Als die Berliner Mauer 1961 gebaut wurde, diente sie jahrzehntelang dazu, Flüchtlingszüge aus Ost– nach Westdeutschland zu stoppen. Im Gegensatz dazu wird sie jetzt ein Symbol der Toleranz und macht deutlich, warum täglich Tausende Menschen gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen.

A‘amar, aus der Provinz Dera‘a. Er wurde am 24. Juli 2012 verletzt, als eine Rakete einen Schutzraum traf, in dem sich hunderte von Menschen befanden. In der Explosion verlor A‘amar einen Arm und einen halben Fuss. Eine Woche musste er in einer Behelfsklinik verbringen. Aufgrund der militärischen Lage konnte man ihn nicht über die Grenze nach Jordanien bringen, und A‘amar musste fünf Kilometer auf einer Trage um den Grenzposten herum getragen werden. Im Krankenhaus angekommen, wurden sofort zwei Amputationen vorgenommen. | Bild: Sobir Pulatow

Flüchtlinge – Ja oder Nein? Diese Frage wird in Deutschland jeden Tag auf allen Kanälen scharf diskutiert und spaltet das gesellschaftliche Klima. Auf der einen Seite protestieren PEGIDA-Anhänger gegen Flüchtlinge und Migranten. Andererseits setzt sich, laut dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) jeder zehnte Deutsche derzeit für Flüchtlinge ein.

Auch Kai Wiedenhöfer, international angesehener Fotograf, hat sich dem Thema zugewandt. Und ausgerechnet auf der Rückseite der „East Side Gallery“ auf der ehemaligen Berliner Mauer seine Ausstellung „War on Wall“ installiert. Damit beabsichtigt er, unmittelbar die Unmenschlichkeit des Krieges zu zeigen und möchte die Fluchtmotive begreiflich und sichtbar machen.

Zerstörte Stadt Kobane an der Berliner Mauer. | Bild: Sobir Pulatow

Von seinen Bildern lesen jeden Tag Tausende Menschen, die an der Mauer entlang laufen, nicht nur die körperlichen, sondern auch die seelischen Wunden von Kriegsverletzten ab. Wiedenhöfer porträtierte ein Jahr lang Kriegsverletzte in Syrien und die durch Bombenanschläge zertrümmerten, leblosen Häuser in Kobane. Die syrische Stadt Kobane erreichte durch den Kampf um sie internationale Bekanntheit, bei dem die Stadt 2014 in erbitterten Kämpfen gegen den Islamischen Staat verteidigt wurde.

„Ich will zeigen, warum die Leute in Syrien ihre Heimat verlassen. Laut der Weltgesundheitsorganisation werden bisher 25.000 Menschen monatlich verletzt. Ich möchte mit diesen Bildern das Leid der Zivilbevölkerung in diesem Krieg zeigen“, sagt er im Interview vor der Mauer.

Auf die Frage, warum er seine Ausstellung ausgerechnet an der Mauer anbrachte, antwortet er: „Weil die Mauer ein Denkmal ist. Kultur– und geschichtsinteressierte Leute aus vielen Ländern kommen jeden Tag hierher. Wenn wir das in einem Museum gemacht hätten, würden nur zehn Prozent der Leute diese Bilder sehen, die sie jetzt sehen können.“

Und wirklich – minutenlang bleiben Menschen stumm schauend vor den großformatigen Ansichten stehen. Vielleicht versuchen sie dabei auch zu verstehen, warum so viele Menschen nach Europa flüchten.

Sobir Pulatow

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