Die Weltfinanzmärkte spielen im Moment verrückt, was sich in den heftigen Auf- und Abwärtsbewegungen der Aktien- und Anleihenkurse, vor allem aber in dem drastischen Absacken des Eurokurses zu den wichtigsten anderen Weltwährungen manifestiert. Allgemeine Ursache für die ständigen Schwankungen ist die Unsicherheit der Investoren hinsichtlich der Sicherheit ihrer Anlagen.
Die aktuellen Turbulenzen haben ihren direkten Ursprung in dem kleinen Griechenland. Aus finanzieller Sicht ist diese Krise hausgemacht, sie hat also innere Ursachen, die sich vereinfacht mit Überkonsum und Unterproduktion bezeichnen lassen. Die Fähigkeit Griechenlands zum Bedienen der Schulden, die im Moment etwa 115 Prozent des nationalen Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen, ist real kaum gegeben, d. h. private Investoren machen einen Bogen um griechische Staatsanleihen, weil sie deren baldigen völligen oder teilweisen Wertverlust fürchten müssen.
Die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, mit anderen Worten der Staatsbankrott, wäre Sache des Landes und seiner Gläubiger, doch der Sachverhalt ist komplizierter. Das Land ist Mitglied der großen EU und der Eurozone, was folglich für einige Probleme sorgt. Nun kann man das erbarmungslose Verhalten der Kapitalmärkte beschimpfen oder sachlich kritisieren, diese zeigen durch ihr Verhalten letztlich nur auf objektiv vorhandene Schwachstellen.
Griechenland scheint nur der Anfang zu sein. Sicher kann es mit einigen Kraftanstrengungen gelingen, die Staatspleite Griechenlands abzuwenden. Es stehen jedoch schon weitere Problemkandidaten bereit, die durch den Rummel um den Euro und um Griechenland aufgeschreckt sind und sich Gedanken um ihre finanzielle Stabilität machen müssen. Dabei geht es bei weitem nicht nur um Island, Irland, Spanien, Portugal oder Italien.
Die Situation der Staatsfinanzen der führenden westlichen Wirtschaftsnationen ist alles andere als beruhigend. So wird der Schuldenstand der USA in diesem Jahr um dramatische 11 Prozent zunehmen und 94 Prozent des BIP der USA erreichen. In absoluten Zahlen ist das eine Zunahme der Schulden um etwa zwei Billionen Dollar, die vor allem japanische und chinesische Investoren bereitstellen. Doch wie lange noch glauben diese an die Finanzstärke der USA?
Der Schuldenstand der japanischen Regierung beträgt schon fast das Doppelte des eigenen BIP und der Schuldenstand der Eurozone steigt im Durchschnitt bis Ende dieses Jahres von 78 Prozent (2009) auf 84 Prozent und absolut um 1,2 Billionen Euro. Insgesamt steigen die Staatsschulden der USA, Großbritanniens, des Euro-Raumes und Japans zusammen im Zeitraum von 2009 bis 2010 um fast vier Billionen Euro, das ist etwa das 1,6 fache des deutschen BIP eines Jahres. Die Liste reicher Länder mit unsoliden Staatsfinanzen könnte durchaus weiter geführt werden. Doch die genannten Fakten reichen aus, um festzustellen, dass die Industriestaaten seit langem über ihre Verhältnisse leben, also mehr ausgeben, als sie einnehmen.
Die jüngste Finanzkrise hat diese Tatsache drastisch verschärft, sie ist aber keinesfalls der zentrale Grund für diese Situation. Folglich muss der Warnschuss Griechenland in viele Richtungen abgefeuert werden, vor allem eben auch an diejenigen, die Griechenland im Moment helfen. Das Problematische an der Griechenlandhilfe ist, dass dadurch das Schuldenproblem der Helfer noch weiter verschärft wird. Beruhigt in dem ganzen Schlamassel kann sich China zurücklehnen: die Wirtschaft floriert, der Staat schwimmt in Geld, da etwa 2,5 Billionen Dollar Devisenreserven vorhanden sind. Auch das wird dazu führen, den Einfluss Chinas auf den Finanzmärkten zu stärken und den von Dollar und Euro zu verringern.
Bodo Lochmann
21/05/10