Der Spätaussiedlerbeauftragte Hans-Peter Kemper in einem Gespräch mit der DAZ über das Ziel seiner Kasachstanreise und die Förderung der deutschen Minderheit in dem Land

DAZ: Herr Kemper, Sie sind vom 5. bis zum 11. Juni mit einer Begleitdelegation in Kasachstan. Was ist das Ziel Ihrer Reise, die Sie nach Almaty und nach Astana führt?

Hans-Peter Kemper: Wir wollen uns ein Bild machen von den Wirkungen der Minderheitenpolitik der beiden Staaten. Dafür kommen wir mit Ministern und dem Senatspräsidenten zusammen, um auch die Anliegen der deutschen Minderheit in Kasachstan noch einmal deutlich zu machen. Nach wie vor unterstützt die Bundesregierung hier in Kasachstan sehr viele Menschen. Dabei versucht sie, denen einen Chance zu geben, die sich für ein Verbleib in Kasachstan und gegen eine Ausreise entschieden haben.

DAZ: Die 1996 getroffene Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kasachstan aus dem Jahre 1996, die die Minderheitenpolitik zwischen beiden Ländern regeln soll, besteht bislang nur auf dem Papier. Die deutsche Seite hat sie bereits ratifiziert, die kasachstanische zögert. Warum?

Kemper: Kasachstan hatte bisher Bedenken, dass die deutsche Minderheit durch dieses Abkommen „positiv diskriminiert“, also besser gestellt wird als die zahlreichen anderen Minderheiten in dem Land. Es ist das einzige bilaterale Abkommen zwischen zwei Ländern mit Minderheiten, und es soll ermöglichen, dass Kasachstaner deutscher Herkunft, die sich zum Hierbleiben entschlossen haben, eine Existenzgrundlage erhalten. Dass sie ferner an Schulen und Universitäten die deutsche Sprache lernen können und dass deutsche Unternehmen gefördert werden. Man möchte verständlicherweise keine Unruhe reinbekommen in das funktionierende Zusammenleben der Minderheiten und Begehrlichkeiten wecken.

Wir haben aber den Eindruck, dass die kasachische Seite nun sehr daran interessiert ist, das Abkommen endlich zu ratifizieren. Die deutsch-kasachische Regierungskommission wird sich im Herbst eigens mit dem Abkommen beschäftigen.

DAZ: Sie haben auf einer Konferenz in Almaty von einem „Abflauen des Aussiedlerstroms seit 1995“ gesprochen. Wird sich die Frage der Aussiedler bald historisch von selbst erledigen?

Kemper: Nein, jedenfalls nicht in kürzester Zeit. Wir halten bei der Vermutung des Kriegsfolgenschicksals auch bei den Jüngeren fest – weil wir nicht zu Unrecht unterstellen, dass auch diejenigen ohne direktes Kriegsfolgenschicksal bei dem Zugang zu Hochschulen und zu bestimmten begehrten Berufen benachteiligt werden. Natürlich geschieht das nicht mit der offiziellen Begründung „Ihr seid Deutsche“. Aber sie steckt natürlich dahinter. Es gibt also auch bei denen eine Benachteiligung im Bildungssystem und im Beruf, die nicht mehr direkt von der Vertreibung betroffen sind.

DAZ: Diese Menschen werden auch unterstützt?

Kemper: Ja, und auch bei denen gilt, dass sie einen Anspruch haben, in die Bundesrepublik zu kommen, wenn sie die anderen Voraussetzungen erfüllen.

DAZ: Seit Anfang des Jahres ist das neue Ausländergesetz in Deutschland in Kraft. Darunter fallen nun auch die Aussiedler aus Kasachstan. Welche Auswirkungen hat dieses Gesetz auf die Zukunft dieser Menschen?

Kemper: Das Zuwanderungsgesetz legt den Schwerpunkt auf Integration. Die Menschen, die zu uns kommen, sollen die Chance haben, in der Aufnahmegesellschaft als gleichwertige Mitglieder zu leben. Sie haben einen Rechtsanspruch auf einen Integrationskurs – nicht nur die Aussiedler sondern auch deren Familienangehörige unabhängig von ihrer Nationalität. Sie haben außerdem Anspruch auf einen Sprachkurs. Wir erwarten allerdings auch, dass diese Angebote genutzt werden und dass sich diese Menschen aktiv bei uns integrieren.

DAZ: „Brücke zwischen Deutschland und Kasachstan“ ist ein gern zitierter Begriff von Unternehmern, die Beschäftigungen in beiden Ländern planen. Ist dieser Begriff realistisch?

Kemper: Gegenwärtig findet eine Neuformierung statt, es herrscht so etwas wie Aufbruchstimmung. Die Vorstellung allerdings, dass die Sozialsysteme zwischen Kasachstan und Deutschland abgestimmt werden können in kurzer Zeit, und dass Facharbeiter nach Kasachstan kommen, die ist sehr utopisch. Dann müssten schon sehr hohe Löhne gezahlt werden. Aber die Menschen, die in Deutschland und in Kasachstan leben bzw. hin- und herpendeln, stellen sicher eine Brücke dar. Wie belastbar diese Brücke schon ist, dass muss man vorsichtig ausloten.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Matthias Echterhagen

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