Lastenfahrräder kommen in europäischen Städten schon länger zum Einsatz. Sie sollen helfen, den urbanen Verkehr geräuschloser zu machen und Emissionen zu senken. Seit dieser Woche hat auch die Stadt Almaty ein „Cargo Bike“ – dank eines gemeinsamen Projekts der DKU mit der OVGU Magdeburg, das vom Auswärtigen Amt sowie dem DAAD finanziert wird.

Im deutschen Bundestagswahlkampf spielen Umwelt und Nachhaltigkeit eine herausragende Rolle. Erst kürzlich ist dabei ein Gefährt auf der Tagesordnung aufgetaucht, das der Bevölkerung jenseits von urbanen Ballungsräumen bislang wenig bekannt ist: das Lastenfahrrad. Konzipiert als meist elektrisch betriebenes Transportmittel, soll es den Menschen in Städten und deren Umland helfen, klimaneutral Einkäufe nach Hause zu bringen und unabhängiger vom Auto zu werden.

Somit soll es einen Beitrag zur viel beschworenen Mobilitätswende leisten. Das wollen sich die Grünen um Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock einiges kosten lassen. So erneuerte die Partei nun im Wahlkampf ihre schon länger bestehende Forderung, der Bund solle den privaten Erwerb von Lastenrädern mit einer Milliarde Euro subventionieren. Konkret sollen so eine Million Räder mit je 1.000 Euro bezuschusst werden.

Die Teilnehmer der Präsentation. Zweiter von links: Dr.-Ing. Tom Assmann.

Kritik für den Vorstoß kommt von der politischen Konkurrenz, die das Vorhaben als weltfremd und kostenintensiv ansieht. Mobilitätsverbände und Forschungseinrichtungen äußern sich dagegen positiv. „Cargo Bikes helfen, den Verkehr sicherer und sauberer zu machen und die CO2-Emissionen zu reduzieren“, argumentiert etwa Tom Assmann vom Institut für Logistik und Materialflusstechnik der OVGU Magdeburg. Das Potential schätzt er als groß ein. „Wenn man es richtig angeht, kann ein Cargo-Bike einen kompletten Diesel-Van ersetzen.“ In der EU, so Assmann, könnten 51 Prozent des Verkehrs auf Lastenräder übertragen werden.

Deutsches Logistik-Know-how für Kasachstan

In diesen Tagen aber richtet sich der Fokus des Ingenieurs nicht auf Europa, sondern auf das Tausende Kilometer entfernte Almaty. Denn auch dort rollt seit kurzem eines der neuartigen Räder. Zu verdanken ist das einer Kooperation von Assmanns Institut in Magdeburg mit der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU). Die Partner arbeiten bereits seit Jahren im Rahmen des „LogCentre“ an gemeinsamen Projekten, um Forschung, Lehre und Praxis im Logistikbereich zusammenzubringen sowie deutsches Branchen-Know-how nach Kasachstan zu vermitteln.

Und so kommt es, dass an jenem Montagabend ein Lastenfahrrad – hergestellt von einer Firma aus Plauen – den Innenhof der DKU in Almaty ziert. Finanziert haben das Projekt das Auswärtige Amt und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).

Enormer Stauraum für den Transport

Wie sich das vierrädrige Modell mit elektrischem Antrieb fährt und lenkt, können die Besucher bei der Präsentation selbst ausprobieren. Mit einem Schalter am Lenker wechselt man zwischen Vor- und Rückwärtsgang. Um loszufahren, drückt man einen Hebel daneben nach unten. Das Fahrzeug fährt, ohne dass man dafür treten muss. Allerdings ist die Geschwindigkeit in diesem Zustand auf 6 km/h gedrosselt. Tritt man zusätzlich in die Pedale, erreicht das Cargo Bike bis zu 30 km/h.

Die beiden Rückspiegel sind vor allem beim Rückwärtsfahren dringend nötig, denn das Bike zählt zu den größeren seiner Sorte, hat einen Stauraum für 300 kg Fracht. Zwar gibt es unter den unzähligen Lastenradtypen auch viele kleinere, einige gar mit nur zwei Rädern wie bei einem klassischen Fahrrad. In Almaty habe man sich aber entschieden, die große Variante zu testen – weil die Kasachen SUV-Fans seien, scherzt Assmann bei der Präsentation. „In Deutschland gilt das Cargo Bike als der SUV unter den Fahrrädern.“

Neue Radwege und Bike-Sharing mit E-Rädern für Almaty

Tatsächlich haben die Projektpartner im Vorfeld lange überlegt, welches Cargo Bike für Almaty Sinn macht. Man müsse unter anderem schauen, wie sich die regulatorischen Vorschriften in der EU von denen in Kasachstan unterschieden, hatte Ingenieur Assmann bereits in einem früheren Gespräch mit der DAZ gesagt. Das betreffe beispielsweise die Maximalleistung des E-Motors. „Diese Fahrräder sind ja in ihrer technischen Ausgestaltung ausgelegt auf den europäischen Markt. Und wenn es in einen Dauerbetrieb übergeht, müssen sie ohnehin noch dem kasachischen Markt angepasst werden“, so Assmann damals.

Vertreter der Stadt Almaty, die bei der Präsentation ebenfalls anwesend sind, zeigen sich jedenfalls aufgeschlossen. Im Laufe der letzten Jahre sei die Fahrradinfrastruktur in der Stadt ohnehin sukzessive ausgebaut worden, erläutert einer von ihnen. Bis Ende des Jahres sollen drei neue Abschnitte für Radfahrer an der Dschandossow-, Abai- und Satpajew-Straße entstehen. Für das Bike-Sharing in der Stadt stünden inzwischen drei Anbieter von insgesamt 2.000 elektrischen Fahrrädern zur Verfügung. Und im Rahmen der bestehenden Strategie zur Rad-Förderung sei auch die künftige Unterstützung von Cargo-Logistikprojekten denkbar.

Nutzererlebnis soll evaluiert werden

Für das Cargo Bike der Firma VOWAG aus Plauen beginnt der Einsatz am neuen Bestimmungsort nun in mehreren Etappen. Während in Deutschland allein im letzten Jahr etwa 100.000 Lastenräder unterschiedlichen Typs verkauft wurden, wird es in Almaty zunächst als erster Pilot einsam seine Runden drehen. Bis Ende September soll es sich zunächst zwischen den beiden Gebäuden der DKU hin- und herbewegen. Ab Oktober ist dann die Möglichkeit einer freien Nutzung durch Studenten der Uni vorgesehen. Und Ende Oktober sollen auch Unternehmen diese Möglichkeit haben.

Eine Studie soll dann Erkenntnisse darüber liefern, welche Waren transportiert wurden und zu welchem Zweck das Cargo Bike angemietet wurde. Auch wollen die Projektpartner herausfinden, wie groß die Akzeptanz bei Nutzern des Transportmittels ist und wie diese die Fahrbarkeit einschätzen. Während der Vorstellung auf dem DKU-Gelände stößt es jedenfalls auf reges Interesse. Es gibt skeptische Nachfragen, etwa zur Sicherheit im Straßenverkehr. Doch die Probefahrt überzeugt die meisten Besucher. „Nachdem ich eine Runde gedreht habe, kann ich sagen, dass es sich gut lenken lässt“, sagt ein Gast aus den USA, der schon länger in der Stadt lebt. „Ich glaube, es passt gut zu Almaty.“

Christoph Strauch

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