Ich habe mich einst in einem Beitrag darüber ausgelassen, wie schwer es in Deutschland ist, einfach mal nichts zu machen. Nicht weniger schwer ist es, einfach mal weniger zu machen.

Weniger, das klingt nicht gut. Das klingt nach Leistungsabfall, nach Einschleichen des Schlendrians, nach Faulheit und Demotivation. Weniger machen, das ist auch nicht Freizeit, Erholung und Entspannung. Freizeit – das ist eine eigene Disziplin, die man aktiv betreibt, zusätzlich zur Arbeit. Entspannung gönnt man sich mal kurz, ein halbes Stündchen nach der Arbeit. Und Erholung dauert nicht länger als ein paar Tage, höchstens ein paar Wochen als Intermezzo zwischen Arbeitsstress und Arbeitsstress. Aber weniger machen, das klingt nach einem dauerhaften Zustand, den man kaum rechtfertigen kann – vor anderen und vor sich selbst. Drum gibt es jetzt, Gott sei Dank, einen passenden Begriff dafür, mit dem man sich alles erlauben kann, was weniger ist: Downshifting. Downshifting – das klingt nach einem wissenschaftlichen Modell, einer Methode, die man in teuren Seminaren erlernen kann. Das klingt nach Konzept, das man in Stufen und Schritten betreiben kann. Wenn ich wüsste, wie man dieses Wort in die Alltagssprache einbaut, könnte ich sagen: Am August fange ich mit dem Downshifting an. Oder so. Downshifting kann man planen. Für ein Downshifting gibt es sicher bald auch Coaches und Mentoren, die einen bei dem Prozess des Downshifting begleiten können.

Na, fein. Seit es Downshifting gibt, darf man also weniger arbeiten. Und downshiften darf man erst recht, seit es das Outburn-Syndrom gibt. Früher war man einfach kaputt, fix und fertig, überarbeitet. Oder eben ausgebrannt. Gleiches Wort. Aber in der englischen Übersetzung wirkt es besser. Kaputt oder ausgebrannt sein, das war ein Zustand. Das Outburn-Syndrom ist kein Zustand, sondern eine Krankheit, fast schon anerkannt. Passen ja auch lexikalisch prima zusammen – die Begriffe Outburn und Downshifting. Ein Dialog der Postmoderne könnte so aussehen: „Betreibst du auch Downshifting?“ „Ja, ich hatte schon zwei Mal das Outburn-Syndrom. Ich fange im Dezember damit an.“ „Welchem Modell folgst du?“ „Dem Drei-Stufen-Modell.“ „Hast du schon einen Coach?“ „Nein, ich besuche ein Seminar“, usw.

Gar nicht lustig daran ist allerdings, dass gar nicht so wenige Leute in Deutschland tatsächlich an Arbeitssucht leiden, nicht aufhören können zu arbeiten, aus dem Stress nicht rauskommen, darüber krank werden und ihr soziales Umfeld vernachlässigen. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber wenn Downshifting dabei hilft, weniger zu arbeiten, warum dann also nicht.

Julia Siebert

18/05/07

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