Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien, Kohleausstieg, korrekte Müllentsorgung, postfossile Wirtschaft – all das sind große Worte, doch was steckt dahinter? Die DAZ im Gespräch mit dem kasachischen Journalisten und Herausgeber des Magazins „The Ecolomist“ Daurzhan Augambay.

Können Sie uns ein bißchen von Ihrem Magazin und seiner Entstehungsgeschichte erzählen? Welche Idee verfolgen Sie mit „The Ecolomist“?

Die Idee entstand aus verschiedenen Diskussionen hier in Kasachstan rund um das Thema Ökologie, wie zum Beispiel Abfallrecycling, Umweltschutz oder die fortschreitende Entkarbonisierung. Leider sind nicht viele Menschen in Kasachstan gewillt, ökologisch orientiert zu leben. Ich habe einfach angefangen, meine Umgebung zu analysieren, und bemerkt, dass die meisten nicht wissen, wie sie ihren Müll trennen sollen. Also begann ich, über die Entwicklung der ökologischen Kultur in Kasachstan nachzudenken.

Ich habe mich gefragt, wie man diese Kultur unterstützen und erweitern könnte, und wie man Menschen dazu bringt, sich mit diesen Themen und ihrer gesellschaftlichen Relevanz zu beschäftigen. Ich möchte, dass sie stärker über die Zukunft dieser Erde nachdenken, weil wir schon in zwei bis drei Jahrzehnten von einem ökologischen Desaster überrannt werden, dem wir nichts entgegensetzen können.

Statt meine Recherchen und Ideen in den sozialen Medien zu teilen, entschied ich mich dafür, eine Plattform zu gründen, auf der man über ökologische Probleme diskutieren kann. Deshalb habe ich mich regelmäßig mit den Botschaftern der EU, aus Japan, Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden getroffen und plane auch, die Botschafter von Schweden und Ägypten zu kontaktieren, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie sie in ihren Ländern mit diesen Problemen umgehen. Die internationale Erfahrung zeigt, dass es eine enge Wechselwirkung zwischen Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft gibt: Wenn Regierungen bestimmte Gesetze und Regelungen erlassen haben, dann hat sich auch das Verhalten der Bevölkerung schrittweise verändert, und die Wirtschaft hat dann begonnen, sich stärker ökologisch zu orientieren.

Kasachstan ist natürlich noch nicht so weit wie Deutschland, dennoch zeigen sich Fortschritte. Unsere Reise hat gerade begonnen. Vor kurzem wurde ein neues Umweltgesetz erlassen, und Kasachstan hat seine Bereitschaft erklärt, bis zum Jahr 2060 den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Wir müssen die effektive Mülltrennung entwickeln, und auch für Unternehmen gibt es nun eine bessere Infrastruktur für die Müllentsorgung. Wenn wir diese Kultur erweitern und landesweit implementieren wollen, dann wird auch die einfache Bevölkerung umdenken. Wir können uns dabei an anderen Staaten orientieren. Länder wie Deutschland haben schon viel Zeit, Energie und Geld in eine nachhaltige Umweltpolitik investiert. Wir können diese Pläne übernehmen und sie an unsere Bedingungen, an unsere Mentalität anpassen.

Ihr Ziel ist also, das individuelle Verhalten von Bürgern ökologischer zu gestalten. Was machen wir dann mit Unternehmen, die eine noch größere Verantwortung für die Umweltzerstörung tragen?

In diesem Fall müssen wir über die 17 Ziele der UN für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – kurz SDGs, Anm. Red.) sprechen. Dabei handelt es sich um ein Dreiecksverhältnis zwischen der Regierung, der Gesellschaft und der Wirtschaft. Diese Ziele, zusammengestellt von der UN, sind eine Art Fahrplan für uns und betreffen die ganze Menschheit: Hunger, Zugang zu sauberem Wasser und grünen Energien, nachhaltiger Konsum, die Erhaltung von Flora und Fauna, und viele andere. Wenn wir uns alle mit den gleichen Problemen konfrontiert sehen, dann macht es Sinn, diese gemeinsam zu lösen. Natürlich müssen diese Ideen lokal angepasst werden, aber im Kern stellen die SDGs die Basis für eine funktionierende Beziehung zwischen Regierung, Gesellschaft und Wirtschaft dar und können den Dialog zwischen den einzelnen Parteien verbessern.

Andererseits verhindern oder verlangsamen bürokratische Prozesse und ein Mangel an Wissen über SDGs diese Entwicklungen. Gleichzeitig besitzt die Regierung viel legislative Macht, um nachhaltige Standards, Normen und Gesetze zu erlassen, mit denen Unternehmen und Privatbürger dann umgehen müssen. Wir müssen daher darauf achten, dass diese drei Bereiche eng zusammenarbeiten.

Wie kann das sichergestellt werden?

