Ich habe mit meinem schnittigen, niegelnagelneuen Fahrrad in ein geparktes, schnittiges, niegelnagelneues Auto gerammt. Der Fahrer, ein junger Türke war sehr nett, es täte ihm leid, dass er die Polizei rufen müsste, aber es sei eben ein Mietwagen, ansonsten hätten wir das unter uns regeln können. Klar! Kein Problem! Was ist schon dabei?
Die Polizei kommt, nimmt kurz den Sachverhalt zu Protokoll, ich gebe alles zu, wir melden den Schaden den Versicherungen, und alle fahren wieder nach Hause. Ein vollkommen eindeutiger Fall. Dachte ich.
Wie das denn genau gewesen sei, fragte die Polizei. Na ja, ich kam des Weges, verlor die Kontrolle über mein Rad und rumste voll Karacho in den Wagen. Es sei so ein starker Wind gewesen, meldete sich der junge Bursche dazwischen. Man scheint besser dazustehen, wenn man durch Naturgewalten gegen Autos kracht als durch eigene Tölpelei. Aber ich war noch zu deppert und begriffsstutzig und wiederholte meine eigene Version der Geschichte, dass ich eben mit meinem Rad nicht zurechtgekommen sei. Erst danach fiel mir ein, dass das keine gute Aussage ist. Wer mit seinem Fahrzeug nicht zurechtkommt und damit andere bedroht, sollte eben dieses nicht benutzen. Ob es einen Paragrafen gibt, der das Fahrradfahren verbietet, wenn man es offensichtlich nicht beherrscht?!
Der Polizist interessierte sich aber nicht weiter für meine Fahrkünste und zeichnete die Situation auf. Der junge Türke versuchte noch mal, den Wind ins Spiel zu bringen. Ja, in der Zeichnung erkannte ich wieder, was ich erlebt habe. Allein der Wind kam nicht darin vor. Jetzt galt es noch, die Personalien aufzunehmen. Ich hatte meinen Personalausweis nicht dabei, was in Deutschland eine Ordnungsgebühr fordert. Der Polizist meinte es gut mit mir. Wer denn noch unter der Adresse, die ich angab, wohne. Ich war noch immer nicht ganz bei mir. Tja, wer wohnt da? Ich zählte mühselig an den Fingern ab: der Marcel… oder heißt er Markus? Ja, doch, Markus! Dann unter mir… äh… Patrick… aber der Nachname? Wie heißt er noch? Der Polizist musterte mich skeptisch. „Wie viele Wohnparteien sind es denn?“ Ich zählte wieder an den Fingern ab: Im Erdgeschoss zwei, nein, also doch, zwei Einheiten, davon ist aber eine ein Ladenlokal. Da drüber zwei… Schon gut! stoppte mich der Polizist, ich glaube Ihnen. Nächste Frage: Ob ich verletzt sei. Mir taten die Rippen weh, und ich spürte dumpfe Schmerzen im linken Bein.
Also, es sei so: Wenn es nur ein Sachschaden ist, komme ich mit einer Verwarnung in Höhe von 35 Euro davon. Ist es hingegen ein Sach- und Personenschaden, ist das eine anzeigepflichtige Straftat – fahrlässige Körperverletzung – und es wird ein Bußgeld verhängt, das weit höher liege als die Verwarnung. Was es sei, hänge von mir ab. Äh, tja, weiß nicht. Ich war absolut überfragt. Straftat? Fahrlässige Körperverletzung – gegen mich selbst?? Ja, eben! Bzw. Ja, trotzdem! „Machen wir das, was rechtmäßig ist“, fand ich. Wir sind hier ja nicht auf dem Basar, und in Deutschland ist jede klitzekleine Eventualität klar geregelt. Und bei der Entscheidung, was rechtmäßig ist, kann ich dem Polizisten nun wirklich nicht helfen. Ja, aber wenn ich sagen würde, die Schmerzen sind nicht sooo schlimm, wäre es nur die Verwarnung. „Ja, aber die Rippen tun schon sehr weh.“ „Ich will es Ihnen nicht ausreden, aber wenn es nur ein Sachschaden wäre, wäre das insgesamt weniger…“ Ich fragte, ob ich dann notfalls trotzdem noch zum Arzt dürfe. Dürfe ich. „Gut, dann nehme ich die Verwarnvariante.“
Na, also! Die Umstehenden atmeten erleichtert auf und wir fuhren alle nach Hause. Ob sie es einfach gut mit mir meinten oder sich selbst die Arbeit mit der Anzeige sparen wollten, sei dahingestellt. Ich jedenfalls kam mit einem blauen Auge bzw. geprellten Rippen davon.
Julia Siebert
05/06/09