Claus Dieter Storm ist im Rahmen des kasachstanisch-deutschen Lehrerentsendeabkommens als Fachberater für Deutsch in Kasachstan. Er betreut ausgewählte Schulen mit vertieftem Deutschunterricht und ist Prüfungsvorsitzender für das Deutsche Sprachdiplom
Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Ministerin für Bildung und Wissenschaft war es zu verkünden, dass die Lehrergehälter deutlich angehoben werden sollten. Man sprach von einem Plus von mehr als 30 Prozent. Im Juni oder im Juli soll diese Erhöhung nun stattfinden. Nur: Wieso im Juni, wenn die reduzierte Gehaltszahlung wegen der angeordneten Urlaubszeit für die Lehrer beginnt? Wäre es nicht besser gewesen, wenn das Schuljahr mit einer würdigen Belohnung für die Lehrenden geendet hätte?
Wenn der Kommentator in einzelnen Schulen fragt, was man sich dort von der angekündigten Lohnerhöhung erwartet, dann erntet er meist Kopfschütteln und ein mitleidiges Lächeln: In Westkasachstan (dort ist man anscheinend sehr offen und direkt) wurde der Schule mitgeteilt, es gebe für die Lehrenden nicht mehr Geld. Im Süden erfährt der Kommentator, dass zeitgleich mit der angekündigten Erhöhung der Lehrergehälter eine grundsätzliche Revision der Gehaltskategorien stattfindet: Alle höheren Gehaltskategorien (13. und 14. Kategorie) werden „überprüft“.
Das heißt im Klartext, dass sie wohl erst einmal gestrichen werden. Wenn eine Lehrkraft diese Kategorie dennoch erhalten will, dann muss sie eben „besondere Leistungen beweisen“. Dieser Gedanke ist im Grunde ganz einleuchtend: Mehr Können – mehr Leistung – mehr Gehalt. Doch wie sollen diese besonderen Leistungen nun bewiesen werden?
Da wird zum Beispiel verlangt, dass die Lehrer eine umfangreiche methodische Publikation vorweisen müssen. Das können nur die wenigsten – und wer so etwas kann, kann das vielleicht nur, weil er oder sie Beziehungen hat oder das Geld für solch eine Publikation. Über das wirkliche methodische, unterrichtliche Können ist mit solchen „Beweisen“ noch nichts ausgesagt.
Ein anderer „Beweis“ sei es, so heißt es, wenn ein Schüler dieser Lehrerin in einem internationalen Wettbewerb einen vorderen Platz erhalte. Nur ein verschwindend geringer Prozentteil der Schüler nimmt aber an solchen Wettbewerben teil, und fast immer nur einzelne Schüler aus einer höheren Klasse. Solche ein Kriterium bedeutet aber, dass nur wenige einzelne Lehrkräfte aus einer oberen Klasse es erfüllen können.
Wirkliches fachliches, methodisches, pädagogisches Können wird damit aber nicht berücksichtigt. Die Folge: Hunderte, Tausende hochtalentierter, erfolgreicher Lehrkräfte aus den unteren und mittleren Klassen gehen leer aus. Mehr noch: Weil die meisten der wirklich guten Lehrer die oben genannten Kriterien nicht erfüllen können, werden sie wohl in ihrer Kategorie und damit in ihrem Gehalt reduziert.
Die Kriterien der Neueinstufung in Kategorien sind dem Kommentator nicht vollständig bekannt. Anscheinend wissen auch die Schulen nur bruchstückhaft darüber. Wenn das, was man so erfährt, aber stimmt, dann sind wir Zeuge eines Umwandlungsprozesses: Wir erleben, wie aus einer gut gemeinten bildungspolitischen Ankündigung, die schulische Bildung, die Leistungen und die Effektivität zu stärken, ein bloßes Märchen wird.
Das ist gemäßigt formuliert. Man könnte aber auch denken -und das wäre die Variante, die nachdenklich stimmen müsste-, dass auf der Ebene der Oblaste und Städte der gute politische Wille des Bildungsministeriums durch administrative Spitzfindigkeiten fast vollständig zunichte gemacht wird.