Mit meinem letzten Umzug bin ich nicht nur in ein neues Wohnumfeld geraten, sondern in ein neues Umfeld innerhalb meines neuen Wohnumfeldes, in einen Fitness-Club. Meine bisherigen Versuche, regelmäßig Sport zu treiben, sind an den Konfrontationen mit Hunden im Wald und Menschen im Schwimmbad gescheitert. Da ich im Platzkampf grundsätzlich den Kürzeren ziehe, brauche ich einen geschützten Rahmen, wo ich ungestört stur und starr vor mich hin trainieren kann.
Wieso es nicht mal mit einem Fitness-Studio versuchen? Zum ersten Mal betrat ich so einen Club. „Hallo! Wie geht das hier?“ Auf amerikanische Art, die insbesondere in Momenten der Schüchternheit sehr angenehm ist, wurde ich sofort herzlichst empfangen, von allen Seiten angelächelt und umsorgt. Ständig brachten Ollie und Susie zum Ausdruck, dass sie sich so freuten, mich hier zu sehen. Dass die überfreundliche Art dem Kundenfang dient, habe ich vorsätzlich ignoriert, nahm es ganz persönlich und freute mich einfach mal mit.
Eingelullt schlürfte ich an meinem Kaffee und ließ mir jeden Fitzen als besondere Dienstleistung verkaufen: ALLE Getränke sind kostenlos. Man darf frei wählen zwischen Wasser gekühlt mit Kohlensäure, Wasser gekühlt ohne Kohlensäure, Wasser ungekühlt mit Kohlensäure, Wasser ungekühlt ohne Kohlensäure. Donnerwetter! Spätestens nach der Führung durch die Gerätelandschaft fühlte ich mich schon ganz dazugehörig und wie eine Sportkanone. Nein, nicht den Probemonat, sondern gleich ein halbes Jahr wählte ich.
So war ich als neues Mitglied gewonnen, haps! Um mir selbst zu beweisen, dass ich wenigstens ein Mal im Leben einem guten Vorsatz auch Taten folgen lassen kann, betrat ich schon am nächsten Tag entschlossen das Studio. Aber allein gelassen von Ollie und Susie, schlich ich mich mit vorsichtigen Schritten und scheuen Blicken an die Geräte und nestelte mit unsicheren Handgriffen an den Hebeln herum: Wie war das noch, wie setzt man sich da ran? Wo lässt man die Hände, wo die Füße? Was bewegt man mit welchen Gliedmaßen? Wo sind nur Ollie und Susie?
Erstmal ans Laufband, da konnte nicht viel schief gehen. Zu meinem Lauftakt blinkte wild die Digitalanzeige, was irre sportliche Leistungen suggerierte. Im Placeboeffekt spürte ich schon die Adrenaline und Opiate und sonst was fließen, für den Marathon würde ich trainieren, jawohl. Als ich fix und fertig war, betrachtete ich stolz mein Ergebnis. Aber ach, von dem Gefunkel blieben nur ganze zwei Kilometer übrig. So schnell zerplatzen Träume.
Da ich hier keine Medaille gewinnen konnte, versuchte ich es an den Kraftgeräten. Das Zirkeltraining zog mich an. Es war keiner da, von dem ich hätte abgucken können. Warum nur? Vielleicht zu anspruchsvoll? Na, mal sehen. Wenn das rote Lichtlein leuchtet, wechselt man zum nächsten Gerät. Als ich gerade ächzend und stöhnend die Dinger stemmte, wurde einem anderen neuen Mitglied diese Ecke gezeigt. Ich unterdrückte das Schnaufen, nahm aufrechte Haltung ein und legte mich doppelt ins Zeug.
„Das hier sind ganz leichte Geräte mit praktisch keinem Widerstand, insbesondere für alte Leute geeignet!“ Wobei, alte Leute liefen hier eigentlich genug rum, sie waren überall verteilt, nur hier nicht. Trotz dieses Tiefschlags kämpfte ich mich in den folgenden Tagen durch die Hürden aller neuer Gewohnheiten: Wieso stehe ich vor verschlossenen Türen? Wie waren noch mal die Öffnungszeiten? Wo habe ich nur meine Mitgliedskarte? Wieso habe ich mein Shampoo, meinen Wechselschlüpfer, das Handtuch vergessen? Inzwischen habe ich zumindest Routine im Einpacken meiner Sachen. Und Ruhe beim Sport. So dachte ich.
Doch da kam eines Tages eine ältere Dame auf mich zugesteuert. Endlich bin ich mal nicht die einzige an den praktisch widerstandslosen Leichtgeräten. So dachte ich. Wie lange ich denn noch an diesem Gerät machen wolle. ALLE ANDEREN ELF Geräte waren frei! „Na, bis das rote Lichtlein leuchtet!“ gab ich naseweis von mir. Ja ja, das wisse sie natürlich, dass man das eigentlich so mache. Aber SIE mache immer länger und mehr!
Na, toll! Erst wurde ich vor anderen demotiviert und demontiert und jetzt auch noch zum Duell herausgefordert. Auf amerikanisches Cowboy-Getue reagiert man am besten mit norddeutscher Sturheit: ein mürrisches „Hmhm“ verlauten lassen, auf Durchzug schalten, vor sich hinstarren und dann alles gaaanz gaaanz laaangsaaam verrichten, bis der Herausforderer in Weißglut gerät und das dann gaaanz gaaanz genüsslich auskosten. Aber lieber hätte ich meine Ruhe und verspüre wieder leichte Fluchttendenzen. Zu doof nur, dass ich in einer halbjährigen Mitgliedschaft gefangen bin. Beim nächsten Mal nehme ich ganz sicher nur den Probemonat.