Auf der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse von Berlin (11.-15. März) zeichnete sich für Kasachstan eine Verstärkung des Business- und Naturtourismus ab

Der Tourismus wird in den Programmen der ökonomischen Entwicklung als ein Wirtschaftszweig genannt, dessen Entwicklung vorrangig ist. Nicht zu Unrecht, denn einer der Schätze Kasachstans ist die Vielfalt der Landschaft, die großartige, stellenweise nahezu unberührte Natur.

Die Statistiken geben den Wirtschaftsplanern scheinbar recht: Die Zahl der Touristen wächst von Jahr zu Jahr und erreichte im Jahr 2004 knapp 100.000 Personen. „Echte» Touristen, die den lokalen Reiseveranstaltern Umsatz bringen und Hotels und Restaurants nutzen, dürften allerdings noch in der Minderheit sein. Es handelt sich vor allem um deutsche Aussiedler auf Heimwehtouren, die während ihres Aufenthaltes in Kasachstan bei Verwandten und Bekannten wohnen und die touristische Infrastruktur kaum nutzen. Aber auch Geschäftsreisende, die aus ganz pragmatischen Gründen auf dem Visa-Antrag „Tourismus» als Reiseziel angeben, dürften in dieser Statistik-Kategorie vertreten sein, denn seit Februar 2004 werden Einfachvisa für Touristen auch ohne Einladung unbürokratisch und preiswert ausgestellt. Eine Entscheidung, die nachdrücklich zu begrüßen ist und in Verbindung mit der noch ausstehenden Entscheidung über die Abschaffung der Meldepflicht viel für die Entwicklung der Reisefreudigkeit bedeutet.

Kasachstan hat touristisches Potential. Diese Einschätzung teilen auch die Fachbesucher, die auf dem ITB-Stand zielgerichtet Kontakte suchten, um durch Kooperation mit erfahrenen lokalen Partnern ihren Aktivitäten eine neue Dimension zu geben. Die Fachbesucher lassen sich in drei Gruppen einteilen, aus deren Analyse sich Rückschlüsse ziehen lassen über die Entwicklung, die Kasachstan als Reiseland bevorsteht.

Da sind zum einen die Anbieter historisch-kultureller Reisen, deren Augenmerk vor allem auf Touren entlang der historischen Seidenstraße liegt, aber auch Reisen auf den Spuren der Nomadenkultur. Ihre Zielgruppe: vorwiegend ältere Reisende mit hohem intellektuellem Anspruch, die bereit sind, relativ große Summen in eine Reise mit nachhaltigem Bildungswert zu investieren, die dafür aber auch eine gut entwickelte Infrastruktur, perfekte Reiseleitung und einen reibungslosen Verlauf der Tour erwarten. Diesem Anspruch gerecht zu werden, bedeutet, in den entsprechenden Gebieten die touristische Infrastruktur nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ auszubauen. Die Rede ist nicht von Dutzenden Fünfsternehotels an der Trasse Turkistan – Almaty, sondern von kleinen, anspruchsvollen Hotels mit lokalem Kolorit, wo die Touristen auf Wunsch auch in gut ausgestatteten Jurten übernachten, einen Ausritt auf dem Kamel wagen und abends bei Dombra- oder Kobyzmusik am offenen Feuer Schaschlyk oder Besparmak essen können.

