 Mio. Aktien ausgegeben, wobei so viele Eigentümer wie Aktien denkbar sind – wenn jede einzelne Aktie von einem anderen Investor gehalten würde. Wie viele Eigentümer Air Astana heute hat, lässt sich aber nur schätzen: Vermutlich sind es mehrere Zehntausend, da sich vor allem in Kasachstan viele Privatinvestoren am IPO beteiligt haben und auch tatsächlich Aktien kaufen durften. Beim Börsengang entscheidet das Unternehmen, wer wie viele Aktien auf dem Primärmarkt zu welchem Preise erwerben darf.

Große Börsen sind für Unternehmen attraktiv, weil sich dort viele Investoren mit viel Geld tummeln. Die Börsen in Kasachstan gehören allerdings zu den kleinen Börsen der Welt, so dass sie für große Unternehmen, wie z.B. Air Astana, nicht sonderlich attraktiv sind. Aktien, die an mehreren Börsen gehandelt werden können, ermöglichen es beim IPO, Investoren aus verschiedenen Ländern zu gewinnen.

Die Aktien von Air Astana wurden deshalb an drei Börsen und in unterschiedlichen Währungen angeboten. An der Kasachischen Börse (KASE) ist sie in Kasachischen Tenge und an der Londoner Börse (LSE) auch in US-Dollar gelistet. In London werden dabei sog. Global Depositary Receipts (GDR) gehandelt, die nicht nur eine Aktie, sondern gleich vier Aktien im Paket verbriefen. Bei einem GDR handelt es sich um ein Zertifikat, welches von einer zwischen Heimatbörse und Auslandsbörse geschalteten Depotbank herausgegeben wird, die die Aktien tatsächlich hält und neu verpackt. An der Astana International Exchange (AIX) kann die Aktie sowohl in KZT als auch USD, aber ebenso die GDR in USD gehandelt werden.

Je nach Börse, Wertpapier und Währung werden Tickersymbole und Internationale Wertpapierkennnummern (ISIN) genutzt. Wie das für Air Astana aussieht, zeigt die folgende Abbildung:

Wer sich als Investor für Air Astana interessiert, sollte also die richtige Börse und die richtige Währung wählen. An der KASE ist die Situation klar – man kann AIRA nur für KZT kaufen. An der AIX hingegen kann man die Aktie sowohl für KZT – AIRA – als auch für USD – AIRA.U – kaufen oder das GDR mit dem Tickersymbol AIRA.Y für USD erwerben. Tickersymbole sind dabei über Börsen hinweg nicht einheitlich, sondern dienen nur dazu, an einem Börsenplatz Verwechslungen zu vermeiden.

Verschiedene Währungen – verschiedene Preise

Der Preis einer Aktie wird von Angebot und Nachfrage an der Börse bestimmt, welche auf aktuellen Geschäftszahlen und vor allem Erwartungen über die zukünftige Geschäftsentwicklung einerseits und der allgemeinen Stimmung von Investoren andererseits beruhen. Wenn also zwei Investoren unterschiedlicher Meinung sind, ob eine Aktie teuer oder billig ist, kommt es zu einem Geschäft: Der eine will verkaufen und der andere ist bereit, zu kaufen. Es kann aber durchaus vorkommen, dass niemand kaufen oder verkaufen will – dann gibt es auch kein Geschäft und damit keinen aktuellen Börsenpreis.

Die Preise beeinflussen in unserem Beispiel auch der Wechselkurs Kasachischer Tenge – US-Dollar. Wie an den beiden Kursdiagrammen in Abb. 2 und Abb. 3 ersichtlich, verlaufen die Preiskurven ähnlich, aber nicht exakt gleich – dies ist den schwankenden Wechselkursen und der unterschiedlichen Situation bei Angebot und Nachfrage an den Börsen geschuldet.

Abb. 1: Kursdiagramm an der Londoner Börse LSE in USD, per 26.05.2024
Abb. 2: Kursdiagramm an der Börse Kasachstan KASE in KZT, per 26.05.2024

Aktionär werden oder nicht?

Aktien können ein wichtiger Bestandteil des Anlegerportfolios sein, wenn der Investor langfristige Ziele verfolgt – das investierte Kapital also mindestens fünf oder besser zehn Jahre nicht anderweitig gebraucht wird. Die Teilnahme am IPO von Air Astana hätte bisher wenig Freude gemacht – zwar ist der Aktienpreis nach dem IPO kurz gestiegen, dann aber gefallen. Da unklar ist, wie sich die Geschäfte der Fluglinie über die nächsten fünf bis zehn Jahre entwickeln, spielt dies vor dem langfristigen Anlagehorizont allerdings keine große Rolle und ist auch nicht vorhersagbar.

Wichtiger ist etwas anderes. Frei nach dem Motto „Nicht alle Eier in einen Korb legen“ macht es selten Sinn, Aktien nur eines einzelnen Unternehmens zu kaufen. Diversifikation, d.h. der Kauf von vielen Aktienunternehmen, hat sich als eine Strategie etabliert, die das Risiko eines Verlustes auf mehrere Schultern verteilt. Geht ein Unternehmen Pleite, ist nicht das gesamte Vermögen weg.

An der KASE sind 56 und an der AIX 10 verschiedene Aktien gelistet. In einigen Fällen ist eine Aktie – wie z.B. Air Astana – an beiden Börsen gelistet, so dass es insgesamt an kasachischen Börsen nur knapp 60 unterschiedliche Unternehmen sind. Wer alle kaufen wollen würde, bräuchte Kapital, müsste Glück haben, dass die Aktie tatsächlich zu kaufen (und später auch zu verkaufen!) ist, und sich außerdem überlegen, wieviel von welchem Unternehmen gekauft wird. Alternativ ist es möglich, an der KASE Air Astana als Teil eines Korbs mit Aktien in Form eines ETF (Tickersymbol IE_FXBF, ISIN IE00BG0C3K84), der die zehn größten kasachischen Unternehmen enthält, zu kaufen. Hier sind zwar neben den üblichen Verkaufsspesen für den Broker und/oder die Börse zusätzliche Kosten zu tragen, allerdings sorgt der ETF-Anbieter für eine durchgehende Möglichkeit, dieses Wertpapier zu kaufen und zu verkaufen.

Aufgrund des kleinen kasachischen Marktes erscheint dies alles relativ kompliziert. In der Praxis ist ein Kauf aber nicht schwieriger als eine Online-Überweisung. Entscheidender ist jedoch, ob das Finanzinstrument zu den eigenen Zielen und zum Risikoprofil passt. Ob nun im Portfolio Einzelaktien direkt oder als Teil eines Aktien-ETFs enthalten sein sollten, ist für kasachische Aktien aufgrund der geringen Größe der Börsen keine ganz einfach zu beantwortende Frage.

Tobias Stüdemann

Über den Autor: Tobias Stüdemann interessiert sich, seit er im Alter von 10 Jahren ein Sparbuch eröffnet hat, für finanzielle Themen, investiert seit über 20 Jahren und engagiert sich für finanzielle Bildung mit Hilfe von Kolumnen, Kursen und Konsultationen. Dieser Artikel ist keine Investmentberatung. Fragen, Kritik, Anregungen: daz.finanzkolumne@gmx.de

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