Dafür sind die ESG-Werte wichtig. Die messen nämlich, wie stark sich ein Unternehmen für Umwelt und Gesellschaft einsetzt und über bloße Gewinnmaximierung hinausgeht, indem es Nachhaltigkeit zu einem der Unternehmensziele erklärt. Die ESG-Werte zeigen uns also, dass es für Unternehmen durchaus möglich ist, ihre Regeln, Standards und Produktionsverhalten zu ändern. Einige haben vielleicht früher Flüsse verschmutzt, achten aber heute auf ihre Produktionsprozesse, andere investieren Teile ihres Gewinns in erneuerbare Energien. Ein großes Problem ist leider das Phänomen des Greenwashing, das weltweit auftritt. Es gibt Unternehmen, die öffentlich ein umweltbewusstes und nachhaltiges Image pflegen, aber in Wirklichkeit weiterhin der Umwelt schaden.

Welche Rolle spielt dabei der Begriff der grünen Ökonomie?

Grüne Ökonomie bedeutet Kreislauf-Ökonomie. Wenn wir beispielsweise Plastik produzieren, können wir das in ein neues Produkt umwandeln, und nachdem dieses Produkt benutzt wurde, kann es erneut umgewandelt werden – wieder und wieder. Das wäre die gleiche Idee wie bei Biomüll. Aus Biomüll kann Gas hergestellt werden, Tiernahrung oder Düngemittel für den Boden. Durch dieses Düngemittel wird die Erde mit Nährstoffen angereichert, dann können Obst oder Gemüse angebaut und konsumiert werden. Jeder Wirtschaftssektor – ob Agrarwirtschaft, Industrie, IT oder andere – kann also mit dem gleichen Schema arbeiten und nachhaltiges Equipment einführen.

Besonders der IT-Sektor ist wichtig für Digitalisierungsprozesse und kann den Papierverbrauch minimieren, aber auch allgemeine Arbeitsprozesse vereinfachen und verständlicher machen. Die Öl- und Kohleindustrie müsste sich ebenso grundlegend verändern. Das heißt, jeder Wirtschaftssektor sollte sich sozial verantwortlich zeigen und zum Beispiel Aufforstung, Wasseraufbereitung oder den Schutz von Biodiversität finanziell unterstützen. Das Ziel der grünen Ökonomie ist, alle Länder und alle Wirtschaftsbereiche mit der gleichen Philosophie zu verbinden. Das wäre eine gemeinsame Strategie, die Umwelt zu schützen.

Von der globalen zurück zur lokalen Ebene. Welche Klimaprobleme gibt es zurzeit in Kasachstan?

Es gibt viele ökologische Probleme in Kasachstan, ebenso wie in vielen anderen Ländern auf der Welt. Aber unser aktuell größtes Problem ist der Mangel an Wasserressourcen. Der Aralsee war bis in die 1960er Jahre der größte Salzsee Zentralasiens. Er war ein richtiges Paradies für Tiere und voll mit Fischen. Als die Sowjetunion umstrittene Agrarprojekte für die Umwelt einleitete, wurde der Wasserzugang des Aralsees blockiert und das Klima veränderte sich dramatisch. Von Jahr zu Jahr verlor der Aralsee an Volumen und trocknete aus. Der nördliche Teil des Sees liegt heute in Kasachstan, und das Wasservolumen steigt wieder. Der südliche Teil des Sees, der in Usbekistan liegt, ist leider verschwunden. Kasachstan versucht, den See wieder mit Wasser zu füllen, und geht dabei gut vor. Allerdings erweist sich das als schwierig, weil der Wasserzugang hier abhängig ist von dem Wasser, das aus Kirgisistan, Tadschikistan, China und Russland kommt. Wir haben also immer zwei saisonale Szenarien auf jährlicher Basis: Entweder, das Wasser wird im Ausland geblockt und wir erleben hier ein Wasserdefizit, oder das Wasser wird plötzlich freigegeben und bei uns gibt es in den gleichen Perioden Überflutungen.

Das ist für uns schwer zu kontrollieren, deshalb müssen wir in ständigem Kontakt und Dialog mit unseren Nachbarstaaten sein. Nicht nur der Aralsee, auch der Balchaschsee und das Kaspische Meer kämpfen mit Problemen aufgrund der industriellen Aktivitäten in der Umgebung. Man muss aber auch bedenken, dass die Ökologie keine Grenzen kennt. Das Klima in einem Land ist abhängig von dem Klima in einem anderen. Der Sand und der Staub vom Grund des Aralsees zum Beispiel erreichen sogar die skandinavischen Länder und die Arktis. Demgegenüber können Klimaveränderungen in unterschiedlichen Teilen der Erde das Klima in unserer Weltgegend beeinflussen. Besonders die Waldbrände im Süden Russlands verschmutzen die Luft und der Aschestaub gelangt bis nach Kasachstan. Deshalb ist die jährliche UN-Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP, Anm. Red.) eine gute globale Plattform, wo gemeinsame ökologische Probleme besprochen werden können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Antonia Skiba.

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