Wie kann ein Massenmörder gleichzeitig wie ein Popstar verehrt werden? Dieser Frage geht die Ausstellung „Der rote Gott – Stalin und die Deutschen“ im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen nach.

Obwohl unter seiner Herrschaft mehrere Millionen Menschen in Arbeitslager oder Gefängnisse gesperrt wurden und dort zu Tode kamen, wurde der Generalissimus Stalin verehrt wie ein Popstar – auch in Deutschland. In den jungen Jahren der DDR schmückten riesige Bilder und Stalin-Denkmäler Ost-Berlin und andere DDR-Städte. Sogar Fabriken und Straßen trugen seinen Namen. Einige Kultobjekte des Stalinismus sind seit dem 26. Januar nach Berlin zurückgekehrt, an einen Ort, der auch an die dunkle Vergangenheit dieser Zeit erinnert: Im Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen führt die Ausstellung „Der rote Gott – Stalin und die Deutschen“ den Besuchern vor Augen, wie der Personenkult um Stalin in den frühen Jahren der DDR entstanden war.

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Stalin-Statue aus der Mongolei

Vor dem Eingang der Ausstellung im Gefängnis-Innenhof liegt der Abguss der Stalin-Statue des sowjetischen Bildhauers Nikolai Tomski, die bis zur Entstalinisierung 1961 in der damaligen Stalin-Allee (heute Karl-Marx-Allee) stand. Dieses Objekt stammt aus der Mongolei und wurde extra für die Ausstellung nach Berlin gebracht.

Ein liegender Stalin in einem ehemaligen Stasi-Gefängnis verdeutlicht den Gegensatz zwischen der Realität, Propaganda und dem Personenkult um den sowjetischen Diktator. Zusätzlich illustrieren Fotos und Filmaufnahmen die gesamte Bandbreite der eingesetzten Propagandamittel. „Der propagandistisch verbrämten Bilderwelt setzt die Ausstellung die maßlose Gewaltanwendung beim Umbau der Gesellschaft entgegen. Sie schildert die verschiedenen Stationen zur Errichtung der stalinistischen Diktatur in Ostdeutschland und dokumentiert die brutale Unterdrückung der politischen Gegner“, erklärt Kurator Andreas Engwert das Konzept.

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Die Macht der Worte und Bilder

Chronologie des Stalinkults.
Chronologie des Stalinkults. | © Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Was war so faszinierend an dem Massenmörder Stalin? Bisher sind 17.000 Besucher der Ausstellung dieser Frage nachgegangen. Sie entdecken dabei zum Beispiel, dass Stalin für seine Biografie sein eigenes Geburtsdatum gefälscht und sich damit um ein Jahr jünger gemacht hatte. Er ließ gar ehemalige Weggefährten, die er hatte umbringen lassen, wie Leo Trotzki, aus Bildern wegretuschieren. Diese Maßnahme hatte Orwell in seinem dystopischen Roman „1984“ wieder aufgegriffen. Darin „korrigiert“ die Figur Winston Smith Texte und Bilder nachträglich, um einer Geschichtsschreibung eines totalitären Überwachungsstaates zu entsprechen.

Neben Losungen wie „Studiert Stalin – lernt von Stalin – kämpft mit Stalin“ gibt es unter anderem Todeslisten zu sehen. 1945 wurden zum Tode verurteilte Deutsche nach Moskau geschickt, um dort erschossen zu werden.

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Personenkult im Haus des SED-Terrors

Später geschah der Terror des neuen Regimes am heutigen Ausstellungsort. In Hohenschönhausen hatten die Sowjets 1946 ein Speziallager eingerichtet. Dies war für Kurator Engwert ein Grund, den Stalinkult ins ehemalige Stasi-Gefängnis zu bringen. „Am Haftort Hohenschönhausen waren zahlreiche Gefangene Opfer stalinistischer Repression. In der Ausstellung wird an einigen Stellen konkret von Menschen berichtet, die entweder in die Mühlen der stalinistischen Parteisäuberungen gerieten oder anderen Maßnahmen stalinistischer Politik zum Opfer fielen und daher in Hohenschönhausen inhaftiert wurden“, sagt er.

Der Stalinismus legte die Grundlage für ein repressives politisches System in Ostdeutschland, das in abgeschwächter Form bis 1989 Bestand hatte. Protagonisten des Stalinkultes in der frühen DDR wie SED-Machthaber Walter Ulbricht bestimmten lange Jahre die Politik der DDR. Erich Honecker war als FDJ-Chef glühender Stalinist und bis 1989 an der Macht. In der DDR hat es praktisch keine kritische Auseinandersetzung mit der eignen stalinistischen Vergangenheit gegeben.

Dies verdeutlicht ein Interview von 1962 eines US-amerikanischen Fernsehsenders mit Ulbricht am Ende der Ausstellung. Darin beteuert der Gründer der DDR, dass es keinen Stalinismus in der DDR gegeben habe. Dies war lediglich eine weitere Lüge. Er hatte die Menschen bereits 1961, zwei Monate vor dem Bau der Berliner Mauer, an der Nase herumgeführt: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Dominik Vorhölter

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