Sie müssen in den Mülltonnen ihr Futter suchen. Hundekörbchen, Leckerli und ein warmes Zuhause kennen die Straßenhunde von Almaty nicht. Doch die Mitglieder der Tierschutzgruppe „Prijut“ („Asyl“) versuchen den Hunden zu helfen.
/Foto: Tanja Schrade/
Penetranter Gestank steigt in die Nase, als Saule Rubintschik das Tor zu einem 400 Quadratmeter großen Grundstück öffnet. Auf dem Boden liegen unzählige Hundehaufen, altes Zeitungspapier und Dreck. Saule hat das Tor wieder geschlossen, da kommen schon fünfzehn Hunde auf sie und ihre Begleiterinnen Irina Sawgorodnaja und Julia Krasutskaja von der Tierschutzgruppe „Prijut“ zugerannt. Die Hunde wedeln mit dem Schwanz, bellen freudig. Ryschaja, die helle Mischlingshündin, und ihre größtenteils namenlosen Artgenossen freuen sich über den Besuch und springen an den drei Tierschützerinnen hoch. Zwischen alten Matratzenkernen, Stühlen, Brettern und anderem Sperrmüll verteilen die drei Futter und Streicheleinheiten. „Einmal in der Woche kommen wir auf das Grundstück, um zu putzen“, sagt die siebenundzwanzigjährige Saule. Sie zieht sich rote Handschuhe an, greift zu einem Besen und beginnt zu fegen. Immer wieder unterbricht sie die Arbeit, um die hin und herlaufenden Hunde zu streicheln und zu tätscheln.
Nur wenig ist über das Schicksal der Hunde bekannt, die derzeit in einem verfallenen Haus auf dem Grundstück leben. „Oft bringen die Herrchen ihre Hunde, wenn sie sie nicht mehr wollen, oder wir sammeln verletzte Tiere auf“, sagt Saule während sie Ryschaja krault. „Sie wurde von einem Mitglied unserer Gruppe mit einer Verletzung an der Pfote gefunden. Doch mehr wissen wir auch nicht“, sagt die Diplomübersetzerin. Die Tierärztin Irina schaut sich Ryschajas Pfote genau an und tastet sie ab. „Aber jetzt ist wieder alles in Ordnung“, sagt sie. Neu aufgenommene Hunde werden sofort untersucht, geimpft und sterilisiert. „In Ländern wie Deutschland lassen viele Besitzer ihre Hunde sterilisieren, doch hier ist das wenig verbreitet, vor allem weil Sterilisationen Geld kosten. Deshalb scheuen hier leider viele Hundebesitzer davor zurück“, seufzt Irina.
„Die Hunde müssen hier weg“
Im Haus liegen ebenfalls Hundehaufen. Die Tapeten hängen von der Wand. Das Haus hat einer älteren Dame gehört, sie hatte mehr als 80 Hunde betreut. Sie ist aber im April letzten Jahres gestorben. 60 Tiere konnten schon vermittelt werden, aber jetzt muss das Haus geräumt werden, weil der Erbe das Grundstück verkaufen will. „Die Hunde müssen hier weg, doch wohin mit ihnen, das wissen wir noch nicht“, sagt Saule verzweifelt. Sie hätten zwar noch ein anderes Haus, doch das ist mit 50 Hunden und 30 Katzen schon mehr als voll. Die Gruppe hat sich deshalb an die städtische Verwaltung gewandt. Die ist allerdings nicht bereit, ein Tierheim zu eröffnen. „Die Stadt kümmert sich einfach nicht um die Straßenhunde. Mitarbeiter der städtischen Verwaltung lesen die Hunde auf der Straße auf und schläfern sie ein“, sagt Saule ärgerlich. „Auch beim Versuch, ein Tierheim aufzubauen, hilft uns die Stadt nicht. Wir sind deshalb auf private Sach- und Geldspenden angewiesen“. Durch ein Internetforum ist sie auf die etwa 15-köpfige Gruppe „Prijut“ aufmerksam geworden und engagiert sich seit April 2007. „Ich sehe in den Tieren unsere Begleiter und Freunde, die allerdings nicht reden können und deshalb auf den Schutz der Menschen angewiesen sind“, erklärt sie.
Interessenten zu finden, ist schwierig
Neben Ryschaja tobt ein noch namenloser Hund mit glänzendem schwarzem Fell zwischen den Tierschützern hin und her. Er ist flink und verspielt, doch er geht nur noch auf drei Beinen. Das vierte Bein hat er dicht an seinen Rumpf angezogen. „Wahrscheinlich eine Folge von Pest“, sagt die Tierärztin Irina. „Obwohl er verspielt und ein lieber Hund ist, wird er wohl nicht mehr vermittelt werden“, ergänzt Julia. Die achtundzwanzigjährige Psychologin streichelt den „Schwarzen“. Die meisten Interessenten wollten einen großen Hund, der etwas bedrohlich aussieht, aber lieb und zahm ist – oft gehen sie dann aber doch mit einem Welpen, weil der niedlicher sei, sagt Julia. „Das neue Herrchen wird von uns registriert und wir wollen Kontakt halten, um den Besitzern Tipps zu geben, damit der Hund bei Problemen nicht wieder auf der Straße landet“, erklärt Julia. Doch Interessenten zu finden sei schwierig. In Almaty werde viel gebaut, die Menschen verlassen ihre kleinen Häuser mit Garten und zögen in Betonburgen. Dorthin Hunde mitzunehmen und zu halten sei oft nicht möglich. Doch Saule resigniert nicht. Ihr Ziel ist es, in die Schulen zu gehen und mit Kindern über Tiere und Tierschutz zu sprechen. „Kinder sind für dieses Thema noch sensibel, die Erwachsen sind schon zu sehr abgestumpft“, sagt sie.
Saule zieht sich ihre Handschuhe aus, legt den Besen weg. Nun spielt sie noch einmal mit Ryschaja. Die Hündin hat es bald geschafft. In wenigen Tagen wird sie abgeholt. Eine Familie mit zwei Kindern, ein Haus und ein kleiner Garten erwarten sie. Doch für viele ihrer Artgenossen haben Saule und ihre Freundinnen noch kein neues Zuhause gefunden.
Kontakt, auch englischsprachig, unter: www.priut.kz; +7 701 748 0332.
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Herrchen gesucht!
Die Hündin Panda ist fünf bis sechs Jahre alt, treu und anhänglich. | Die Hündin Malyschka ist etwa zwei Jahre alt und sehr verschmust. | Der Rüde Rex ist drei bis vier Jahre alt, wachsam und willensstark. |
Von Tanja Schrade
28/03/08