Im Gespräch mit Prof. Dr. Wolrad Rommel, Präsident der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU)

Im Rahmen des Kasachstan-Besuchs von Bundespräsident Steinmeier wurde der Grundstein für eine neue Bildungseinrichtung in Aktau gelegt, die aufgrund der Initiative der DKU entstanden ist. Das Institut für nachhaltige Ingenieurswissenschaften der Jessenow-Universität und der DKU hat inzwischen die Arbeit aufgenommen. Was gibt es hier für neue Entwicklungen?

Wir haben am 1. September die ersten beiden Bachelor-Studiengänge mit 44 Studierenden gestartet. 30 von ihnen studieren Energie- und Umwelttechnik, wo ein Doppelabschluss mit der HAW-Hamburg möglich ist. Der zweite Studiengang ist ein Bachelor in Logistik, ein Doppelabschlussprogramm mit der TU Wildau. Im nächsten Jahr werden wir zunächst zwei weitere Bachelorstudiengänge starten, später soll ein dritter hinzukommen. Die Fächer sind Verfahrenstechnik, Elektrotechnik und Systemtechnik. Wir verstehen uns mit der Jessenow-Universität als Anbieter für Regionalentwicklung. In Mangystau gibt es viel Entwicklungsbedarf, etwa in den Bereichen Infrastrukturentwicklung, Landwirtschaftsentwicklung und bei vielen sozialen Themen. Dazu können Universitäten immer einen Beitrag leisten.

Woher kommen die Studenten am Institut?

Der Trend ist, dass sie aus der Region kommen. Es freut mich, dass wir hier mit unserem Deutschland-Profil attraktiv sind. Denn zum Studium gehört, dass die Studierenden Deutsch lernen. Wir haben an der DKU das Vier-Sprachen-Prinzip. Das heißt, dass wir Unterricht in Deutsch, Kasachisch, Englisch und Russisch anbieten – je nach Talent und Bedürfnissen der Studierenden. Das ist auch wichtig für den Arbeitsmarkt.

Worin besteht die Zielsetzung der Ausbildung? Technologisches Wissen aus Deutschland für Kasachstan und kasachische Fachkräfte für deutsche Unternehmen?

Unser Doppelabschlussangebot nehmen aktuell an der DKU ca. 10 Prozent in Anspruch, und ich möchte gern, dass es mehr werden. Von denen, die es in Anspruch nehmen, wissen wir aber, dass die Hälfte wieder nach Kasachstan zurückkommt. Wir sind also ein Ausbildungsmodell für Kasachstan und Zentralasien. Hier gibt es den Fachkräftemangel, und wenn sich die kasachische Wirtschaft weiterentwickeln möchte, braucht sie dringend deutsche Standards bei der Ausbildung von Ingenieuren.

Diejenigen Studenten, die bei Ihnen ausgebildet werden, können ja dann auch bei deutschen Unternehmen arbeiten, die zum Beispiel in der Region Mangystau Arbeitsplätze schaffen.

Ja, das machen sie auch. Es arbeiten überhaupt viele DKU-Absolventen im Kreis der deutschen Unternehmen, die in Kasachstan investieren. Diese nehmen immer gern unsere Absolventen. In Aktau werden aber nicht nur Weiterbildung und Qualifizierung ein Thema sein, sondern auch Innovation und Forschung. Dazu werden wir mit einem kleinen Konsortium zusammenarbeiten, das unser jetziges Konsortium erweitert. Ziel ist es, noch Masterstudiengänge aufzubauen. Darüber hinaus soll auch ein Graduiertenkolleg entstehen, das sich dann aus den Masterstudiengängen speist.

In welchen Bereichen ist der Aufbau von Masterstudiengängen geplant?

Wir bauen – genau wie mit den Bachelorstudiengängen – auf den Dingen auf, die wir an der DKU haben. Wir denken in Richtung Transformation der Energiesysteme, v. a. grüner Wasserstoff. Unser wichtiger neuer Partner ist hier die TU Berlin. Auch im Bereich Logistik soll ein Masterstudiengang angeboten werden. Dort werden wir v. a. mit der TU Darmstadt zusammenarbeiten.

Wenn wir über Logistik sprechen, spielt auch der Mittlere Korridor eine wichtige Rolle. Sie waren jetzt selbst öfter in Aktau – wie geht es Ihrer Beobachtung nach damit voran?

Als wir im letzten Jahr die Idee der Institutsgründung für Aktau entwickelt haben, war das alles noch etwas wolkenreich. Unter anderem auf dem diesjährigen Tag der deutschen Wirtschaft hat man aber gesehen, dass es nun langsam von der Phantasie ins Machbare übergeht. In der Planungsphase wird vieles konkreter. Natürlich hat der Mittlere Korridor seine Haken und Ösen. Politisch müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten; man braucht ein durchgehendes technisches System, das digitalisiert sein und über alle Landesgrenzen hinweg funktionieren muss; und schließlich ist die Ausbildung eine Herausforderung. Was aber alle Beteiligten gelernt haben, ist, dass man nicht nur von einer Handelsstraße abhängig sein sollte.

Welche weiteren neuen Projekte gibt es von Seiten der DKU?

Wir wollen den Standort Almaty weiterentwickeln. Hier geht es zum Beispiel um die Campus-Entwicklung. Und wir werden nach Ust-Kamenogorsk in Ost-Kasachstan gehen und mit der dortigen EKTU zusammen ein gemeinsames Institut gründen. Dort geht es vor allem um Rohstoffe. Im Fokus stehen nachhaltiger Bergbau und die Verbesserung von Verfahren, auch mit deutscher Wissenschaft und deutschen Unternehmen. Rohstoffveredelung ist auch ein zentrales Thema. Im Moment ist es in Kasachstan eher so, dass man die Rohstoffe nur verkauft. Aber aus den Materialien selbst wird noch nichts gemacht. Dabei sind diese überall in der Industrieproduktion integriert – etwa bei Medizintechnik, wo man sehr gut Titan einsetzen kann. Das Bewusstsein, dass man die Wirtschaft umbauen muss, ist viel stärker geworden, und das ist auch wichtig für das Land.

Was kann man sich unter nachhaltigem Bergbau vorstellen?

Es beginnt damit, mit welchen Verfahren man unter Tage arbeitet, und wie umweltschonend man den Bergbau an sich betreibt. Es geht weiter damit, was man als Abfall liegen lässt. Ein Riesenproblem in Ostkasachstan sind zum Beispiel die Uranhalden. Wenn man eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung haben will, muss man sehr genau überlegen, welche Standorte man auswählt, wie man sie betreibt und wie man die Gruben wieder zuschüttet. Das Problem mit den Halden ist aus dem Ruhrgebiet oder der Lausitz bekannt. Man muss solche Gebiete rekultivieren. Dazu braucht man viel Wissen und Erfahrung. Und damit können wir mit der Wissenschaft aus Deutschland helfen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Christoph Strauch.

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