Nach dem Tod Stalins füllten sich in der Sowjetunion die Läden und Geschäfte wieder. Auch für die Bevölkerung von Alma-Ata begann nun ein goldenes Zeitalter des Konsums. Stellvertretend dafür stand das Zentrale Kaufhaus der Stadt.

Als im 18. Jahrhundert Sankt Petersburg nicht nur zur nördlichen Zarenresidenz, sondern auch zum Fenster nach Europa ausgebaut wurde, herrschte im Zentrum der alten Zarenhauptstadt Moskau das reinste Chaos. Ein ganzes Stadtviertel zwischen dem Roten Platz und dem Ufer der Moskwa glich einem gigantischen Markt unter freiem Himmel. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es daher die ersten Bestrebungen, die sogenannten Oberen, Mittleren und Unteren Handelsreihen zu befestigen, und damit den chaotischen Zuständen rund um die Basilius-Kathedrale Einhalt zu gebieten. Einige Jahre später entstanden zwei Handelsgebäude, die hinter ihrer repräsentativen Fassade unzählige Verkaufsbuden vereinigten. Die Oberen und die Mittleren Handelsreihen bekamen zum ersten Mal Überdachungen.

Diese ersten befestigten Handelsreihen überlebten das Jahr 1812 nicht. Als Napoleon mit seinen Truppen vor den Toren Moskaus stand, entschlossen sich die Moskowiter, ihre geliebte Stadt lieber komplett in Brand zu setzen, als sie dem Feind in die Hände fallen zu lassen. Bevor sich Napoleon auf den schmachvollen Rückzug aus Russland nach Frankreich begab, residierte er noch einige Tage selbst im Kreml, mit Blick auf die zerstörten Handelsreihen. Bereits kurz nach dem Napoleonischen Krieg begann rund um den Roten Platz wieder reger Handel. Auch die Handelsreihen wurden wieder aufgebaut, die wild zusammengewürfelten Verkaufsbuden zogen wieder hinter die repräsentative Fassade und wurden abermals für einige Jahrzehnte zum Zentrum des Moskauer Handels, bis auch dieser zweite Bau aufgrund schwerer Baumängel abgerissen wurde.

Nach der Oktoberrevolution ist Schluss mit Luxus

Am 2. Dezember 1893 eröffnete feierlich der repräsentative Neubau an der dem Kreml gegenüberliegenden Längsseite des Roten Platzes. Die bereits dritten Oberen Handelsreihen entwickelten sich schnell zum absoluten Publikumsmagneten. Der vierstöckige Bau hatte nun ein Glasdach, was selbst im Winter zum Schlendern einlud, genauso wie es bei den gerade erst modern gewordenen Handelspassagen in Mailand, Paris oder Wien der Fall war. Luxusprodukte und exzellenter Service in den rund 350 Läden machten das Warenhaus insbesondere für betuchte Kundschaft zu einem der besten Shoppingtempel der Welt.

Nachdem die Bolschewiki nach 1917 in Russland die Macht ergriffen hatten, war allerdings Schluss mit dem Luxus. Sie enteigneten die Kaufmänner, verstaatlichten die Läden und lösten sie auf. Noch in den 1920er Jahren wurden in kleinem Rahmen minderwertige Alltagsgegenstände und Propagandaartikel verkauft, und das Haus bekam von der Sowjetmacht seinen bis heute bekannten Namen verliehen: GUM (Staatliches Universalkaufhaus). Unter den nun folgenden Stalinjahren war die Zukunft des Warenhauses allerdings mehr als ungewiss.

Die Geburt des ZUM nach Stalins Tod

Erst der Tod Josef Stalins und die damit einsetzende sogenannte Tauwetterperiode brachte gesellschaftliche und wirtschaftliche Erleichterung. Endlich füllten sich auch die Läden und Geschäfte des Landes wieder. Das Kaufhaus GUM am Roten Platz öffnete bereits am 24. Dezember 1953 wieder seine Türen für die Sowjetbürger. Auch für die Bevölkerung von Alma-Ata begann nun ein goldenes Zeitalter des Konsums. 1961 eröffnete mit dem ZUM, dem sogenannten Zentralen Universalkaufhaus, ein für sowjetische Verhältnisse wahrer Konsumpalast. Das Gebäude, welches merkwürdigerweise noch immer architektonische Anklänge an den stalinistischen Klassizismus aufwies, war auch innen überaus weitläufig und elegant ausgestattet, und bot bereits 4.500 Quadratmeter Verkaufsfläche auf vier Etagen. Doch diese Fläche reichte schon bald nicht mehr aus.

Bereits 1969 vergrößerte sich die Ladenfläche durch einen konstruktivistischen Anbau auf mehr als 10.000 Quadratmeter. In fünf Abteilungen („Haushaltswaren“, „Kultur im Alltag“, „Waren für Männer“, „Waren für Frauen“ und „Näh- und Handarbeitswaren“) konnten die Sowjetbürger von nun an ungebremst dem Shoppen frönen. Staatliche Warenhäuser unter den Namen GUM oder ZUM entstanden in zahlreichen Großstädten der Sowjetunion. Das ZUM in Alma-Ata war allerdings das größte Warenhaus der Kasachischen SSR und erfreute bis in die 1980er Jahre hinein täglich rund 130.000 Kunden mit seinem reichen Warenangebot.

GUM wird Aktiengesellschaft

Obwohl sich die Menschen in West wie in Ost gleichermaßen am Einkaufen erfreuten, brachten ungezügelter Kapitalismus einerseits, Verstaatlichung, Planwirtschaft und Warenmangel andererseits doch ein gänzlich unterschiedliches Einkaufserlebnis. Nicht erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde dies deutlich, später dann aber ganz besonders. Die 1990er Jahre brachten die Privatisierung von Staatseigentum in großem Stil und eine völlig neue Produktvielfalt mit sich.

Das GUM in Moskau wurde zu einer Aktiengesellschaft, und westliche Luxusmarken zogen dort wieder ein. Der Warenmangel gehörte endgültig der Vergangenheit an, aber der ehemalige Sowjetbürger konnte sich nun dort nichts mehr leisten. Das ZUM in Almaty wurde im Jahr 1994 privatisiert, und seitdem ist das geschichtsträchtige Warenhaus eher berüchtigt für billige Modebutiken oder zahlreiche Kleinsthändler, die sich am Verkauf von bunten Handyhüllen aus Plastik oder an der Reparatur von defekten Smartphones versuchen. Schöne neue Konsumwelt!

Philipp Dippl

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