Wachsen wird der Anteil des umweltverträglichen Naturtourismus. Urlaubsarten wie Wandern, Bergsteigen und Reiten, Extremsportarten wie Rafting, Canyoning, Paragliding liegen im Trend. Tourismusforscher weisen darauf hin, dass die Bedeutung aktiven Urlaubs steigt. Zivilisationsmüde Großstädter suchen die letzten unberührten Landschaften dieser Erde, um dort der Natur und sich selbst wieder nahe zu kommen. Kasachstan hat einiges an solchen Landschaften zu bieten. Diese Urlauber reisen individuell und in kleinen Gruppen, worauf man sich in den Zielgebieten mit kleinen Lodges, preiswerten Jugendherbergen und Campingmöglichkeiten einstellen muss. Eine besondere Gruppe innerhalb der wachsenden Fangemeinde der Naturtouristen sind Ornithologen, Botaniker, Entomologen, Geologen usw., die ihrem Hobby in kleinen Gruppen bei naturwissenschaftlichen Touren frönen. Ihre Ansprüche an Unterkunft und Komfort sind nicht allzu hoch, dafür sind ihre Anforderungen an eine gute Reiseleitung und Fachkompetenz beträchtlich. Auch wird man sich daran gewöhnen müssen, dass gerade solche Touristen bisweilen kritische Fragen stellen: nach der Effektivität der Naturschutzrichtlinien im Land, nach dem Verbleib bestimmter Tierarten, die durch Wilderei und Jagd an den Rand der Ausrottung gedrängt werden, nach dem Warum wilder Müllkippen in der Landschaft, sprich, nach dem wahren Gehalt des so beliebten Schlagwortes vom ökologischen Tourismus. Diesen Touristen wird man keine Mogelpackungen anbieten können – hier müssen Entwicklung von Tourismus und Umweltschutz Hand in Hand gehen.

Und schließlich wächst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung die Bedeutung des Businesstourismus in Kasachstan. Große Hotelketten haben sich darauf eingestellt, Marriott zum Beispiel eröffnet in Kürze zwei große Hotels in Atyrau und Aktau, die auch den gehobenen Komfortansprüchen von Geschäftsreisenden gerecht werden sollen.

Viel zu tun also für die Mitarbeiter der ehemaligen Agentur für Tourismus und Sport, kürzlich umstrukturiert und nunmehr dem Komitee zur Regulierung der Handels- und Tourismustätigkeit im Ministerium für Industrie und Handel zugehörig. Jewgenij Nikitinski, stellvertretender Vorsitzender der Behörde, stimmte auf der Berliner Messe zu, dass mehr für eine koordinierte Entwicklung der touristischen Infrastruktur getan werden muss. Es geht um die aufeinander abgestimmte Entwicklung von Angeboten für alle oben genannten Zielgruppen. Besonderes Augenmerk will man der Erweiterung der Möglichkeiten für Jugendtourismus schenken, eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendherbergswerk ist erwünscht.

Nachgedacht wird auch über die Einrichtung eines kasachstanischen Fremdenverkehrsamtes in Deutschland. Die Erfahrung vieler Länder zeigt, dass sich mit solch einem Außenposten viele Aktivitäten gut bündeln lassen, dass eine kompetente Marketingarbeit direkt im Herkunftsgebiet der Touristen sehr effektiv sein kann. Notwendig ist so ein Amt vor allem für die Rückkopplung, wie deutsche Touristen Kasachstan sehen. Daraus lassen sich entscheidende Rückschlüsse ziehen für die Darstellung Kasachstans als Reiseland, für die Vorbereitung und Durchführung von Messen, Präsentationen, Journalistenreisen, für Verhandlungen mit Reiseveranstaltern, touristischen Organisationen und Hotelketten.

Als wichtigste Bilanz der Beteiligung Kasachstans an der ITB 2005 kann gelten, dass man es noch besser lernen muss, Kasachstan als Tourismusziel nicht nur mit eigenen Augen zu sehen, sondern vor allem mit den Augen der Zielpersonen, der Touristen. Da sind Steppenberge, Pferde und Kamele, Jurten und Filzteppiche, Dombramusik und Schaschlyk als archaische „Sehnsuchtsbilder» besser geeignet, als die Darstellung moderner, pulsierender Städte wie Astana und Almaty – auch wenn man selbst natürlich einen berechtigten Stolz eben auf diese urbanen Zentren des Fortschritts entwickelt hat.

Ein Experte für Marketing bemerkte auf dem Kasachstan-Stand, das dem Land ein „Branding» fehle, die Herausarbeitung einer einzigartigen Marke „Urlaub in Kasachstan». Wenn man es schafft, diese Marke mit einem „Wiedererkennungswert» bis zur ITB 2006 zu entwickeln, ist man dem Ziel einen großen Schritt näher gekommen.

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