In Kasachstan arbeitet an der Energiewende. Schwerpunkt liegt auf dem Übergang von rationalen auf erneuerbare Energiequellen, dennoch werden neue Atomkraftwerke gebaut. Prof. Dr. Bodo Lochmann bezweifelt die Wirtschaftlichkeit, wenn solcher neuer Großkraftwerke.

Die Expo 2017 in Astana wirft ihre Schatten voraus. Es werden kaum überschaubare Mengen an Arbeitstreffen, Konferenzen, Beratungen, Interviews und Beiträge abgehalten, durchgeführt oder geschrieben. Das ist verständlich, schließlich geht es für Kasachstan um etwas ganz Großes – das Land will sich der Weltöffentlichkeit als modern und vorwärtsgewandt präsentieren und so auch einen spürbaren Imageeffekt erzielen.

Nun kann man über Sinn oder Unsinn solcher Großveranstaltungen trefflich und lange streiten. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass unter der Losung „Neue Energiequellen für die Lösung ökologischer Probleme“ energieintensive Neubauten errichtet und dann aus allen Himmelsrichtungen massenhaft Touristen herangefahren werden sollen. Da sich Kasachstans Wirtschaft unter anderem durch eine Energieintensität von Produktion und Konsumtion auszeichnet, wäre eine Orientierung der Expo auf Fragen der rationellen Energienutzung für die hiesige Praxis sinnvoller gewesen. Unter Beachtung von Strukturfaktoren, zum Beispiel ein hoher Anteil energieintensiver Wirtschaftszweige, ist Energieintensität ein Merkmal entwickelter Staaten.

Die praktischen Erfahrungen vieler Länder zeigen, dass Investitionen in die Anlagenmodernisierung zur rationellen Energienutzung einen höheren finanziellen und energetischen Effekt erbringen als Investitionen in neue Energieerzeugungsanlagen. Auch Kasachstan könnte locker auf den Neubau der geplanten zwei Atomkraftwerke verzichten, wenn dasselbe Geld mit Konsequenz in die Modernisierung der großindustriellen Anlagen investiert würde.

Zwar gibt es jetzt das Energiesparprogramm 2020, nach dem bis 2020 eine größere Anzahl von Unternehmen ihre Energieintensität um 20% reduzieren soll. An diesem Programm wird auch gearbeitet – im Moment in Form des Energieaudits. Das heißt, der wirkliche Energieverbrauch in etwa 2.000 Unternehmen wird erfasst. Die Expo hätte hier ein Ort der Darstellung von Fragen des modernen „Energiemanagements“ sein können und sich somit vor allem auf die Verbesserung der Situation in bestehenden Anlagen gerichtet. Überall in der Welt sind vor allem die in Nutzung befindlichen Gebäude, Maschinen und Anlagen die wesentlichen Energiefresser, während bei Neubauten durchaus sehr beachtliche Fortschritte in der Energieintensität zu verzeichnen sind.

Neubauten aber machen nur einen sehr geringen Teil der Grundmittel einer Volkswirtschaft aus; ehe durch Neubauten energiefressende Anlagen ersetzt sind, vergehen leicht hundert Jahre oder mehr. Sicher wird es zur Expo auch Aussteller geben, die ihre Leistungen im Bereich der rationellen Energienutzung darstellen werden; der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Übergang zu erneuerbaren Energiequellen. Diese haben auch hierzulande mittlerweile einen bestimmten Erwartungsgrad erreicht, der jedoch oft einseitig ist und eine Vielzahl von Problemen ausblendet. Klar, Sonnenkollektoren auf dem Dach oder Windgeneratoren symbolisieren technischen und gesellschaftlichen Fortschritt. In Deutschland erzeugen die Erneuerbaren mittlerweile fast 30 % des Stroms, was die ursprüngliche Planung deutlich übertrifft, jedoch auch viele unerwartete Probleme bewirkt hat. Hierzu gehört vor allem der Bedeutungsverlust der klassischen Energieerzeugung, seine sinkende oder schon nicht mehr gegebene Wirtschaftlichkeit.

Sonnen– und Windenergienutzung bewirken nicht nur energetische Effekte, sondern noch eine Masse anderer (Innovationen, Umweltaschutz, Arbeitsplätze). Letztere sind auch in Kasachstan erwünscht. Ob das bei einer Reihe von nichtwirtschaftlichen Begleiterscheinungen des Wandels der energetischen Basis auch der Fall sein wird, bleibt noch abzuwarten. Zumindest stößt man hierzulande bei der Darstellung der komplexen Umstrukturierungsprozesse mindestens auf Erstaunen, wenn man zum Beispiel von „Demokratisierung der Energieerzeugung“ im Zuge des Übergangs zur Nutzung regenerativer Energiequellen spricht. Ja, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen krempelt auch die Eigentums– und damit Machtstrukturen um. Die Energieerzeugung dezentralisiert sich, eine wachsende Anzahl von Leuten erzeugt den benötigten Strom selbst und kauft ihn nicht mehr. In Deutschland erzeugen mittlerweile etwa 10 Millionen Bürger ihre Wärme oder den Strom zumindest teilweise selbst, mehr als die Hälfte der Investitionen zur Nutzung erneuerbarer Energien werden von privaten Haushalten und nicht von Energieunternehmen realisiert. Zentralisierte Kraftwerkskapazitäten verlieren schrittweise ihren Umsatz und ihre Geschäftsbasis.

Auch in Kasachstan sollte man sich jetzt die Frage stellen, ob es noch sinnvoll ist, viele Großkraftwerke zu bauen, die vielleicht in 10 oder 20 Jahren, also lange vor Ende ihrer technisch möglichen Nutzungsdauer, nicht mehr wirtschaftlich nutzbar sind. Auch weil hierzulande Energiepolitik immer noch als ein Bereich weniger Spezialisten und nicht einer breiten Öffentlichkeit gelten, werden solche Fragen allerdings kaum ernsthaft gestellt und diskutiert. Das kann sich wirtschaftlich rächen, wobei die Expo 2017 eine Chance wäre, auch solche Fragen darzustellen.

Bodo Lochmann

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