Das Ende der weltweiten  Rezession ist nah – so oder ähnlich jubeln im Moment die meisten großen Wirtschaftszeitungen. Doch die anstehende Erholung dürfte eher verhalten ausfallen, die jetzt erst voll einsetzende Arbeitslosigkeit und die gewaltigen Defizite der Staatshaushalte werden das Wachstum der Wirtschaftsleistung über ein zaghaftes Niveau hinaus kaum erlauben. Hoffnungsträger für die Welt ist dabei erstmals nicht wie in der Vergangenheit die US-Wirtschaft, sondern China.

Die Verbraucher in den USA halten ihre Taschen zu, sie sparen erstmals seit längerem wieder einen beachtlichen Teil ihrer Einkünfte, ein Großteil von ihnen wird noch längere Zeit von der Immobilienkrise finanziell gelähmt sein und die Kreditkartenkrise hat mit hoher Wahrscheinlichkeit noch gar nicht angefangen.

Anders China. Das Land hat wie alle wichtigen Staaten auch große Programme zur Belebung der Konjunktur aufgelegt, doch anders als die meisten Länder, die sich dafür Geld auf den Kapitalmärkten borgen müssen, hat China enorme eigene Devisenreserven. Allein in Pekings Topf für den Ausbau der Infrastruktur und andere Zukunftsprojekte stecken etwa 420 Milliarden Euro. Chinas Automarkt hat im Juli erstmals den der USA übertroffen: 6,1 Millionen Fahrzeuge  konnten die Hersteller im ersten Halbjahr absetzen, fast ein Fünftel mehr als ein Jahr zuvor. Die Regierung in Peking hat zudem die Schleusen für eine großzügige Kreditvergabe an die Realwirtschaft geöffnet. Im Unterschied zu den Industriestaaten, wo die Zinssätze durch die Nationalbanken auf ein historisches Tief geschleust wurden, kommt das Geld in China aber offensichtlich bei den Unternehmen auch an und bleibt nicht im Bankensektor stecken. Das gibt der Wirtschaft insgesamt einen beachtlichen Schub. So wird für dieses Jahr, das ja ein weltweites Krisenjahr ist, für China ein Wachstum des BIP um 7,2 % vorhergesagt.

Für die klassischen Industriestaaten werden ähnliche Zahlen prognostiziert, allerdings mit einem Minus davor. Dennoch ist es natürlich auch für China noch zu früh zum allzu lauten Jubeln. Chinas Wirtschaft ist nun einmal nach wie vor sehr stark vom Export abhängig, so dass es Grenzen dafür gibt, wie lange und wie stark das Land vom globalen Entwicklungspfad abweichen kann. Das chinesische Konjunkturprogramm ist bisher nur für 2009 ausgelegt, die Exporte haben aber noch längst nicht das alte Niveau erreicht. Also wird man wohl im nächsten Jahr noch einmal viel Geld bereitstellen müssen, um das Wachstum zu stabilisieren.

Stetiges und hohes Wachstum hat für China deshalb eine besondere Bedeutung, weil die Mehrzahl der Massen kaum Erspartes hat und deshalb unbedingt ausreichend Arbeitsplätze vorhanden sein müssen, um das Land wirtschaftlich und damit auch politisch stabil zu halten. Im bisherigen Verlauf der Krise sind mehrere Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen und das in einem Land, das immer noch bis zu 200 Millionen Unterbeschäftigte hat. Auch aus diesem Grund mahnt der Internationale Währungsfonds (IWF) China bereits zum wiederholten Male, mehr gegen die wachsende Arbeitslosigkeit zu tun. Das schnelle Handeln seitens der Regierung in der Krise – so der IWF – sei gut gewesen, doch die Arbeitsplatzverluste in der Exportindustrie sind alarmierend.

Viel Geld im Wirtschaftskreislauf ist auch in China, wo die Regierung im Unterschied zu den westlichen Demokratien viel durch Kommandos steuern kann, nicht immer von Vorteil. Denn die momentan sehr offenen Geldschleusen initiieren einige eher beunruhigende Tendenzen: Da es in China noch kein großflächiges System der sozialen Absicherung gibt, wollen und müssen viele Chinesen ihre Ersparnisse möglichst gewinnbringend anlegen. Mangels Alternativen spekulieren sie überproportional viel an der Börse und investieren in Immobilien. In der Folge hat sich der Börsenindex in Shanghai seit Jahresbeginn bereits um 80 % erhöht, was natürlich in keinerlei Hinsicht die wahre Situation der Realwirtschaft widerspiegelt. Die Preise für Appartements in Peking sind seit Jahresanfang um 30 % gestiegen, trotz großer Leerstände und mitten in der Krise.

Es wäre besser, wenn die Chinesen ihr Geld in nachhaltige Wachstumsbereiche investieren könnten, doch dazu fehlt es neben der notwendigen Infrastruktur auch an Wissen. So ist die Gefahr groß, dass das vorhandene gute Wirtschaftswachstum durch Übertreibungen im Geldbereich gefährdet werden könnte. In den letzten Tagen hat nun die chinesische Regierung versucht, das Entstehen eigener Spekulationsblasen zu erschweren. Doch die dazu durchgeführte Erhöhung der Zinssätze verteuert nun auch wieder die Kredite für die Realwirtschaft, was deren Erholung und Umstrukturierung erschwert oder gar gefährdet. China ist und bleibt dennoch der Hoffnungsträger der Weltwirtschaft, einen Automatismus des Erfolgs gibt es aber nicht.

Bodo Lochmann

07/08/09

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