Zu den längerfristigen Baustellen im Geld- und Finanzsystem Kasachstans gehört neben der Inflation, dem Bankensektor und Außenschulden auch das Rentensystem. Hier ist vor zwölf Jahren ein Quantensprung gewagt worden, weg vom staatlich garantierten Solidarsystem, wie es im Moment in Deutschland vorherrscht, hin zum kapitalgedeckten Rentensystem nach dem chilenischen Vorbild.
Die Strategie ist nicht schlecht, denn das deutsche Solidarsystem funktioniert nur so lange reibungslos, wie es genügend Einzahler in einen gemeinsamen Rententopf gibt, aus dem die Rentner ihre Pension bekommen. Gespart wird in einem solchen System nichts. Es funktioniert wie ein Durchlauferhitzer, der darauf aufbaut, dass es immer genügend Einzahler gibt. In Deutschland ist das immer weniger der Fall, so dass das dortige System dringend reformbedürftig ist.
Aus dieser Sicht ist das kasachische System nach chilenischem Vorbild progressiver als das deutsche. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail. Bekanntlich werden in Kasachstan zehn Prozent vom Gehalt auf ein individuelles Rentenkonto überwiesen. Mittlerweile existieren etwa acht Millionen Konten, folglich ist eine ganze Reihe Menschen hierzulande nicht im Rentensystem organsiert. Das sind vor allem Freiberufler und auch die vielen nichtoffiziellen Taxifahrer, die offensichtlich nicht an ihre Rentenzukunft denken. Das ist das erste Problem des Systems, welches jedoch nicht zu den Systemfehlern gehört.
Gegenwärtig verwalten 15 privat gemanagte Rentenfonds immerhin 2.258 Milliarden Tenge Rentenbeiträge. Das klingt auf den ersten Blick gewaltig, macht jedoch pro zukünftigen Rentner im Moment nicht einmal 300.000 Tenge aus. Das reicht vielleicht für ein Jahr, aber auch nur, wenn man die Zähne zusammenbeißt. Die meisten Menschen konnten eben erst etwa zehn Jahre ansparen und haben noch 20 oder 30 Jahre vor sich. Aber die einfache Hochrechnung verheißt nichts Gutes. Mit mehr als vielleicht anderthalb Millionen Tenge auf dem Rentenkonto werden nach heutigem Stand die meisten Leute kaum rechnen können.
Nun kann man einwenden, dass es ja möglich ist, mehr als die genannten zehn Prozent zu sparen. Bei den heutigen Gehältern ist das für die allermeisten Leute kaum möglich. Also wird sich der Staat nach dem Start der Auszahlungsperiode der Renten von den privaten Konten kaum aus der Rentenversorgung zurückziehen können, wie es ursprünglich geplant war. Dennoch wird eine Verringerung der staatlichen Rentenversorgungspflicht erreicht werden, einschließlich einer Erhöhung des Bewusstheitsgrades vieler Menschen, ihre Zukunftsvorsorge wenigstens teilweise selbst in die Hand zu nehmen.
Das größte Problem des kapitalgedeckten Rentensystems Kasachstans liegt jedoch im Moment weniger in der Zukunft, sondern in der Gegenwart. Zwar weisen alle Rentenfonds über einen Zeitraum von fünf Jahren oder länger positive Kapitalerträge aus, doch diese schwanken sehr stark. So beträgt der Fünfjahresertrag des Rentenfonds der BTA-Bank für 2006 bis 2010, der aus Zinsen von Anleihen und zu einem geringen Teil aus Aktiendividenden besteht, etwa 70 Prozent, während der von „UlarUmit“ nur 31 Prozent ausmacht. Im Durchschnitt haben alle Rentenfonds 41 Prozent Kapitalertrag über fünf Jahre erwirtschaftet.
Nach deutschen Verhältnissen ist das gar nicht so schlecht, doch den großen Unterschied macht die Inflation aus. Diese beträgt in Kasachstan für den genannten Zeitraum 61 Prozent. Folglich haben die hiesigen Rentenfonds im Durchschnitt die Kaufkraft des gesparten Geldes um etwa 20 Prozent verringert. Von allen 15 Rentenfonds ist es lediglich dem BTA-Fonds gelungen, die Kaufkraft des eingezahlten Geldes zu erhalten, aber auch hier bleibt ein wirklicher Ertrag ein Wunschtraum.
Nun kann man zur Verbesserung der Lage an verschiedenen Punkten ansetzen. Zuerst am nominalen Ertrag. Das ist schwierig, denn die Fonds dürfen fast nur in hiesige Staatsanleihen investieren. Diese liegen bei vier bis fünf Prozent Rendite, decken also die Inflation nicht ab. Hauptsächlich sollte deshalb an einem Rückgang der Inflation gearbeitet werden. Allzu viel Hoffnung macht sich da nicht breit. Zumindest in diesem Jahr dürfte es sehr schwer werden, unter der Marke von acht Prozent zu bleiben. Mittelfristig bis zum Jahr 2015 rechnet man mit etwa sieben Prozent Inflation als unvermeidlich. Auf absehbare Zeit wird sich das Rentenproblem verschärfen.