Es ist höchst wahrscheinlich, dass sich die Weltwirtschaft bereits in der Anfangsphase einer Rezession befindet, formal ausgelöst durch die Immobilienkrise in den USA. Jede Krise hat ihre positiven und negativen Seiten. Diese Krise birgt ihre Chance darin, dass die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Ungleichgewichte aufgelöst werden können.

In den letzten Jahrzehnten funktionierte die Weltwirtschaft, vereinfacht gesagt, so: Die USA konsumierten kräftig und eindeutig über ihre eigenen Produktionsverhältnisse. Der Rest der Welt belieferte die USA mit den dafür notwendigen Waren. Die Europäer und Chinesen freuten sich über boomende Exporte, die Mehrzahl der Amerikaner über billige Importwaren, die sie überwiegend auf Kredit kauften. Zwar gab es bereits vor 20 und auch schon vor 30 Jahren warnende Stimmen, die das damals schon große Leistungsbilanzdefizit der USA bemängelten, doch das Spiel war für alle Beteiligten so faszinierend, dass die Warnungen niemand richtig hören wollte. Eine Art Spielrausch eben. Kurz- und mittelfristig waren die positiven Effekte dieses Rausches durchaus beachtlich. China zum Beispiel koppelte seine Währung an den US-Dollar, was die ansonsten automatisch vor sich gehende marktwirtschaftliche Anpassung des Wechselkurses in Richtung Aufwertung des Renminbi verhinderte und das chinesische Exportwunder erst ermöglichte. Mittlerweile hat China den sagenhaften Devisenberg von 1,5 Billionen Dollar aufgehäuft und kann gelassen auf den Internationalen Währungsfonds und den Rest der Welt schauen. Dort kann China so ziemlich alles kaufen, was angeboten wird. In Deutschland wurden über Jahre die Reallöhne gekürzt, um die Wettbewerbfähigkeit zu erhalten. Das Ergebnis: Deutschland war mehrere Jahre hintereinander Exportweltmeister in absoluten Größen. Das ist für ein, im Vergleich zu China und den USA, kleines Land eine mehr als beachtliche Leistung.

Doch die Ungleichgewichte wurden immer größer: der Schuldenberg amerikanischer Unternehmen und des Staates wuchs immer mehr, die Produktionen wurden immer stärker aus den klassischen Industriestaaten in Billiglohnländer verlagert, während sich auf der anderen Seite die Devisengeldberge vieler Länder immer größer wurden.

Die jetzige Krise, vor allem der Absturz des Dollar ist nun das reinigende Gewitter, das eintreten musste, um die Ungleichgewichte wieder zu beseitigen. Zwar werden die jetzt vor uns stehenden Prozesse viele negative Teilfolgen haben, aber die Weltwirtschaft wird am Ende stabiler dastehen als im Moment. Die US-Wirtschaft wird mit Hilfe eines schwachen Dollar einen Teil ihrer verlorenen Exportpositionen zurückholen können, China wird sich wohl schrittweise vom schwächer werdenden Dollar abkoppeln, schon um seine Devisenreserven nicht weiter zu entwerten. Damit werden aber die chinesischen Exporte im Ausland teurer und somit zurückgehen. Die ersten Anzeichen für einen Rückgang der amerikanischen Importe und eine Steigerung der Exporte der USA gibt es bereits. Das enorme Handelsbilanzdefizit der USA beginnt sich zu verringern. Der billige Dollar wird ausländische Direktinvestitionen in den USA – das ist der größte Markt für Auslandsinvestitionen – wieder beleben, bereits jetzt suchen viele ausländische Firmen amerikanische Unternehmen und Banken, bei denen sich ein Kauf lohnt.

Allerdings geht diese natürliche Korrektur der Ungleichgewichte relativ langsam vor sich und würde beim heutigen Dollarkurs vielleicht bis zu zehn Jahren dauern. Schneller könnte es gehen, wenn der Dollar noch weiter fällt, aber das will eigentlich niemand. Panische Währungsflucht, also beispielsweise das schnelle Umschichten der Devisenreserven von Dollar in Euro würde mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Und das nicht, weil es falsch wäre, mehr Euro als bisher zu halten, sondern weil bei einer Währungsflucht keine Anpassung der Realwirtschaft an die neuen Wechselkurse möglich wäre. Diese aber beeinflussen jede Wirtschaftlichkeitsrechnung bei Auslandstransaktionen in enormem Maße.

Wie es im Einzelnen auch sei, wir werden sicher nach dem Ausstehen der sich entwickelnden Krise eine andere, gesündere Weltwirtschaft vorfinden. Die amerikanische Handelsbilanz wird ebenso wie die Chinas ausgeglichener sein, die europäischen Exporteure werden von ihren meist hohen Überschüssen im Außenhandel herunterkommen und sich mehr den Binnenmärkten widmen müssen. In China selbst wird der Rückgang der Exporte infolge der Aufwertung der nationalen Währung eine Dämpfung des enormen Wirtschaftswachstums herbeiführen und so die Gefahr der Überhitzung beseitigen. Wenn es dann noch gelänge, die chinesischen Verbraucher zu animieren, nicht so viel zu sparen – heute 40 Prozent – brauchte die Volksrepublik nicht mehr so aggressiv wie bisher als Außenhändler auftreten und allen anderen strategische Angst einjagen. Die Welt wird durch diese Krise wohl auch ein bisschen sicherer und ruhiger werden.

Bodo Lochmann

11/04/08

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