Die Volksversammlung Kasachstans feiert am 1. März ihr 25. Gründungsjubiläum. Aus diesem Anlass hat Galina Nurtasinowa, Geschäftsführerin der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft, für die DAZ einen Gastbeitrag über die Bedeutung des Organs geschrieben.
Jeden, der einmal in Kasachstan war, beeindruckt die kulinarische Vielfalt des Landes: In fast jeder Familie erwarten den Gast kasachisches Beschbarmak, russische Pelmeni, usbekisches Plow, dunganisches Lagman und koreanischer Kohl. Das ist nicht ungewöhnlich für ein Land, in dem mehr als 120 verschiedene Ethnien leben.
„Multinationales Land – vielfältiges Essen“ – unter diesem Motto organisierte die Deutsch-Kasachische Gesellschaft auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin im Januar 2014 ihren Stand „Kasachische Spezialitäten“. Die Besucher der Messe konnten hier Kumys und Kurt, Manty und Plow, Samsa und Tschak-Tschak und weitere Speisen der Volksgruppen Kasachstans probieren.
Vereint in Vielfalt
Zugegeben: die Idee, in dieser Weise das multiethnische Kasachstan vorzustellen, kam der Autorin dieser Zeilen während der Teilnahme an einer Tagung der Volksversammlung Kasachstans 2013. In jenen Tagen hatte sich die Pyramide des Friedens und der Eintracht in ein prächtiges Festival der unterschiedlichen Ethnien verwandelt: Kaukasische Papachas und Tschochas, ukrainische Wyschiwankas, russische Kokoschniks, koreanische Hanboks und bayerische Dirndl mischten sich mit den schmuckvollen Tschapans und Kamisols, die Vertreter der Titularnation trugen.
Doch bei all dieser ethnischen Vielfalt einte die Teilnehmer eins: Sie alle sind Bürger der Republik Kasachstan – jenes Landes, in dem der interethnische und konfessionelle Frieden unerschütterlich sein soll. Dazu rief der Präsident auf, und die Vertreter der ethnokulturellen Zentren sicherten das der Volksversammlung zu.
Auf der damaligen Sitzung der Volksversammlung ist mir die Rede des viel gerühmten Eiskunstläufers Dennis Ten in besonderer Erinnerung geblieben. Die Dankesworte, die er für die Aufnahme seiner koreanischen Vorfahren an das Land richtete, klangen aufrichtig; sein Stolz auf die kasachische Heimat unverfälscht; sein Bekenntnis zum Patriotismus schien nicht pathetisch. Das stellte er später nicht nur einmal durch seine Taten unter Beweis. Ich hatte das Glück, ihn inmitten jener schillernden Veranstaltung kennenzulernen. Es reichte ein kurzes Gespräch, um ein Gefühl von seiner angeborenen Großherzigkeit, seinem Geist, seiner Empfindsamkeit, aber auch einer gewissen kindlichen Ungeborgenheit des damals noch jungen Sportlers zu bekommen. Ich verstehe gut, warum ganz Kasachstan so stark um Dennis‘ Tod trauerte und warum sein kasachischer Freund, der viel gerühmte Sänger Dimasch, ihm das Lied „S.O.S. d’un Terrien en déteresse“ auf seinen Konzerten widmet.
Die Volksversammlung Kasachstans als wichtiger Partner
Für unsere Gesellschaft ist die Volksversammlung Kasachstans ein sehr wichtiger Partner in Fragen der interethnischen und interkonfessionellen Beziehungen. Das Thema wird mit Blick auf Migrationswellen und radikale Einstellungen immer aktueller – sowohl für Europa als Ganzes als auch für Deutschland im Einzelnen. Deshalb ist das kasachstanische Modell der interethnischen Beziehungen auch für den Westen interessant.
Mehrmals trafen sich Delegationen der Volksversammlung mit den deutschen Migrationsbehörden oder der deutsch-zentralasiatischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. 2008 nahmen Vertreter der Volksversammlung an einer Konferenz unserer Gesellschaft zu Fragen der Jugendpolitik in Kasachstan teil. Und im Dezember 2019 hatten wir die Soziologin Bogatos Rakischewa, Direktorin des Zentrums „Öffentliche Meinung“ aus Nur-Sultan bei uns zu Gast. Gemeinsam mit der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag führten wir ein Gespräch mit einem Mitglied des wissenschaftlichen Rates der Volksversammlung. Dabei ging es um die aktuelle interethnische und Migrationspolitik in Kasachstan, um neue Herausforderungen für seine Innenpolitik, und natürlich auch um die Volksversammlung an sich.
Aufarbeitung von Geschichte zur besseren Integration
Für die DKG spielt die Zusammenarbeit mit den deutschen ethnokulturellen Zentren eine wichtige Rolle, und dies ist vor allem die Volksversammlung. Unter unseren Mitgliedern sind viele Einwanderer deutscher Staatsangehörigkeit aus Kasachstan. Nachdem sie das Land verlassen haben, verlieren sie nicht das Interesse daran und pflegen Beziehungen sowohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Ebene.
Für eine bessere Integration von Migranten aus Kasachstan in ihre historische Heimat ist es wichtig, den Einwohnern Deutschlands die Geschichte der Deportation von Wolgadeutschen nach Sibirien und Zentralasien zu vermitteln, die in Deutschland nur sehr wenig bekannt ist.
Daher hat die DKG dabei geholfen, den Roman „Das Haus des Heimatlosen“ des kasachstandeutschen Schriftstellers Gerold Belger ins Deutsche zu übersetzen, und literarische Lesungen des Romans organisiert. Das Buch soll der neuen Generation von Einwanderern helfen, die Geschichte ihrer Vorfahren und deren Beziehung zu Kasachstan besser zu verstehen. Belgers Roman, welcher auf der Biographie des Autors basiert, erzählt von dem wolgadeutschen Drama. Belger selbst war ein einzigartiger Vertreter und Vermittler der deutschen, russischen und kasachischen Kultur.
Deutsche Schriftsteller bleiben Kasachstan treu
Eine große Gruppe von Schriftstellern mit Migrationshintergrund bleibt dem Thema Kasachstan treu. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der heute in Wiesbaden lebende Heinrich Rahn, der 1990 von Schtschutschinsk nach Deutschland zog. In seinem Science-Fiction-Roman „Aufzug Süd-Nord“ webt der Schriftsteller kasachische Legenden in die Erzählung ein, beschreibt die Landschaften seiner Heimat Burabai und versetzt den Leser in die alte Kultur des Ostens.
Dies hat unsere DKG einst veranlasst, die Präsentation des Buches auf der Frankfurter Buchmesse 2013 zu organisieren. Eine Kopie des Buches wurde der Volksversammlung Kasachstans als Beispiel für das gegenseitige Verständnis der Völker und die Verflechtung von Kulturen gespendet. Jetzt arbeiten wir zusammen mit dem Autor an der russischen Ausgabe des Romans und hoffen auf Unterstützung seitens der Volksversammlung für dieses Projekt.
Heute gratulieren wir im Namen der DKG der Volksversammlung Kasachstans und ihrem Vorsitzenden Nursultan Nasarbajew, dem Ersten Präsidenten der Republik Kasachstan, zum 25. Gründungstag herzlich und wünschen weiterhin viel Erfolg bei der Stärkung der Einheit in ganz Kasachstan!
Galina Nurtasinowa, Deutsch-Kasachische Gesellschaft
Übersetzt aus dem Russischen von Rita Rjabow und Christoph Strauch