Leute aus der ganzen Welt in ihrem kleinen Abenteuer- und Reisezentrum „Light Up!“ zu versammeln, das ist das Ziel von Tamilja Iskakowa. Die Sprachlehrerin vermittelt Sprache auf eine kreative Art und Weise.

„Ich hasse Grammatik!“, Tamilja Iskakowa rückt ihre hellgrüne Brille zurecht und lächelt vielsagend. Die zierliche Kasachin sitzt mit einer Tasse Tee im Schneidersitz an einem kleinen Tischchen und wartet auf ihre Französisch-Schüler. „Sprache ist keine Wissenschaft, Sprache ist ein Werkzeug“, empört sie sich über trockene Sprachkurse, „man muss nicht über das Material einer Axt Bescheid wissen, um sie benutzen zu können.“ Genau diesen Ansatz verfolgt sie auch bei ihrem Sprachunterricht: Kreativität und Spaß sind gefragt, kein Wissen.
Zwei Polen kommen in den bunten Raum, sie wollen Karten spielen. Das Abenteuer- und Reisezentrum „Light Up!“ beherbergt ab und zu auch Gäste. Eine gute Gelegenheit, um Sprachkenntnisse praktisch anzuwenden, freut sich die 22-Jährige. Bald trudeln die drei Französisch-Schüler ein. Energiegeladen springt Tamilja auf, begrüßt sie auf Französisch. Die Schüler sollen die Augen schließen, während aus einem Laptop „Je veux“ der Sängerin ZAZ dröhnt. An was die drei dabei dächten, will die dynamische Lehrerin wissen. Um in das richtige Frankreich-Feeling zu kommen, soll sich jeder einen französischen Namen aussuchen. So turnen Marie, Daniel und Dorène durch den Raum, und sollen beschreiben und pantomimisch darstellen, was sie gerade tun. „Das ist das erste Mal, dass ich Französisch spreche“, freut sich Dorène.

„Verständigung ist eine Frage der Kultur, und nicht der Sprache!“

Tamilja ist der Meinung, dass man nicht sehr viel Wissen braucht, um eine Sprache zu sprechen. Ein Nomen könne man zum Beispiel auch mit einem Verb umschreiben: „Eine Tasse ist etwas, aus dem man trinkt.“ So hat sie sorgfältig das Wichtigste der französischen Sprache schön übersichtlich auf kleinen Kärtchen zusammengefasst. „Das ist das Wissen, das man braucht“, erklärt Tamilja, „der Rest ist Fertigkeit, die bekommt man nur durch Üben, Üben, Üben.“ Dafür müsse man nicht viel Geld für teure Sprachkurse ausgeben: Möglichkeiten finde man überall. Im Gespräch mit Muttersprachlern, in Filmen und beim Musikhören. „Das Wichtigste beim Lernen einer neuen Sprache ist der Spaß!“ Die Leidenschaft für Sprachen ist Tamilja anzumerken. Neben ihrer Muttersprache Russisch und Französisch spricht sie Englisch, Italienisch, Spanisch und Kasachisch. Es sei eine Frage der Kultur und nicht der Sprache, dass man sich verständigen könne, ist sie überzeugt. Man müsse zuhören; sehen, wie die Leute selbst die Sprache benutzten. Das englische, auf Gott bezogene „Bless you“ („Segne dich“) würde man im Russischen beispielsweise nie so benutzen, wenn jemand niest. Dort sagt man: „Werde gesund!“. Selbst, wenn man ein ganzes Wörterbuch auswendig kenne, hieße das noch lange nicht, dass man sprechen könne. Andererseits könne man auch mit nur wenigen Worten sehr viel sagen. Im Dezember will die quirlige Kasachin ein Praktikum in Polen oder Tschechien machen, um sich weiterzubilden. Danach führt sie ihre Reise unter anderem nach Deutschland, wo sie Deutsch nach ihrer eigenen Methode lernen will.

Hände aus der ganzen Welt

Mit den Sprachkursen finanziert sie ihr kleines Projekt, das Abenteuer- und Reisezentrum „Light Up!“ im Herzen Almatys. Das Projekt gibt es schon seit Juli, seit Mitte Oktober gehen Jugendliche aus der ganzen Welt in der neuen Unterkunft in der Masanchi-Straße ein und aus. Gleich am Eingang haben sich bereits zahlreiche Globetrotter per Händeabdruck mit Fingerfarbe verewigt. „Ich würde gerne Leute aus der ganzen Welt sammeln“, träumt Tamilya. In der kleinen Wohnung könne man neue Leute kennen lernen, die Welt entdecken und Neues lernen. Hierfür gibt es auch verschiedene Clubs, wie einen Filmclub, einen Literaturclub, einen Musikclub oder Kunstsamstage, bei denen man sich zum Spielespielen trifft. Jeden Sonntag treffen sich die Jugendlichen zum Englischlernen – in kleinen Theaterstücken oder beim Filmeschauen. „Es ist das Interessanteste in der Welt, dass wir so unterschiedlich sind“, freut sich Tamilja. Kommen könne jeder, es koste nur eine kleine Spende für Tee und Süßigkeiten. „Geld verdiene ich hiermit jedenfalls nicht“, lacht sie.

Der Light Up!-Club befindet sich in der Masanchi-Straße 102. Mehr Informationen unter www.lightup-c.ru.

Von Christine Faget

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